Kapitel 39

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Vier Tage später erfuhr ich, dass Amy in eine Klinik für psychische Leiden eingeliefert wurde. Zuerst hatte ich die Befürchtung, dass allein mein Bruder dafür verantwortlich war, doch dann teilte mir Jay mit, dass Schule einen großen Faktor dabei spielte. Offenbar war sie an der kritischen Grenze, durchzufallen.

Insgeheim wusste ich, dass Jay sich selbst die Schuld gab. Also beschloss ich, zu ihm zu gehen. Außerdem wollte ich die Ferien nicht nur mit Chips und meinem Laptop verbringen.

Als ich vor seiner Haustür stand, kam mir seine Mutter entgegen. Sie grüßte mich freundlich, und als ich sie fragte, ob Jay Zuhause war, bat sie mich herein. Sie selbst war gerade dabei, aus dem Haus zu gehen. Ich zog meine Schuhe aus, wie ich es aus Höflichkeit immer tat, und lief Richtung Jays Zimmer. Ich klopfte, und kurz danach hörte ich ihn:"Ja?", rufen.

Ich öffnete die Tür, und als ich das Zimmer betrat, schaute er nicht hoch. Ich befürchtete, dass er nicht mit mir gerechnet hatte. Dies war mein zweites Mal bei ihm, und ich war unangekündigt gekommen.

Schließlich hob er seinen Kopf, und als sein Blick mich traf, bildete sich ein leichtes Lächeln um seine Lippen. "Hey."

"Hallo."

Er rollte sich an den Greifreifen nach vorne, und als er einen Meter vor mir stand, nahm er meine Hand, die bei seiner Berührung hemmungslos zu kribbeln begann. Ich ließ meine Hand locker, verschränkte sie nicht mit seiner, da mir die Art von Griff gefiel. "Ich habe überhaupt nicht mit dir gerechnet.", sagte er, und nahm währenddessen meine linke Hand ebenfalls in seine.

"Ich wollte dich überraschen. Bist du den ganzen Tag schon Zuhause?"

"Ja. Nachdem ich letztens gesehen habe dass zwei Leute anpacken müssen, um mich die Treppen hoch zu transportieren, habe ich beschlossen im Haus zu bleiben."

"Jay. Dein Vater hätte nichts dagegen, dich zu tragen."

"Ist echt nicht schlimm. Ich mag es sowieso, Zuhause zu sein."

"Da sind wir ja schon zwei."

-

Nach langen Gesprächen, viel Gelächter und schwarzem Humor, sagte ich ihm, dass ich was zu Trinken wolle. Ich bat ihn nicht dazu mitzukommen, da ich sowieso wusste, wo es lang ging. Auf dem Weg zur Küche musste ich durch das Wohnzimmer gehen. Ich war weitaus froh, dass seine Eltern nicht da waren. Auf Elterngespräche hatte ich mich noch nie besonders gefreut.

Ich nahm mir ein breites Glas aus dem Schrank, und bemerkte, dass die Flasche im Wohnzimmer stand. Also setzte ich mich auf die Couch, und schenkte mir ein, bis das Glas voll wurde. Währenddessen blätterte ich in einer aufgeschlagenen Zeitung herum.

Auf einer Seite erkannte ich einen Abschnitt, der mit einem schwarzen Stift, vermutlich Edding, markiert wurde. Ich dachte mir nichts dabei, als ich weiterblätterte, doch als ich auf dem Titelplatz der Seite 'Immobilien' las, stoppte ich augenblicklich.

Im markierten Abschnitt wurde eine Wohnung angeboten, das unter anderem mit 'Mit Aufzug' beschriftet war. Völlig überrumpelt stellte ich mein Glas auf den Glastisch ab, und hörte es klirren.

Um herauszufinden, was diese Markierung bedeutete, musste man nicht außerordentlich klug sein. Mein Durchschnitt von Verstehvermögen reichte aus, um diesen Abschnitt der Zeitung zu interprieren. Ich war geschockt.

Schnell fiel mein Blick auf die Adresse, die dabei stand. Eine mir unbekannte Adresse. Und als ich bemerkte, dass die Postleitzahl immens von die unserer Stadt abwich, verspürte ich ein unwohles Gefühl in der Magengegend.

Er durfte nicht wegziehen.

Ich betete innerlich, dass diese Wohnung nicht für seine Familie gedacht war. Für seine Verwandtschaft, Freunde, aber nicht für ihn.

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