Kapitel 4

262 14 2
                                    

~Nagisa~

Wieder einmal holte mich die Stimme meiner Mutter aus dem Schlaf. Ich antwortete ihr nur knapp und sprang dann schnell aus dem Bett. Sofort rannte ich ins Bad und stellte mich vor einen großen Spiegel. Ich riss mir das T-shirt schon fast vom Leib und begutachtete sorgfältig meinen Körper.
Nichts ist zu sehen. Keine Blutergüsse und keine Narben am Bauch. Schmerzen habe ich auch nicht. War das jetzt ein Traum im Traum? Alles hat sich so real angefüllt.

Während ich mich fertig machte und zur Schule lief, ging mir dieser Traum nicht mehr aus dem Kopf. Wie Karma die ganze Zeit auf mich eingeprügelt und nicht aufgehört hat. Der alleinige Gedanke daran, bereitete mir Gänsehaut und ich spürte wie mir eine einzelne Träne die Wange hinunter lief. Schnell wischte ich sie weg und versuchte an etwas anderes zu denken. Aber vergeblich. Dieser Traum will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Was ist, wenn das gleich wirklich passiert? Ich blieb kurz stehen und dachte darüber nach, ob ich vielleicht Schwänzen oder einen Umweg machen sollte. Ich hatte einfach zu große Angst vor dem, was mich gleich erwarten würde. Ich entschied mich schließlich für Letzteres und nahm einen kleinen Umweg, der gerade weit genug von der Stelle entfernt ist, aber nicht zu weit, dass ich zu spät zum Unterricht kam.

Im Gebäude angekommen atmete ich erleichtert aus. Ich war froh Karma noch nicht begegnet zu sein. Das würde sich aber bestimmt gleich ändern, sobald ich die Klasse betreten habe.
Da ich keine andere Wahl hatte, musste ich wohl oder übel in die Klasse gehen. Als ich durch die Tür in den Klassenraum eintrat, versuchte ich mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Ich zitterte ein wenig, was aber zum Glück niemand bemerkte.
Eigentlich hatte ich gedacht, dass Karma, sobald er mich sieht, mich anschreien und schlagen würde. Aber ganz im Gegenteil. Als er mich erblickte, drehte er seinen Kopf einfach schnell weg und ignorierte mich.
Hoffentlich bleibt das den Rest des Tages noch so. Ich bin nämlich nicht in der Lage, mich mit ihm zu unterhalten. Ich würde wahrscheinlich keinen Ton rausbringen und erstarren. Aber wieso? Ist es Scham? Angst? Oder das Wissen, das ich mich verplappern könnte?

?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt