| Drei Herzschläge

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Als Will am Abend des fünfzehnten Julis auf die Wiese des Parks trat, da saß Elaine längst auf dem grünen Boden. Ihr Haar fiel ihr in sanften Locken über den Rücken, sie trug eine geblümte Bluse und hielt in ihren Händen einen Gegenstand, den Will aus der Entfernung nicht erkennen konnte.

Er lief über die Wiese und beobachtete Elaine, die ihn gar nicht zu bemerken schien. Sie saß stumm im Gras und bewegte sich nicht. Als Will nur noch wenige Schritte hinter ihr stand, da räusperte er sich mit einem Grinsen auf den Lippen.

„Hallo, Elaine. Mein Name ist Will Anderson, ich habe braune Haare und blaue Augen. In diesem Moment trage ich ein grünes T-Shirt und eine dunkle Jeanshose. Ich habe einen braunen Rucksack dabei und wenn du mich sehen könntest, würdest du mich für den schönsten jungen Mann halten, den du je gesehen hast."

Es war still.

Ein Herzschlag lang.

Zwei Herzschläge lang.

Drei Herzschläge lang.

Und dann drang Elaines sanftes Lachen an sein Ohr. „Du bist verrückt!"

Elaines Stimme klang anklagend, doch als Will sich neben ihr auf der grünen Wiese niederließ und zu ihr sah, da erkannte er das Lächeln, das sich beinahe über ihr ganzes Gesicht zog.

„Du wolltest wissen, wie ich aussehe", sagte er und als Elaines Fingerspitzen gegen seinen Arm stießen, da spürte er ein leichtes Kribbeln an dieser Stelle. Er genoss die sanfte Berührung an seinem Arm, doch ehe er sich versah, verschwanden Elaines Fingerspitzen von seiner Haut. Er hob die Hand an und umschloss Elaines Finger, die sich so vertraut in seiner Hand anfühlten.

„Ich mag den Geruch von frischem Kaffee und gemähtem Rasen und ich liebe das Gefühl, wenn die Sonne auf meine Haut scheint. Wenn es donnert, dann liebe ich es, das laute Geräusch zu hören."

Will malte sanfte Motive auf ihren Handrücken, während die Worte seine Lippen verließen und Elaine saß einfach nur still da. Das Herz in ihrer Brust klopfte unheimlich schnell und das Lächeln auf ihren Lippen war so unglaublich groß.

„Ich mag den Geruch von Regen auf dem Asphalt, ich liebe den Geschmack von Beeren und ich höre abends gerne zu, wenn der Regen auf das Dach prasselt. Und ich liebe das Gefühl von warmem Sand am Meer zwischen meinen Zehen."

Elaine spürte einen leichten Druck an ihren Fingern und Will war für einen Augenblick lang sprachlos. Es waren nur wenige Worte, die sie miteinander gesprochen hatten, doch er hatte das Gefühl, mit diesen Sätzen unheimlich viel über Elaine erfahren zu haben.

Und Elaine ging es genauso. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie jemals mit einem Mann ein solches Gespräch geführt und sich mit ihm so verbunden gefühlt hatte, wie sie es nun mit Will tat.

Mit Will schien alles anders zu sein und Elaine genoss es, mit ihm auf dem grünen Boden zu sitzen und sich mit ihm zu unterhalten. Will behandelte Elaine nicht so als wäre sie anders, er behandelte sie genauso, wie er auch alle anderen Menschen behandeln würde und das löste in Elaine ein Gefühl aus, das sie nicht beschreiben konnte.

Doch es machte sie glücklich, denn niemals hatte sie daran geglaubt, dass sie eines Tages jemanden finden würde, der sich nicht von ihrer Blindheit abschrecken ließ.

Menschen, die dich mit den einfachsten Dingen glücklich machen, solltest du nicht gehen lassen, Elaine. Sie erinnerte sich an die Worte, die ihre Mutter einst zu ihr gesagt hatte und als sie spürte, das Will ihre Hand sanft drückte, da war sie sich sicher, dass sie Will niemals gehen lassen wollte.

Und das Herz in ihrer Brust sah das genauso wie Elaine, denn wann immer sie an Will dachte, schlug ihr Herz unheimlich schnell in ihrem Brustkorb.

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[02. Mai 2018]

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