Held No. 7: Dipsy

69 3 0
                                    

Selbstverständlich ist hier nämlich gar nichts. Und schon gar nicht das Werk der Heldin, von der ich jetzt erzählen möchte. Mir ging es zunehmend schlechter, und dieses Mal bereicherten mich Tagträume, in denen ich in Alltagssituationen einfach sterbe. Einfach so. Ich saß also einen Morgen im Zug, auf dem Weg zur Schule und schrieb eine Notiz auf meinem Smartphone. Es war quasi ein Abschiedsbrief. Ich war also wieder am untersten Punkt angekommen. Ich hatte die Entscheidung getroffen, hier und jetzt zu sterben. Ich hätte mich also verabschiedet und dann sollte es vorbei sein. Ich wollte über diese Angelegenheit sogar mit Dipsy, meiner nächsten Heldin, sprechen. Allerdings kam es nie zu diesem Gespräch, da es auch so viel Scheiße in ihrem Leben gab, dass ich sie damit nicht belasten wollte. Ich stellte den Plan also an die Seite, denn ich wollte ihr auch nicht weh tun damit. Dipsy und ich sind so eine Sache die tatsächlich einfach mal so im Raum stehen bleiben könnte. Sie habe ich auch in der Schule kennengelernt, und sie sitzt ein paar Plätze neben mir. Hätte ich da schon gewusst, dass sie mir mein Leben retten, und mich von meinen Depressionen befreien wird, hätte ich es mir wahrscheinlich zwei Mal überlegt, sie kennenzulernen. Denn zu diesem Zeitpunkt war ich eigentlich sicher, dass es nicht mehr lange gehen kann, und dass das endlich ein Ende haben muss. Die Frage war halt, ob es sich wirklich lohnt, mir helfen zu lassen. Es war doch eh alles für nichts. Aber gut. Jetzt habe ich es ja auch schon gespoilert. Sie hat mir also mein Leben gerettet und hat mich befreit von ewiger Trauer, Selbstmordgedanken und Mangel an Selbstbewusstsein. Sie trägt übrigens nur einen Teletubbyspitznamen, weil sie mich immer mit ihrem Finger, grade ins Gesicht gehalten auffordert, die Schnauze zu halten. Und da Dipsy der Tubby mit der graden Antenne ist, habe ich ihr diesen Spitznamen gegeben. Wir schrieben also ab und zu, haben uns natürlich immer in der Schule gesehen, und sonst war es eigentlich nichts Besonderes. Eigentlich wollte ich sowieso keine Freundschaften dort schließen, denn für zwei Jahre lohnt sich das nicht wirklich. Hat ja bisher gut geklappt ne. *hust hust* Fynnman, Veronika *hust hust*

Ich schrieb ihr also öfter, und ich finde sie kam immer so wahnsinnig unmotiviert mir gegenüber rüber, aber sie sagte mir immer wieder, dass das nicht an mir liegen würde. Natürlich, weil sie ist ja nicht doof, hat sie schnell geschnallt, dass ich auf die Frage „Wie geht's dir?" nicht geantwortet habe und das immer übergangen habe. Aber alles was es brachte war, dass ich ein in Caps geschriebenes „UND DIR?" bekam. Naja gut, ich sagte dann halt, dass es mir nie gut geht, was ja auch stimmte, und damit fing der ganze Zirkus von vorne an. Ich schrieb also mit noch jemandem darüber. Irgendwann hab ich dann nachgegeben und hab gedacht „Scheiß drauf, ich schreib's einfach.". Allerdings wollte ich auch halt nicht, dass sie gegen mich ist, deswegen war ich so reserviert darin. Aber okey, ich hab's ihr dann letztendlich alles geschrieben und sie sprach mir instant ihren Respekt aus. Ja, eh, Danke? Obwohl das für viele fremd ist, ist es für mich ganz normal. Für mich war es einfach das Normalste, morgens aufzustehen und zu wissen es wird scheiße und zu hoffen, dass es bald vorbei ist. Ab dem Moment hatte ich sie quasi in meinem Bann. Sie interessierte sich für mich, und ich mich für sie, und wir fingen an uns zu vertrauen und gegenseitig zu helfen. Ihr müsst euch also vorstellen, wie Dipsy auf mich zu läuft, mit Hammer und Meißel in der Hand, um diese harte Steinschicht rund um mein Herz abzukloppen. Und in was für einer Geschwindigkeit sie gekloppt hat. Als gäbe es kein Morgen mehr. Viel Erfolg hatte sie zunächst allerdings nicht. Wir näherten uns trotzdem immer weiter an. Allerdings basiert das alles auch wieder „nur" auf Whatsapp und wenn wir uns in der Schule sehen. Außerhalb der Schule haben wir aus, wir nennen es mal zeitlichen Gründen uns noch nicht getroffen. Das „Nur" lassen wir mal in Anführungsstrichen stehen, da auch so etwas verdammt persönlich sein kann; und das ist es. Es wurde verdammt persönlich zwischen uns. Es gab so gut wie keinen Tag, an dem nicht gecheckt wurde, wie es dem Anderen geht. Ich hab mich also drauf eingelassen, jemand neues in mein Leben zu lassen, und dann passiert das. Da kommt jemand, gefühlt halb so alt wie ich, ein unwahrscheinlich attraktives Mädchen mit einer der einzigartigsten und schönsten Persönlichkeiten Welt und räumt mein ganzes Leben auf. Hallo? Ich hab nicht danach gefragt. Doch Dipsy ging das erstmal am Arsch vorbei. Sie juckte das wenig ob ich wollte oder nicht. Sie ist einfach gekommen und hat los gemeißelt. Das Mädchen hat Gefühle in mir hochgebracht, die ich gar nicht kannte. Ich hab Stellen in meiner Brust gefühlt, wo ich sicher war, dass das abgestorbene Zellen sind. Obwohl sie mit genug Scheiße in ihrem Leben klarkommen musste, hat sie mich in den Vordergrund gestellt. Auch danach habe ich nicht gefragt, aber es ist so passiert. Tag für Tag hat sie mich halt ins Leben zurückgeholt. Endlich war der verdammte Tag da, auf den wir so lange hingefiebert haben. Ich konnte ihr aus reinem Herzen sagen, dass es mir gut geht. Und vielleicht war sie da nicht ganz bei der Sache, ich erinnere mich nicht ganz, aber sie schrieb nur „Freut mich", was mir den Tag auch wieder total zu Nichte gemacht hat, weil ich so stolz war, ihr das endlich zu sagen. Aber, den Tag danach ging es mir auch noch gut. Hallo? Was'n hier los? Also habe ich es ihr nochmal erzählt, und sie ist ausgerastet vor Freude. Ich habe es irgendwann für mich entdeckt, ihr mit Schokolade eine Freude zu machen, I mean who doesn't like chocolate, und dann sagt sie irgendwann eiskalt zu mir, dass sie die gar nicht mag. Beziehungsweise, dass sie die nicht so gerne isst. #dankefürnichts *beliebigen Emoji einfügen*.

Es war dann also so, dass es nicht mehr aufhörte mir gut zu gehen. Meine Selbstmordgedanken waren weg; haben wahrscheinlich Selbstmord begangen. Mit purer Liebe und Hingebung hat sie es geschafft mich wieder zum Leben zu bringen. Ich bin auch heute noch der Meinung, dass wenn ich sterbe, es besser für mich ist, aber für den Moment ist es auch einfach schön hier zu sein. Zum Beispiel in den Momenten wenn Dipsy und ich uns gegenseitig zuheulen, weil wir uns so vermissen, sie dann aber nicht dran denkt, dass ich ja vielleicht Zeit haben könnte, um bei ihr zu sein, wenn sie jemanden braucht. Ich würde sie gegen nichts und niemanden eintauschen wollen. Sie ist ein so wunderbares Wesen. Ich liebe jede Sekunde die wir uns sehen, auch wenn wir voreinander stehen und beide einfach anfangen zu weinen. Ich liebe es ihr auf die Nase zu tippen, „boop" und sie lächeln zu sehen. Wir haben uns beide versprochen, uns immer gegenseitig an der Hand zu halten und das macht mich unfassbar (ein Wort was ich auch von ihr habe) stolz und willens zu leben. Hier zu sein und die schöne Zeit einatmen, und wenn es vorbei ist, auszuatmen um alles noch einmal zu durchleben. Theoretisch ist die Geschichte hier vorbei. Meine Depressionen sind zu 99% geheilt, es geht mir gut und ich lebe noch. Aber praktisch geht das hier noch ein bisschen weiter, denn es gibt noch ein paar wunderbare Menschen, ohne die es nicht so ausgegangen wäre, wie es ausgegangen ist. Chronologisch sind wir im Hier und Jetzt, heute, 2018 angekommen. Ich habe einen besten Freund, Fynnman, eine beste Freundin, Dipsy und generell habe ich einfach Freunde, Menschen die für mich da sind. 

The Waltz Of The Heroes - Mein Leben mit DepressionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt