Kapitel 4

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Kapitel 4

Später, am selben Abend noch, betrat Aurelia erschöpft ihre Räume. Auch wenn sie nicht direkt geschafft war, so waren die ganzen Männer doch mental sehr anstrengend. Bassus war ihr selten von der Seite gewichen und wenn doch, hatte er ihr immer wieder Blicke zugeworfen.

Sie wusste nicht so recht, was sie von ihm halten sollte. Er war ihr Freund und sie mochte ihn... irgendwie. Aber wenn er wirklich an ihr auf diese Weise interessiert war, drohte sie wohl doch einen Freund zu verlieren, weil sie dessen Zuneigung nicht erwidern konnte.

Aurelia konnte nicht einmal sagen, ob sie an ihr als Person oder wirklich nur an ihrer Stellung interessiert waren. Keiner von ihnen kannte sie, also schloss das ersteres wohl aus. Aber so war es nun einmal. Sie war sich ihrer Pflichten als Prinzessin bewusst. Hier ging es nicht um Liebe, das wusste sie und sie würde es akzeptieren. Aber dafür wollte sie wenigstens ein bisschen Mitbestimmungsrecht.

Und als Tochter des Königs und künftige Herrscherin über das Reich, konnte sie sich dieses Privileg zum Glück auch leisten. Sie wusste, dass es reichlich Reiche gab, auch welche, die ihr Vater erobert hatte, die in einer Frau eine niedere Stufe sahen. Dabei war der Stand oder Titel der Frau unwichtig. Bei ihnen war es, Schöpfer sei Dank, nie so gewesen. Sicher hatte ihre Mutter nicht denselben Einfluss gehabt wie ihr Vater, doch das lag eher daran, dass er nun einmal das Erbe des Reiches trug, so wie es Aurelia eines Tages tun würde.

Bei ihnen gab es einen Herrscher und es war egal, ob dieser weiblich oder männlich war. Der Partner war immer derjenige, der sich bewusst dazu entschied in den Hintergrund zu treten. Doch Aurelia hatte nicht eine Sekunde das Gefühl gehabt, als würden die Männer auf der Feier, ihr den Rücken stärken wollen. Viel mehr schienen sie an der Macht interessiert und in ihr wuchs die Angst, dass einer von ihnen sie einfach abstechen würde, wenn er sich davon mehr Macht erhoffte.

Eine stetige Panik, in der sie leben würde, wäre keine sonderlich gute Lebensbedingung, wie sie sich gestehen musste.

Nein, das würde sie auf keinen Fall zulassen. Soweit kam es noch, dass sie von ihrem Erbe abgehalten wurde, nur weil sie früher in den Hades gelangen würde als nötig.

Gerade als Aurelia dazu ansetzte, sich die zahlreichen goldenen Armreifen von der Hand zu streifen, klopfte es an der Tür.

Leicht erschrocken, weil sie aus ihren Gedanken gerissen wurde, fuhr sie herum.

Wer mochte das sein? Ihr Vater wäre wohl schon nach dem Klopfen hineingekommen. Doch wer sollte sonst zu ihr kommen?

Ein leiser, aber penetranter Gedanke beschlich sie, dass sich Bassus womöglich Bonuspunkte verdienen wollte, indem er sich die Freiheit nahm, an ihre gemeinsame Kindheit zu appellieren.

*Bitte lass es nicht Bassus sein*, betete sie inständig in ihren Gedanken und nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie ein, „Herein", ausrief.

Die Tür öffnete sich langsam und Aurelia erkannte sofort das lehmbraune Haar von Calpurnia, als diese eintrat. Erleichtert atmete Aurelia aus und zog die Armreifen endgültig aus.

„Du bist es", stellte Aurelia erleichtert fest und legte das Gold auf ihren Schminktisch.

„Hast du jemand anderen erwartet?", fragte Calpurnia verunsichert und trat ein, ehe sie die Tür hinter sich wieder schloss.

„Nicht erwartet, eher befürchtet", murmelte Aurelia und begann damit ihre Ohrringe ebenfalls abzumachen. Sie hatte heute Abend, oder eher heute Nacht, noch einiges vor, doch dafür wollte sie nicht so auffällig gekleidet sein.

Aurelias Vermächtnis I - Ein Spiel um Lust & Liebe - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt