| Ein Augenblick

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Du fürchtest dich vor der Dunkelheit?"

Er widerholte ihre Worte so leise, dass das Plätschern des Teiches seine Worte beinahe übertönte. Sein Blick glitt über ihr dunkles Gesicht und als sie langsam nickte, da runzelte er die Stirn. „Warum?"

Sie öffnete den Mund, doch mehr als ein lautloses Seufzen, kam nicht über ihre Lippen. Ihre Finger strichen durch die Wiese, Grashalme drückten dabei gegen ihre Handfläche, doch sie störte sich nicht daran und genoss das kühle Gefühl, das die Wiese auf ihrer Haut hinterließ.

„Manchmal kann die Dunkelheit erschreckend sein."

Sie sprach so leise, dass er ihre Worte beinahe nicht gehört hätte. Stumm sah er sie von der Seite an, betrachtete ihr Gesicht, das nur schwach vom Mondlicht erhellt wurde und dachte über ihre Worte nach.

„Manchmal ist die Dunkelheit leblos. Es fühlt sich so an als würde alles anders sein, wenn es dunkel ist."

Ihre Stimme klang mit einem Mal unendlich traurig, in seinem Bauch breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus und er runzelte abermals die Stirn.

„Aber die Dunkelheit kann doch auch schön sein."

Nun war es seine Stimme, die an ihre Ohren drang. Sie lauschte den Wörtern, die aus seinem Mund kamen und konzentrierte sich für einen Augenblick lang darauf, wie sein britischer Akzent durch die Wörter hindurch klang. Ein kleines Lächeln legte sich um ihre Lippen und sie drückte die Handflächen in das kühle Gras.

„Wenn es nicht dunkel wäre, könnten wir keine Sterne sehen, keinen Mond und auch keine Feuerwerke. Nicht einmal eine Sternschnuppe."

Er hob den Kopf und während er seinen Blick über den dunklen Himmel wandern ließ, da hob auch sie ihren Kopf an und ließ die Augen über die funkelnden Himmelskörper wandern. Sie erkannte ein schwaches Licht vor ihren Augen und schließlich senkte sie ihren Kopf. Sie schloss die Augen, legte die Stirn für einen Moment lang nachdenklich in Falten und dann seufzte sie.

Das leise Geräusch drang an seine Ohren und als er den Kopf drehte, da bemerkte er den traurigen Ausdruck, der sich über ihr Gesicht gelegt hatte. Er wusste nicht, warum sie auf einmal traurig war. Er konnte es nicht nachvollziehen und dennoch machte sich bei ihrem Anblick erneut das merkwürdige Gefühl in seinem Bauch bemerkbar.

„Warum bist du hier?", fragte er.

„Warum bist du nicht an einem Ort, an dem es nicht dunkel ist?"

Sie zögerte einen Augenblick lang.

„Weil es keinen Unterschied macht."

„Was meinst du damit?"

Die Stille legte sich erneut über die beiden und als er nicht mehr daran glaubte, dass sie ihm noch antworten würde, da hörte er ihre leise Stimme und es brauchte nur vierzehn Worte, damit sein Herzschlag für einen Augenblick lang aussetzte.

„Es ist ganz egal wo ich bin, denn es ist immer und überall dunkel."

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[14. April 2018]

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