Held No. 5 & 6: Fynnman & Veronika

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Der erste Schultag würde mit einem Gottesdienst beginnen; da war ich schon großer Fan. Es gibt für mich eigentlich selten etwas Schöneres als Kirche. Ich kannte an dieser Schule eine Person. Kathis Schwester. Die nahm mich schützend in den Arm und wenn ich etwas hätte, dürfte ich gerne mit ihr darüber quatschen, sagte sie. Das half mir auf jeden Fall schon einmal. Ich ging also in die Kirche und wurde meiner neuen Klasse zugewiesen, denn jede Klasse hatte ihre eigene Bank. Der Gottesdienst war himmlisch schön. Eine Schülerin sang Leonard Cohens Hallelujah, und es war magisch. Ich sang so halb mit, weil ich dieses Lied einfach total toll finde. Neben mir saß übrigens unser nächster Held. Fynnman. Eigentlich ohne „man" aber ich find das gut so. Als der Gottesdienst vorbei war, gingen wir im Kollektiv hoch zur Schule. Das war ein Fußweg von ungefähr 10 bis 15 Minuten, je nachdem wie schnell man ging. Und weil da eine ganze Schule lief, dauerte das auch entsprechend ein wenig. Im Klassenraum angekommen, sollten wir uns zu zweit gegenseitig vorstellen. Fabelhaft, denn ich durfte Fynnman vorstellen. Er erzählte mir, dass er Panzer mag. Geiler Typ. Wir haben so ein bisschen gesprochen, uns gegenseitig vorgestellt und gut war. Ich verstand mich von Anfang an richtig gut mit ihm. Und da ich zu der Zeit noch mit dem Zug kam, und nach der Schule, ungefähr 2,2 km, zum Bahnhof gelaufen bin, hat er mir einmal den schnellsten Weg gezeigt, und ab dem darauffolgenden Tag, haben wir uns an der Kirche immer getroffen, und sind zusammen hoch zur Schule gelaufen. Fynnman war von Minute eins an jemand auf den ich mich immer verlassen konnte. Egal was war, auf Fynnman ist Verlass. Schön war auch, dass wir überwiegend den gleichen schwarzen Humor teilen, und ganz viele Dinge, die total krass sind, trotzdem lustig sein können. Wir sprachen natürlich auch über das was ich vorher erlebt habe, und komischerweise fiel es mir wieder richtig leicht darüber zu sprechen. Normalerweise hätte ich mit den Tränen gekämpft oder sogar direkt angefangen zu weinen, aber diesmal würde das nicht passieren. Es entwickelte sich einfach eine Freundschaft, die mir unglaublich viel bedeutet. Und obwohl ich immer gesagt habe: Freunde habe und brauche ich nicht, ist Fynnman trotzdem ein Freund. Er hat das so ein bisschen in mir zurückgebracht. Ich weiß nicht wie er das sieht, aber ich sehe ihn als meinen besten Freund an. Er nimmt mich in den Arm, wenn ich's brauche und ich ihn. Ich war auch immer richtig froh, wenn ich ihn gesehen habe, weil es dann einfach das Versprechen eines guten Tages hatte. Wir gingen also ab jetzt einen gemeinsamen Weg. Neben Fynnman schwang sich noch jemand mit in diesen Tanz. Veronika nämlich. Ich hab sie auf Snapchat geaddet und irgendwann im Bus mal darauf angesprochen, ob sie auch mal zurücksnappt. Das tat sie dann, und dann ging's los. Gefühlt haben wir nur aufeinander gehangen, im übertragenden Sinne, denn ich hab mit keiner Person vorher so viel geschrieben, wie mit Veronika. Wer sie kennt, weiß wovon ich rede, wenn ich sage, sie ist einfach ein Geschenk. Und für alle die sie nicht kennen, sie ist ein Geschenk. *beliebigen lachenden Emoji hier einfügen*. Veronika und ich haben eigentlich alles miteinander geteilt. Egal was es war, es fand immer Platz in unseren Konversationen. Ich hab mich so dran gewöhnt, dass sie die Erste war, der ich guten Morgen geschrieben habe, und die Letzte der ich eine gute Nacht gewünscht habe.

Ein paar Monate bevor ich an die Schule gekommen bin, war ich mit Justin in Prag; Spontantrip. Nach unserer Rückkehr habe ich in meinem Facebookpostfach eine Nachricht von einer Person erhalten, von der ich glaubte, ich würde nie wieder etwas von ihr hören oder sehen. Es war meine Mutter. Sie schrieb mich an und zu Gunsten meines Heilungsprozesses der Depressionen, die ich zum größten Teil wegen ihr bekam, habe ich die Anfrage bestätigt und ihr sogar zurückgeschrieben. 13 Jahre hatte ich darauf gewartet. Zu erwähnen ist glaube ich, nachdem sie mir damals deutlich machte, dass Kinder so überhaupt nicht ihr Ding sind(mal ganz nett formuliert), hat sie nach uns dreien noch fünf weitere bekommen. Will also heißen, dass ich noch fünf Halbgeschwister habe. Durch bald stattfindende Telefonate und sowieso über das Internet lernte ich auch die kennen. Anfangs war alles auch noch ganz schön, doch das sollte schnell wieder vorbei sein. Ich erzählte ihr natürlich was ich so gemacht habe, und in welchem Zustand sie mich erwischte, aber alles was es gab, war ein „Oh.". Sie interessierte sich wieder einmal nicht, und ich Idiot? Was tu ich? Ich versuch den Kontakt zu halten. Dafür könnte ich mir heute wieder ins Bein schießen, denn letztendlich war es nichts anderes, als 13 Jahre zu vor, in dem sie nur log, und ihre Wahrheit erzählte. Da ich unter Gott lebe, will man ja vermuten, dass Menschen eine zweite Chance verdient haben. Sie hätte sie nicht verdient gehabt, ich habe sie ihr aber trotzdem gegeben. Ich weiß Monika, das war nicht meine beste Idee. In den Herbstferien 2017 habe ich abends gelegen und nachgedacht. Ich wollte keinen Kontakt mehr. Ich habe ausführlich mit Veronika drüber gesprochen, und gemeinsam sind wir dann zu dem Entschluss gekommen, dass ein, diesmal von mir ausgehender, Kontaktabbruch das Beste wäre. Sie hat mir unglaublich gut geholfen bei dem was danach kam. Ich bin einfach unfassbar dankbar für die Mühe und die Zeit, die Veronika in mich investiert hat. Leider haben wir uns zu weit voneinander entfernt und jeder Versuch es zu retten blieb erfolglos. Unsere Wege würden sich trotzdem nicht ganz trennen, denn wir gehen ja immer noch zusammen zur Schule. Es gibt anscheinend einfach nichts mehr, was wir uns zu erzählen haben, aber ich schulde ihr so viel. Sie hat mir so viel gegeben, sie hat mein Herz mit Liebe gefüllt, auch wenn es ihr gar nicht so bewusst ist, aber ich danke ihr für alles was sie für mich getan hat. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich jemand an deine Seite stellt und dein Leben zum Besseren wendet.

The Waltz Of The Heroes - Mein Leben mit DepressionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt