Held No. 8: Marie

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Beamen wir uns noch einmal ein Stück zurück in der Zeit. Und zwar ziemlich genau zum Beginn des Schuljahres 2017/2018. Ich schieb das jetzt hinten dran, weil ich auch nicht mehr ganz auf dem Schirm habe, was in den vergangenen Kapiteln steht. Egal. Am Anfang des Schuljahres gab es nämlich eine Begegnung die ich anscheinend aus irgendwelchen Gründen verdrängt habe. Diese Begegnung war mit einer Mitschülerin, die auch jetzt noch mit mir zusammen in einer Klasse sitzt. Dazu sei kurz erklärt, dass an der Schule die ich besuche die Gewohnheit herrscht, zu Gruppenarbeiten den Raum zu verlassen. Das haben Mariele und ich auch getan. Wir setzten uns nach draußen, geiles Wetter und so, und haben auch anfangs an der Aufgabe gearbeitet. Ganz schnell sind wir aber abgewichen; warum? Keine Ahnung. Irgendwie fingen wir an über unsere Privatsituation zu sprechen. Und es war mit Abstand das intimste Gespräch, welches ich je geführt habe, das will feststehen. Wir haben über alles gesprochen, ich habe ihr meine ganze Geschichte auf den Tisch gelegt; sie hat mir ihre ganze Geschichte auf den Tisch gelegt. Dass wir den Zeitrahmen nicht eingehalten haben brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Wir waren viel zu spät wieder im Unterricht, weil die Zeit einfach unfassbar schnell verging. Alles haben wir besprochen. Vom ersten Selbstmordversuch über den zweiten, bis zu der Gefühlslage die den Tag herrschte. Ich glaube ich wurde selten von einem Menschen so beeindruckt wie von dieser Heldin. Es ist fast schon etwas ironisch, dass ich jetzt erst über sie schreibe. Aber dazu gleich mehr. Am Anfang der Schulzeit bin ich ja noch mit dem Zug gekommen, weil mein Karren nicht lief. Mariele kam auch mit dem Zug. Also sind wir zusammen zum Bahnhof gefahren und gelaufen. Wir haben so sagenhaft viel miteinander gesprochen und es war jedes Mal wieder aufs Neue wahnsinnig intensiv. Wir waren dann übrigens auch Sitznachbarn in der Schule. Und es war perfekt. Sie wurde schnell meine Lieblingssitznachbarin. Wenn ich wollte, hab ich meinen Kopf auf ihre Schulter gelegt, oder sie ihren auf meine und wir haben uns gegenseitig Sachen erklärt, die wir nicht verstanden haben. Wir haben nicht miteinander gepennt. Ich hätte erst ihren Freund fragen müssen. Und den ganzen Papierkram und wie lange das auch dauert, das hab ich dann auch nicht auf mich genommen. Kennt man ja ne, und dann wird einem der Rotz auch erst immer sechs Wochen später erst zugeschickt.. wo war ich eigentlich? Achja. Sie hat immer so wunderbar gezuckt, wenn man sie in die Seite gepiekt hat und sie erschreckt sich auch immer so ADSmäßig, und schreit den ganzen Laden zusammen, wenn man nur hinter ihr steht und sie das nicht mitbekommt. „Liebe LIDL Kunden, in Gang 3 steht eine kleine Frau, die Aufmerksamkeit will. Bitte ignorieren!". Irgendwann bin ich dann mit dem Auto gekommen; dadurch sind wir natürlich nicht mehr zusammen Bus gefahren und haben zusammen am Bahnhof gesessen. Neue Sitzordnung wurde ausgelost und wir haben nicht mehr nebeneinander gesessen. Wahnsinnig wie man sich dann verlieren kann. Wir haben uns immer weiter auseinander gelebt und irgendwann war's dann ganz vorbei, durch Sachen die ich gar nicht aufzählen möchte. 

Dann gab es einen Tag, da bin ich mit dem Zug gefahren und wir haben zusammen gesessen und uns ausgesprochen bis alles wieder gut schien. „Dude" sagt sie immer zu mir. Seitdem haben wir uns wieder angenähert und in der Schule auch wieder mehr Zeit miteinander verbracht. Kurz beschnuppern und dann läuft das auch. Jetzt sitzt die Fresse genau gegenüber von mir in der Schule und protokolliert wann ich groß muss; in wie fern das natürlich ein Erfolg ist, sei dahingestellt. Aber was macht sie denn jetzt zu meiner Heldin? Will ich erzählen (höhö, sonst würd ich ja nicht schreiben ne. Genius Level – Masco). Dieser Mensch den ich kennengelernt habe ist gezeichnet mit Erlebnissen. Dieser Mensch ist kaputt gewesen. Ebenso wie ich. Und obwohl ich total schlecht im Heimwerken bin,(Ich hab mal mein Bett versucht zu reparieren, und habe es vorbildlich fest in der Wand verschraubt. Im gleichen Heimwerkversuch habe ich mir auch in den Finger geschraubt – jetzt sag noch einer, ich hab kein Secret Talent) alsoo.. obwohl ich darin schlecht bin, haben wir uns trotzdem gegenseitig gefixt. Sie war mein Halt und alles was ich brauchte. Wir standen kürzlich draußen, an genau dem Platz wo wir quasi angefangen sind, und haben uns an genau diese Phase zurückerinnert. Ich habe ihr von dieser Story hier erzählt, und im selben Moment habe ich mich gefragt, warum ich sie nicht erwähnt habe. „Wenn du keinen Freund hättest, wäre ich der erste, der versuchen würde dich zu klären" habe ich letztens auf dem Weg zu LIDL zu ihr gesagt. Und das meine ich auch so. Wir wissen quasi alles voneinander und das ist wunderbar. Ich meine, ich schreib ihr ja auch, wenn ich groß muss oder grad groß mache. Ich kann ihr gar nicht genug danken für alles was sie getan und nicht getan hat. Sie sagt es ist schön mit mir zu reden, weil es auf einer anderen Ebene ist und ich immer was finde, worüber man grinsen kann. Dazu kann ich nur sagen, dass ich ihr letztens im Unterricht die Schnürsenkel mit aller Mühe verknotet habe und den Spaß meines Lebens hatte. Tatsächlich gibt es eine Sache die sie wahnsinnig unsympathisch macht: Sie mag Einhörner. *Facepalm Emoji einfügen" Ne Spaß. Sie riecht streng. War auch n Spaß. Hab ehrlich gesagt noch nie an ihr gerochen. *Beliebigen Sexwitz einfügen* Wer mich kennt, weiß wie strange ich bin; aber ich denke das macht mich sympathisch und auch nicht zuletzt zu dem was ich jetzt bin. Aber was bin ich denn jetzt? Die Antwort ist einfach: Lebendig. Die nächsten Zeilen werden jetzt n bisschen Tränendrüsemäßig, aber ich möchte mein Wort nun genau an sie richten. Weinen tut sie bestimmt sowieso schon, während sie das liest oder wenn ich es ihr vorlese. Da musst du nun durch meine liebe:

Liebe Mariele,

Ich kann dir nicht sagen wo ich ohne dich stehen würde. Wahrscheinlich an einer Brücke mit nem Stein am Fuß und kurz davor mich ein letztes Mal herunterziehen zu lassen. Du hast mir alles gegeben was du konntest. Du hast zwar nicht meine Depressionen weggepustet, aber du hast mich angehört und mich nicht verurteilt. Im Gegenteil: Es war unser Insider und wir haben gelacht darüber. Was gibt es denn schöneres als das? Da würde mir jetzt nur das Zitroneneis einfallen, was ich in Kroatien hatte. Alter war das lecker! Ja gut, zurück zum Thema. Immer wieder hab ich mich gefragt was ich dir getan haben könnte, dass das passiert ist was passiert ist. Als du es mir erzählt hast, war es trotzdem scheiße. Aber ich konnte es verstehen; irgendwie. Hätte ich gewusst, dass du so ratze fatze zurück in mein Leben kommst, hätt ich mir ja noch mal feucht durchen Schritt gewischt mensch. Du bist unheimlich spannend und interessant. Wie gesagt, ich wüsste nicht wo ich ohne dich stehen würde. Ich danke dir von ganzem Herzen meine liebe. Und ich glaube, dass es in diesem Zusammenhang erlaubt ist zu sagen, dass ich dich liebe. Nicht so wie man sich liebt wenn man Babys macht (Können wir auch.. *hust* *räusper* musst nur bescheid sagen) nein! Sondern so, wie man eine Freundin halt liebt, die alles dafür tut, damit es einem gut geht! Ich war nie weg und ich gehe auch nicht weg. Jedenfalls nicht so lange wir noch täglichen Kontakt haben. Kann ja sein, dass das anders aussieht, wenn wir nicht mehr zusammen zur Schule gehen. Aber bis dahin kann ich dir sagen, ich bleib bei dir. Und überleg es dir doch noch mal mit uns. Alter ich sollte echt aufhören. Tu ich jetzt auch!

Bis zum nächsten Gedankenblitz! Möge Gottes Segen durch eure Herzen fegen!

The Waltz Of The Heroes - Mein Leben mit DepressionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt