Kapitel 15

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Der Junge wirkte irritiert und Aurelia hielt sich einen Finger an die Lippen, um zu symbolisieren, dass er leise sein sollte. Er nickte und sie reichte ihm einige der Süßigkeiten. „Die sind für dich, als Dankeschön", erklärte sie und zwinkerte ihm zu. Hoffentlich hielt er sich daran.

Der Junge schien ein wenig verwirrt über dieses Geschenk. Ob er überhaupt schon einmal hier drinnen Süßigkeiten bekommen hatte? Dennoch setzte er sich in Bewegung und rannte die Flure entlang, als würde sein Leben davon abhängen. Doch als Kind konnte man es wohl nie eilig genug haben. Aurelia blickte sich nochmals um, ehe sie in dem Raum verschwand und die Tür hinter sich schloss, um sich in Ruhe umzusehen und auf Remus zu warten.

Er hatte es recht gemütlich hier, musste sie eingestehen. Natürlich war es mit dem Luxus des Schlosses nicht zu vergleichen, doch gleichzeitig herrschte hier auch nicht diese distanzierte Eleganz. Es passte sehr gut zu Remus, wie sie fand. Es waren wenige Habseligkeiten, doch das war wohl so üblich für einen indirekten Sklaven. Dennoch strahlte es eine gewisse Aura aus, die sagte, dass der Besitzer nicht plante wegzulaufen, wie üblich bei solch leeren Räumen.

Aurelia zuckte zusammen, als sich die Tür hinter ihr öffnete und sie herumwirbelte. Remus blickte sie sichtlich überrascht an, drehte sich kurz nochmal um, um sicherzugehen, dass keine Wache da war und schloss dann hinter sich die Tür.

„Wieso hab ich das Gefühl, dass es nichts Gutes heißt, wenn Ihr hier so unangekündigt ohne Wache auftaucht?", fragte er skeptisch und lehnte sich gegen die geschlossene Tür.

Aurelia schenkte ihm ein Lächeln, das etwas Wildes hatte, aber auch Freude. „Bei offiziellen Dingen muss ich Wachen mitschleppen, aber wenn niemand weiß, dass ich hier bin...", hier machte sie eine wegwerfende Handbewegung, ehe sie weitersprach, „...wird sich auch keiner Sorgen machen. Ich brauche nicht immer Zuhörer oder Leute, die ich loswerden muss, bevor ich meine Angelegenheiten regeln kann."

Remus schnaubte und trat in den Raum, um sich auf sein Bett zu setzen. „Angelegenheiten also, ja? So nennst du das also, wenn du meinen Kopf riskierst", lachte er bitter, doch musterte Aurelia dennoch neugierig.

„Ich riskiere deinen Kopf nicht. Zumindest nicht mehr als meinen", erklärte sie und ließ sich einfach auf den Boden nieder. Sie saß auch zuhause manchmal so da, daher störte es sie nicht. „Sagen wir es so: Mein Vater kann ein Versprechen auf Grund von Zeitmangel nicht einhalten und daher suche ich nach einer Alternative und du bist mir eingefallen."

Skeptisch hob Remus eine Augenbraue und musterte Aurelia eingehend. „Das klingt nach Arbeit", stellte er fest und kam nicht umhin Aurelias Körper zu mustern, welcher durch den zurückgeworfenen Umhang nun mehr zur Geltung kam.

Aurelia lächelte. „Das weiß ich nicht, aber so wie du vorhin mit dem Jungen geübt hast, scheint es für dich nicht unbedingt Arbeit zu sein, jemanden im Kampf zu unterrichten", bemerkte sie und hoffte, dass er nicht ablehnen würde. Sie wäre sehr enttäuscht, wenn er sie deshalb auslachen würde. Frauen kämpften nicht und das hatte sie auch nicht vor, doch sie wollte lernen sich zu verteidigen, anstatt sich einfach abstechen zu lassen.

Misstrauisch verengte Remus die Augen, ehe er sich erhob, um um Aurelia herumzulaufen. „Was soll das? Beschattest du mich jetzt etwa?", fragte er neckend und trat an eine Kommode, um den Verband an seinen Händen abzulegen.

„Das wäre eine interessante Freizeitbeschäftigung, aber nein", meinte sie mit einem Lächeln. „Ich bin nur ein wenig umhergelaufen und habe dich dann gesehen", erklärte sie und beobachtete Remus aus dem Augenwinkel, schenkte ihm aber nicht direkt Aufmerksamkeit.

Schnaubend warf Remus den dreckigen Verband auf den Tisch und massierte sein Handgelenk. „Das war ein unfairerer Kampf. In der Arena rechnet man mit Schmerzen und wird vom Adrenalin aufgeputscht. Ich konnte ja nicht wissen, dass der Mistkerl an seinem Schlag gearbeitet hat", grummelte Remus, als wäre seine Würde gekränkt.

Nun blickte Aurelia doch überrascht zu ihm auf und musste lächeln. „Ich finde du machst dich als Lehrmeister für die Jüngeren sehr gut. Dass er deine verwundete Stelle getroffen hat, war nicht fair, aber in der Arena hätte dich das ganz schön was gekostet", bemerkte sie und musterte ihn nun nachdenklich. Ob es vielleicht besser war, wenn sie einen besseren Heiler organisierte, damit Remus auch in der Verfassung war, mit ihr zu trainieren? Wobei sie nicht wusste, wie gut die Heiler waren, die sich um seine Verletzungen kümmerten.

Remus knurrte warnend und ließ sich wieder aufs Bett fallen, wo er vorsichtig probeweise auf seine Rippen tippte.

„Wie gesagt, ein Glückstreffer", blieb er dabei und zuckte leicht zusammen, als er mehr Druck darauf ausübte. „Außerdem trainiere ich nur ab und zu mit ihnen, weil ich das früher auch besser gefunden hatte. Da ist der Erfolg eines Sieges viel bedeutender für einen selbst."

„Hm", gab Aurelia von sich und musterte ihn weiter. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mir Selbstverteidigung beibringen kannst", erklärte sie und wandte dann den Blick ab, da sie nicht wollte, dass Remus sie auslachte und dann auch noch sah, wie sie rot wurde. Es war peinlicher, als angenommen.

Irritiert blinzelte dieser und drehte sich langsam zu Aurelias Rücken um. „Selbstverteidigung?", fragte er und Aurelia konnte seiner Stimme anhören, dass er Mühe hatte ein Lachen zu unterdrücken. „Das kommt nicht gerade wirklich von der Person, die eine gesamte Armee hinter sich stehen hat."

Aurelia seufzte. „Ich habe zwar eine Armee, aber wenn diese auch nur ein paar Minuten nicht anwesend ist, gerade, wenn sie eine Invasion der Stadt verhindert und ich alleine bin, dann bin ich wehrlos. Ich bin nicht wie mein Vater. Aber ich möchte keine leichte Beute sein."

Remus ging langsam und pirschend um sie herum, wo er vor ihr innehielt und in die Hocke ging. „Und wieso genau sollte ich meine Zeit damit verschwenden dich zu unterrichten, während ich mich selbst auf diverse Kämpfe vorbereiten muss?", fragte er nun und blickte Aurelia direkt in die goldenen Augen.

Diese senkte ein wenig den Blick, denn sie mochte es nicht, dass er sie so ansah. Normalerweise war sie es gewohnt, dass sie die anderen niederstarrte und sie würde dem Blick wohl auch standhalten, doch bei Remus fühlte es sich irgendwie anders an. „Du wirst dich nur auf die Kämpfe mit den Adligen vorbereiten müssen...", sagte sie, "...und ich glaube nicht, dass du vor diesen etwas zu befürchten hast", murmelte sie und sprach eigentlich mit dem Boden.

„Das sagst du, aber du vergisst die Tatsache, dass ich sie nicht töten darf, die mich aber", entgegnete er sichtlich verärgert und stupste ihr Kinn nach oben, damit sie ihn ansah. „Also was hab ich davon?"

Das war eine sehr unerwartete Geste und Aurelia fragte sich, ob Remus wusste, wie sehr sie ihr gefiel. „Informationen über ihre Schwachpunkte?", fragte sie leise, da sie nicht genau wusste, was er wollte.

„Hm", machte Remus nachdenklich und legte den Kopf ein wenig schief. „Verlockend, aber nicht ganz das, was ich in Aussicht hatte", murmelte er grinsend und besah sich Aurelias Gesicht bis ins kleinste Detail.

Diese verengte ein wenig die Augen. „Was hast du denn in Aussicht?", fragte sie und wusste nicht, ob sie die Antwort wissen wollte. So wie er sie ansah, lief ihr ein Schauer über den Rücken.

Remus lachte kurz leise auf und senkte den Blick auf ihre Lippen, wo er vorsichtig mit dem Daumen über ihre Unterlippe fuhr. „Ich dachte dabei an eine kleine Extra-Prämie", fuhr er fort und hob nun wieder seinen Blick zu Aurelias goldenen Augen.

Diese wirkte noch immer unschlüssig und ratlos. Remus musste über diese Unschuld fast lachen. War das wirklich die Frau, die er auf dem Markt verführt und in einem zerfallenen Haus überfallen hatte?

„Was denn für eine Prämie?", wollte sie leise wissen und schien bereits etwas zu ahnen, denn sie klang vorsichtig.

Remus rollte kaum merkbar die Augen, ehe er sich langsam ein Stück nach vorne lehnte und Aurelias Lippen mit seinen streifte.

„Nennen wir es einen kleinen Motivationsschub", hauchte er und streifte kurz Aurelias Unterlippe mit seiner Zunge. Diese Berührung war für Aurelia so ungewohnt und überraschend, dass sie nach Luft schnappte. Wärme breitete sich in ihrem Körper aus und sie musste unweigerlich an ihre gemeinsame Zeit im verfallenen Haus denken. Bei dieser Erinnerung begann ihr Herz wild zu klopfen.

„Was meinst du damit?", hauchte sie und wusste nicht so recht, wie sie diese Sache hier sehen sollte. Es war ungewohnt. Normalerweise kam ihr kein Mann ohne ihre Erlaubnis so nahe.

Aurelias Vermächtnis I - Ein Spiel um Lust & Liebe - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt