Kapitel 20: Spuren des Kriegs

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Wie in Zeitlupe sah ich Legolas' Pfeil auf mich zu fliegen. Mein Brustkorb zog sich vor Schmerz zusammen und mein Gesicht musste ein Muster aus tausenden Emotionen sein. Verwirrung, Schmerz, Angst und Überraschen zeichnete sich darauf ab. Ich sah die scharfe, schwarze Pfeilspitze auf mich zufliegen und anstatt auch nur einen Versuch des Ausweichens zu starten, dafür war ich zu durcheinander, blieb ich starr stehen und starrte auf Legolas, der seinen Bogen wieder gesenkt hatte und mich nicht einmal ansah. Mir entwich jede Kraft und meine Kräfte zogen sich zurück. Ich stand dort psychisch unbewaffnet, unbeweglich und ohne klare Gedanken.

Ich hörte das Surren des Pfeils an meinem Ohr vorbei ziehen und drehte mich nur noch entgeisterter dem Pfeil, der mich doch treffen sollte, nach. Erschrocken wich ich einen Schritt nach hinten, als ich einen Uruk-Hai mit erhobener Axt hinter mir stehen sah, der jetzt entsetzt auf den Pfeil in seiner Brust starrte und nur eine Sekunde danach, nach hinten umkippte. Seine Axt strich an meiner Seite entlang, aber ich ignorierte den leicht stechenden Schmerz der sofort entstand. Ich war zu erleichtert. Jetzt erst verstand ich es, er hatte nie vorgehabt mich zu töten. Der Krampf in meiner Brust löste sich augenblicklich auf, worauf Ich mich wieder in die Richtung des Elbs drehte und erneut erschrak, denn er stand nun genau vor mir.

Er lächelte und sagte: "Ich wollte nur meine Schuld begleichen."

"Und sonst hättest du mich sterben lassen, Prinzchen?", entgegnete ich gespielt sauer.

"Lasst mich überlegen, Prinzesschen...", sagte er und musste noch mehr grinsen: "Vielleicht?"

Ich verdrehte lächelnd die Augen: "Pe-channas" (Idiot) und ohne länger darüber nachzudenken, umarmte ich ihn.

Ich spürte sofort seine Körperwärme und merkte, wie sehr ich ihn in den wenigen Tagen vermisst hatte. Mein Herz klopfte noch etwas schneller, als ich seinen angenehmen Duft einsog und glücklich die Augen schloss. Ich hätte für immer so, in seinen Armen und an seine Brust gelehnt, stehen bleiben können, aber löste mich dann doch langsam von ihm, nur um das erste Mal wieder richtig in seine Augen sehen zu können. Als ich nun das Eisblau seiner Augen erblickte und mich sofort in ihnen verlor, musste ich unwillkürlich lächeln. Legolas erwiderte das Lächeln und ganz kurz schlichen sich Zweifel in meine Gedanken und nagten an meinem Gewissen. War es richtig was ich hier tat? Sollte ich ihn nicht wegschubsen und mich von ihm fernhalten? Doch ich erinnerte mich an meine Feststellung - nicht bei ihm zu sein, machte mich unglücklicher und ihn zu ignorieren wäre schlimmer, als verbrannt zu werden.

Ich wollte den Abstand zwischen uns erneut schließen, doch plötzlich hörte ich Gandalf's laute Stimme und wurde in die Wirklichkeit zurückgebracht: "Nicht in den Wald hinein, haltet euch von den Bäumen fern!"

Verwirrt ließ ich Legolas los und sah mich um. Die Orks waren fast alle in den Wald gelaufen und die Reiter und Elben hielten nun inne. Ich schwang mich auf Calanon's Rücken und unterdrückte einen Aufschrei aufgrund der Wunde an der Seite, die nun verdammt weh tat und ritt mit Legolas zu Gandalf, Aragorn und dem König, die die fliehenden Orks betrachteten. Plötzlich fingen die Bäume an sich zu bewegen und ich vernahm dumpfe Schrei der Orks. Die Bäume machten sie dem Erdboden gleich..

Gemeinsam ritten wir zurück in die zerstörte Festung und kaum waren wir angekommen, liefen uns die Frauen und Kinder aus den Höhlen entgegen. Ich stieg schwermütig ab und wollte meinen treuen Hengst in einen Stall führen, aber irgendein Stallbursche nahm in mir ab und ich lächelte ihm dankbar zu.

"Meine Herrin, ihr solltet einen Heiler aufsuchen", sagte er noch und führte Calanon fort.

Ich fühlte an meine Hüfte und sah das Blut, das durch meine Rüstung hindurchdrang. Ich spürte den Schmerz nun deutlicher und mit verzerrtem Blick wischte ich das Blut, welches jetzt an meiner Hand war, an meiner sowieso verdreckten Hose ab. Ich sah wie Éowyn in meine Richtung kam, aber sie würdigte mich keines Blickes, sondern fiel Aragorn in die Arme. Kurz freute ich mich, aber dann erkannte ich, sie empfand mehr als nur Freundschaft für ihn. Wusste sie nicht, dass Aragorn mit meiner Schwester verlobt war? Ich seufzte, darüber konnte ich mir jetzt keine Gedanken machen, das mussten die beiden selbst klären. Als sie sich endlich von Aragorn, der mich vorher etwas gequält angesehen hatte, löste, kam sie auch zu mir und umarmte mich ebenfalls kurz.

Die Herrin des Lichts [HdR/Legolas FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt