Held No. 1: Justin

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Unsere Geschichte fing kurz vor meinem 16. Geburtstag an. Wir würden uns über Deutschland sucht den Superstar austauschen, und so sollte alles anfangen. Für alle die, die nicht mehr wissen welche Staffel das war; das war die, in der Pietro Lombardi gewonnen hat. Ich fand halt Sarah Engels so unfassbar heiß und war natürlich auf ihrer Seite. Dass die sich dann in den Lombardi verliebt, den heiratet und ein Kind von ihm bekommt, konnte ja nun wirklich keiner ahnen. Sie war doch meine Traumfrau. Man ey. Aber egal, zurück zum Thema. Ich fuhr also zu ihm hin, er heißt übrigens Justin, und wir schauten uns eine Wiederholung von einer Samstagabend Live Show an. Er jubelte wie Sau, als Sarah Engels weitergewählt wurde, obwohl wir es beide schon den Abend zuvor sahen. Aber egal, wir waren richtige Fangirls. Wir haben uns im Hinblick auf das Finale sogar T-Shirts machen lassen; und wir sind wirklich damit rumgelaufen. Wir gingen auf dieselbe Schule, an der am 6. Mai 2011 Tag der offenen Tür war. Ich hatte drei Auftritte an diesem Tag, und zog mein fucking selber gemachtes Sarah Engels T-Shirt an, und machte vor meinem Auftritt ordentlich Werbung. Gelegenheiten nutzen nenne ich das. Im weiteren Verlauf der Show, saßen wir Samstagabends zusammen vor dem Fernseher bei ihm im Garten und verfolgten die Liveshows. Letztendlich hat Pietro Lombardi dann gewonnen, aber unsere Freundschaft entwickelte sich immer weiter. Ich wurde jetzt nicht nur auf seinen Geburtstag eingeladen, sondern auch zum Kuchenessen bei seinen Geschwistern. Obwohl ich anfangs dachte, dass seine Familie mich nicht mag, taten sie immer alles dafür, dass ich mich da wohl fühlte. Und ich fühlte mich auch pudelwohl. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und wurden einfach beste Freunde. Funfact: Er hat nie gesagt, dass ich sein bester Freund bin, sondern mich immer nur als Kumpel referiert. Es war aber so, dass wir trotzdem jeden Tag etwas miteinander gemacht haben. Interessanter Weise haben wir in der Schule nicht viel miteinander zu tun gehabt. Wir haben nicht einmal in den Pausen zusammen geraucht. Ehem, natürlich hat keiner in der Schule geraucht.

Aber warum tanzt er mit? Er hat einen enorm wichtigen Part in meinem Leben gespielt. Wann immer ich wollte, konnte ich zu ihm gehen, und wir würden irgendetwas starten. Über Gefühle, oder, dass es mir schlecht ging, haben wir wenig bis gar nicht geredet. Das sollte sich für die nächsten Jahre auch für sehr gut bewähren. Durch diese ständige Aufeinanderhocken habe ich total vergessen, was mich in der Zeit zuvor beschäftigt hat. Meine Depressionen waren noch nicht diagnostiziert, denn zum Arzt würde ich erst Jahre später gehen, aber dazu später mehr. Wir haben unzählig viele Dinge erlebt. Wir waren mal totaler Fan von Geocaching. Total witzige Idee, die wir mal ausprobieren wollten. Wir haben uns beide eine dazugehörige App heruntergeladen und die Suche ging los. Ein Objekt würden wir in einem nahegelegenen Wald finden. Dass das allerdings ein alter Bunker sein würde, wussten wir nicht. Zu der Zeit haben wir dauernd „What are we doing" Videos gemacht. Heute nennt man sowas einen Vlog. Wir standen vor diesem Bunker geschlagene 15 Minuten und haben uns vor Respekt und Angst fast in die Hose gemacht. Dann macht Justin diese verkackte Tür endlich auf, und dahinter ist eine zweite Tür. Danke! Letztendlich konnten wir das Rätsel aber nicht lösen, weil irgendetwas fehlte. In dem Wald haben wir uns übrigens auch verloren. Justin hat mich angerufen, und ich hab dann öfter mal laut gerufen, damit er den Weg finden würde. Fand er aber nicht, weil: „Hä Marcel, du rufst immer gleich laut." Ja mensch, du musst das Telefon auch vom Ohr nehmen. Das war einer der geilsten Tage. Ein anderer Höhepunkt war zum Beispiel 2012. Er ist mit jemandem zusammengekommen, dessen beste Freundin auf mich stand. Voll gut. Drei oder vier Tage sind wir zusammengekommen. Wo soll das denn enden? Zwei beste Freunde zusammen mit zwei besten Freunden. Durch die beiden haben wir uns jetzt noch öfter gesehen, als sowieso schon. Oft saßen wir zu viert in meinem Zimmer, und haben einfach gechillt. Durch meine Freundin habe ich auch den Liebesfilm „Mit dir an meiner Seite" kennengelernt; aber bloß kein Klischee bedienen. Ich erinnere mich, dass wir zusammen im Bett gelegen haben, Arm in Arm, Hand in Hand und dann den Film geschaut haben. Ich hab am Ende geheult, und sie ist eingeschlafen. Sogar bei Harry Potter und die Heiligtümer des Todes ist sie eingeschlafen. Unfassbar. Leider war es durch eine Vorgeschichte mit jemandem aus ihrer Familie eine Beziehung, die nicht lange halten würde. Wir haben es nicht einmal einen Monat geschafft, was total schade ist, weil wir, neben ein paar Kleinigkeiten, perfekt füreinander waren. Wir trennten uns also, und es dauerte nicht lange, da trennte sich Justin auch von seiner Freundin. Das war meine letzte Beziehung bis zum heutigen Tag. Justin allerdings lernte weiter junge Damen kennen und hielt es immer für sehr wichtig sie mir vorzustellen. Daraus sind auch wunderbare Dinge entstanden.

Anfang/Mitte 2014 hat sich das Blatt für uns gewendet. Nach allerlei Dingen die wir erlebten und verzapften, ging es doch langsam dem Ende zu. 2013 sind wir beide aus der Schule gekommen, und haben eine Ausbildung begonnen. Ich ging in die Sozialassistenz und er in die Pflegeassistenz. Ein Klassenraum neben mir. Man entfernte sich trotzdem einander, da man andere Leute auch kennenlernte. Ich war allerdings zwei Mal Gastgeber eines Pokerabends, der aus seinen Klassenkameraden und seiner Freundin bestand. Das war wohl einer der verzweifelten Versuche, sich einander nicht zu verlieren. Es waren die verschiedensten kleinsten Dinge, die mich z.B total gestört haben. Zum Beispiel kann ich es überhaupt nicht leiden, wenn jemand bei mir ist, und ununterbrochen, ständig und nur am Smartphone beschäftigt ist und keinen Ton sagt. Er kam einmal zu mir, weil er sich getrennt hatte, und als bester Freund ist man dann natürlich da; sollte man meinen. Ich habe kein Wort gesagt. Alles was sich mir bot, war er auf meinem Sofa am Smartphone und verfasste, seiner Aussage nach, die längste Whatsappnachricht, die er je geschrieben hat. Hätte man halt auch genauso gut zuhause tun können. Was uns allerdings den Rest gegeben hat war, dass am Ende die Wahrheit und Ehrlichkeit nicht mehr höchste Priorität hatte. Ständige Zurechtlegung der Realität in seinem Sinne zum Beispiel trug dazu bei, dass man irgendwie eine Lösung finden müsse. Doch irgendwie wollte eine Lösung nicht her. So schnell wir uns aneinander gewöhnt haben, haben wir uns auch voneinander entfernt. Ich habe ihn immer beneidet über seine ambitionierte Disziplin, Möglichkeiten wahrzunehmen, die ihn voranbringen würden. Er nahm eine solche Chance wahr, und zog im Interesse dessen auch in den nächst größeren Ort. Nicht weit weg, aber anscheinend weit genug, dass wir uns so gut wie gar nicht mehr zu treffen schafften. Verschiedene Termine die wir wahrnehmen müssten und auch einfach andere Interessen.

2014 war also das Jahr, in dem wir uns für ganz lange Zeit nicht wiedersehen würden. 

2014 war aber auch das Jahr, in dem ich die Sozialassistentenausbildung aus Gründen abgebrochen habe. Der Grund dafür war folgender: Seit langem plagten mich wieder Selbstmordgedanken, der Wunsch zu sterben und konstante Lustlosigkeit und Trauer. Ich fing an wieder mit mir selber zu sprechen und erkannte darin den Punkt an dem es nicht mehr anders geht, als einen Arzt aufzusuchen. Ich erzählte meinem Dad also, !erstmals! davon, dass es mir schlecht ging, und am nächsten Tag saß ich bei einer Psychologin, die mich auf eigenen Wunsch in die Psychiatrie einwies. Schon eine Woche später sollte es losgehen. 

Ich meldete mich noch einmal bei Justin, um ihm zu sagen, was ich nun mache, während er erfolgreich arbeitete. Wir rauchten also eine gemeinsame Zigarette, und verabschiedeten uns voneinander. Und auch, wenn er mich nie als seinen besten Freund bezeichnet hat, auch wenn er nicht immer ganz ehrlich war, ist er einer der Helden, die hier auf jeden Fall Erwähnung finden müssen, denn durch diese Freundschaft wurde ich geprägt. Ich habe viel gelernt und viel erlebt. In diesem Sinne möchte ich ihm auch natürlich danken. Ohne ihn hätte ich den ganzen Rotz vielleicht nicht in den Hintergrund gestellt und wer weiß was dann gewesen wäre. Aber in einem späteren Kapitel, werden wir noch einmal auf ihn zu sprechen kommen. 

The Waltz Of The Heroes - Mein Leben mit DepressionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt