Kapitel 13

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Kapitel 13

„Ich kann es noch immer nicht glauben, dass du gestern wirklich auf dem Trainingsgelände der Gladiatoren warst", murmelte Calpurnia noch immer ungläubig hinter Aurelia und flocht konzentriert weiter ihre Haare, während die Prinzessin im Spiegel ihre Freundin besah.

„Es war sehr aufschlussreich, auch wenn ich leider nicht die Informationen bekommen habe, die ich gerne wollte. Aber heute wird ein anstrengender Tag. Ich habe einige wichtige Termine. Unter anderem wollte ich dem Kinderheim einen Besuch abstatten, dann gibt es Dinge, die ich mit den Leuten der Stadtverwaltung besprechen muss und ich muss noch einmal mit meinem Vater sprechen. Er hat mich gleich ganz schön eingespannt", murmelte Aurelia nachdenklich. Im Grunde war sie gerade dabei so ziemlich alle Dinge zu übernehmen, die früher ihre Mutter gemacht hatte und die nach ihrem Tod an diverse Berater übergeben worden waren. Nur die wenigsten von ihnen hatten es mit Überzeugung getan.

„Nun", setzte Calpurnia an und steckte eine letzte Haarnadel in den Zopf von Aurelia, welche die Form eines Lorbeerblattes hatte und löste einige Locken aus dem Zopf, der fließend über den Rücken der Prinzessin fiel. „Es ist doch aber ein Kompliment, wenn er dir-... Euch eine so wichtige Aufgabe anvertraut. Auch wenn ich gehofft hatte, dass Ihr mit mir an den Hafen reisen würdet, um einen Schrein zu besuchen", erklärte die Brünette seufzend und trat einige Schritte zurück, um ihr Werk zu begutachten.

Aurelia verzog ein wenig den Mund. „Ja, den Hafen werde ich heute auch noch besuchen müssen. Vielleicht kann ich dich mitnehmen, dann können wir danach zum Schrein."

Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf den Lippen der jungen Zofe aus und ließ diese erfreut nicken. „Das wäre wirklich schön. Seit mein jüngerer Bruder auf See ist, habe ich mir angewöhnt alle sieben Tage einen Schrein aufzusuchen und eine Opfergabe dort zu lassen", erklärte Calpurnia euphorisch und begann damit die übrigen Sachen aufzuräumen.

„Du machst dir Sorgen um ihn, nicht wahr?", wollte Aurelia leise wissen und wünschte sich manchmal, dass sie auch ein kleines Geschwisterchen hätte. Doch es war nie dazu gekommen. Und da ihr Vater nicht vorhatte, wieder jemanden so an sich heranzulassen, würde das wohl auch nie passieren.

„Selbstverständlich", bestätigte ihr Calpurnia und machte zuletzt noch Aurelias Bett zurecht. „Aber er war schon immer fasziniert von der See. Ich hätte ihn also auch nicht davon abhalten können", fügte sie hinzu und klang eher ergeben, als zufrieden.

Aurelia lächelte. „Ich denke, solange er glücklich ist mit dem, was er tut, kann man sich kaum beschweren. Aber ich würde mir wohl auch Sorgen machen", bestätigte die Rothaarige und erhob sich. Ihr erster Anlaufpunkt heute Morgen würde das Zimmer ihres Vaters sein. Sie hatte noch etwas mit ihm zu klären.

Nickend öffnete Calpurnia ihr die Tür und hielt diese geduldig offen, bis Aurelia hindurchgegangen war.

„Da habt Ihr Recht, Prinzessin. Dann hoffe ich, Euch später wieder anzutreffen", erklärte die Brünette mit distanzierter Stimme, doch mit einem Lächeln im Gesicht.

Aurelia nickte ihr leicht zu, um ihr zuzusagen, ehe sie ihren Weg durch das Schloss alleine fortsetzte. Sie musste dringend mit ihrem Vater sprechen. Auch in Bezug auf die Wache, die er ihr immer wieder an die Seite stellte. Sie hatte wirklich keine Lust auf Bassus.

Das nachtblaue Gewand wehte im seichten Wind, als sie durch den Innengarten des Palasts lief. Es hatte, anders als das gestrige Kleid, keinerlei Ausschnitt, doch dafür einen großzügigen, rückenfreien Bereich an dem locker einige goldene Ketten hinabgingen und es somit an Ort und Stelle hielten. Zusätzlich zu den halbdurchsichtigen Stofflinien, welche an ihrer Schulter hinabliefen und mit einem Goldreif zu ihrem Handgelenk zuliefen. Es war perfekt für einen arbeitsreichen Tag geeignet und würde auch ihren Stand unterstreichen. Außerdem würde sie darin weder frieren, noch schwitzen. Hoffte sie.

Aurelia betrat einen anderen Abschnitt des Schlosses, der mit Arbeits- und Verhandlungszimmern vollgestopft war. Hier wurden die meisten Geschäfte abgewickelt, während der Bereich, aus dem Aurelia kam, eher der Familie vorbehalten war.

Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie oft sie schon als Kind aus diesem Bereich gescheucht wurde, weil dieser ja nichts für Kinder war. Nun allerdings würde es ihre Aufgabe sein, tagtäglich diese Gänge zu passieren.

Selbstsicher hielt sie vor einer der Türen inne und betrat diese, als wäre es für sie das Alltäglichste der Welt.

Was es auch irgendwo war, denn das hier war das private Arbeitszimmer ihres Vaters. Hierhin zog er sich immer zurück, wenn er gerade keine Termine hatte und ein wenig in Ruhe arbeiten wollte. Niemand durfte ihn stören. Mit Ausnahme der Familie.

Überrascht blickte dieser von seinen Papieren auf, doch als er Aurelia erkannte, entspannten sich seine Gesichtszüge sogleich wieder.

„Guten Morgen, Aurelia, ich hoffe, du hast gut geschlafen", begrüßte er sie mit einem Lächeln, doch stand nicht von seinem Stuhl auf.

Das musste er auch nicht. Aurelia trat auf ihn zu, lief um den Schreibtisch herum und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Ja, das habe ich. Ich wollte noch ein paar Dinge mit dir besprechen. Hast du Zeit?", fragte sie, da sie ihn nicht überfahren wollte, wenn er wirklich gerade beschäftigt war.

Ihr Vater seufzte und blickte kurz auf seine Papiere, ehe er sich zu ihr drehte und ihr deutete Platz zu nehmen.

„Für meine Tochter habe ich immer Zeit", antwortete er ihr und griff nach einem Kelch, um daraus einen Schluck zu nehmen.

„Ich möchte dich wirklich nicht stören", erklärte sie seufzend. „Aber ich möchte mit dir über diesen Wachhund reden, den du mir an die Seite gestellt hast."

Ihr Vater runzelte kurz die Stirn, während er überlegte, was sie meinte, ehe sich sein Gesicht aufklärte.

„Dieser ‚Wachhund' wie du ihn nennst, dient lediglich zu deiner Sicherheit", antwortete der Mann, als hätte er bereits irgendwann mit dieser Frage gerechnet.

Aurelia schnaubte. „Bassus? Der Feigling? Tut mir leid, aber außer im Weg herumstehen, tut er nicht viel für mich", sagte sie. „Ich hätte es verstanden, wenn es wenigstens ein Krieger wäre. Doch mit Bassus kann ich wirklich nichts anfangen. Ich mag ihn, aber ich kann Leute nicht ausstehen, die den Schwanz einziehen, nur weil ich einmal laut werde."

„Aurelia, Wortwahl", warnte ihr Vater sie und rieb sich angestrengt die Schläfen. „Ich werde dich sicherlich nicht alleine draußen herumlaufen lassen", stellte er überraschend streng fest. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie eine solche Diskussion führten.

„Davon gehe ich auch nicht aus. Aber ich möchte bitte jemanden, der mich im Ernstfall auch beschützen kann. Oder aber du bringst mir die versprochene Selbstverteidigung bei, dann kann Bassus meinetwegen auch bleiben", murmelte sie und war nicht sonderlich erfreut über dieses Gespräch.

„Aurelia, ich habe dir bereits sehr viel gestattet. Treib es nicht auf die Spitze. Bassus ist in der Garde gewesen und wird der zukünftige General der Westfront werden. Er weiß, was er tut. Und ich habe im Moment keine Zeit, um dich das Kämpfen zu lehren", erklärte er und schien mit jedem Wort gereizter zu werden.

Aurelia atmete einmal tief durch. „Ich verstehe. Ich möchte dir nicht noch mehr Arbeit machen. Ich werde mich selbst darum kümmern", erklärte sie und hatte auch schon eine Ahnung, wer ihr dabei behilflich sein könnte.

Ihr Vater seufzte ergeben und faltete die Hände auf dem Tisch.

„Es ist nur zu deinem Besten, Aurelia. Also bitte halt dich einmal einfach an das, was ich dir sage", bat er, ehe er Aurelia einen eindringlichen Blick zuwarf.

„Ich werde mich daran halten. Aber es wird mich nicht davon abhalten, mir jemanden zu suchen, bei dem ich mich besser beschützt fühle, als bei Bassus. Mag sein, dass du ihn für geeignet hältst, aber ich vertraue ihm mein Leben nicht an", damit erhob sie sich. „Verzeih, dass ich dir deine Zeit gestohlen habe. Wir wussten ohnehin, wie dieses Gespräch ausgehen würde. Ich werde dich deshalb nicht wieder behelligen."

Der Kiefer ihres Vaters mahlte wütend, als Aurelia den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.

Er konnte wohl kaum von ihr verlangen auf ihren Schutz zu verzichten, nur weil er momentan keine Zeit für sie hatte.

Aurelias Vermächtnis I - Ein Spiel um Lust & Liebe - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt