Kapitel 27

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Kapitel 27

Am nächsten Tag brach für Aurelia die komplette Welt zusammen, denn wie sie erwartet hatte, hatte Bassus Dummheiten angestellt. Nur dass sie diese jetzt ausbaden musste.

Wenig erfreut stand sie bei ihrem Vater im Zimmer und versuchte nicht auszuflippen. Das war doch wohl nicht wahr!

Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten, um so ihrem Groll, wenigstens irgendwie Ausdruck zu verleihen. Sie warf Bassus immer wieder böse Blicke zu, doch dieser schien sie nur kühl zu ignorieren.

Ihr Vater schien jedoch genauso kühl. Eine Mimik, welche sie so noch nie in Bezug auf sie erlebt hatte.

Seit der Nacht mit Bassus, ging einfach alles den Bach runter.

„Bassus hat mir erzählt was letzte Nacht vorgefallen ist", erklärte ihr Vater ruhig und Aurelias Wut wurde nur noch schlimmer, doch gleichzeitig hatte sie panische Angst. Ihr Vater wusste es? Wunderbar, das gab keine Pluspunkte.

„Das er unerlaubt in mein Zimmer gekommen ist? Oder das ich mich mit meinem Liebhaber vergnügt habe? Ich bin eine Adlige, wie jede andere auch. Ich habe ein Recht darauf mir Liebhaber zu nehmen. Das steht sogar schwarz auf weiß in unseren Gesetzen und ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden mit wem ich ins Bett steige. Vor allem, da es das letzte Mal in meinem Leben sein wird, denn mit Bassus werde ich nie wieder ein Bett teilen! Nicht nach diesem Abend", erklärte Aurelia mit einer Kälte in der Stimme. Wenn ihr Vater wirklich tat, was sie dachte, würde sie nie wieder mit ihm reden. Das gleiche galt für Bassus.

Doch so diplomatisch wie ihr Vater in diesem Augenblick wirkte, schien er nicht an ihre Gefühle zu denken.

„Du bist meine Tochter und somit Erbin dieses Reiches. Du hast gewisse Verpflichtungen und wenn es sich rumspricht, dass sich die Prinzessin mit Gladiatoren abgibt, wird es ein schlechtes Licht auf uns werfen. Diese Beziehungen werden ab sofort ein Ende finden, wir sind hier schließlich nicht in Gomorrah", murmelte ihr Vater den letzten Satz vor sich her, während er ein Papier unterzeichnete. „Du wirst Bassus ehelichen, ob du nun willst oder nicht."

Widererwarten trat der Schwarzhaarige Soldat einen Schritt vor und hob den Blick zu ihrem Vater ohne mit der Wimper zu zucken oder Aurelia auch nur anzusehen.

„Ich will gegen ihn antreten. So wie es die Vereinbarung vorgesehen hat. Ich sehe es als meine Pflicht dem anfänglichen Wunsch der Prinzessin nachzukommen", erklärte Bassus kühl und mit fester Stimme. Dabei hielt der den Blick auf ihren Vater, womit er deutlich machte, dass er mit diesem und nicht mit Aurelia sprach.

Diese erhob sich. „Tut ihr beide doch, was ihr denkt. Aber Bassus. Wenn du ihn tötest, werde ich nie wieder mit dir reden. Und Vater", hier drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Entscheide dich, was dir wichtiger ist. Deine Tochter, oder dein Reich. Egal wie das heute Abend endet. Alles hat Konsequenzen, denen auch du dir bewusst werden solltest", damit trat sie an Bassus vorbei, schupste ihn sogar zu Seite, um zu zeigen was sie von ihm hielt und verließ den Raum, ohne ihrem Vater die Möglichkeit zu geben, etwas zu erwidern.

Wenn Remus sterben würde, würde sie mit ihm in den Tod gehen. Wenn er es überlebte, dann würden sie beiden diese Stadt verlassen. Sie wollte nicht in einer Stadt leben, in der Menschen, die überhaupt nichts für ihre Abstammung konnten, behandelt wurden, wie der letzte Dreck und in der sie auf alle verzichten musste, was sie liebte, nur um irgendeinem Anspruch zu genügen.

Sie hatte genug von all dem und wollte dem ganzen so schnell wie möglich ein Ende setzen. Sie machte sich nicht die Mühe sich zu verschleiern, oder eine Wache mitzunehmen. Und so wütend und zielsicher wie sie ihre Schritte setzte, wagte es wohl auch keiner sie aufzuhalten, als sie den Palast verließ.

Der Weg wirkte auf sie länger als sonst, doch womöglich lag das auch daran, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie diesen Weg beschritt.

Fordernd steuerte sie auf die Tore zum Kolosseum zu, als die Wachen sich ihr in den Weg stellten und sie davon abhielten dieses zu betreten.

„Was soll das? Lasst mich durch, das ist ein Befehl!", zischte sie gereizt und versuchte sich an den Wachen vorbei zu drängen. Doch diese rührten sich keinen Zentimeter.

„Verzeiht, Prinzessin. Wir haben den Befehl bekommen ihnen ab sofort den Zutritt zu verwehren. Befehl vom König", erklärte die eine Wache und blieb felsenfest in Position.

Aurelia verengte die Augen. „Das merke ich mir", erklärte sie und drehte ab. Im Grunde brauchte sie den Haupteingang nicht. Es gab genug Möglichkeiten ins Kolosseum zu gelangen. Unter anderem gab es einen Weg, welcher in die Katakomben führte. Die Gänge dort waren zwar extrem gefährlich und schmal, so dass sie ein wenig Mühe haben würde hindurch zu gelangen, doch sie war sich relativ sicher, dass sie hinein gelangen konnte. Auch einen Weg über die Mauer kannte sie. Allerdings wusste sie nicht, wie gefährlich er mittlerweile geworden war.

Leider wurde auch der Weg, den sie als Kind schon einmal benutzt hatte, von Wachen abgesperrt, also blieb ihr nur die Möglichkeit durch die Katakomben.

Sie fand einen Einstieg, der nicht so weit entfernt war, dennoch war es nicht sonderlich leicht, an ihr Ziel zu gelangen. Einer der Gänge war eingestürzt und einige Felsbrocken blockierten den Gang zum größten Teil. Aber Aurelia würde sich davon nicht abhalten lassen. Sie begann damit einzelne Steine zu verschieben, bis der Gang groß genug war, dass sie sich hindurchquetschen konnte. Ihr Kleid zerriss dabei, aber das interessierte sie nicht. Ihre Haut bekam mehrere Kratzer, da der Stein doch sehr rau war. Aber auch das versuchte sie zu ignorieren.

Aurelia blickte sich im Gang um und tastete sich an den Wänden entlang. Es hatte sich Wasser gesammelt, das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Als Kind hatte ihr das nie etwas ausgemacht, doch jetzt störte es sie doch ein wenig. Vielleicht war sie doch verwöhnter, als sie angenommen hatte. Dennoch setzte sie ihren Weg fort.

Schließlich stand sie vor einem alten Gitter, das teilweise aufgebogen war. Dahinter war ein Strauch aus Dornen zu erkennen.

Die Rothaarige schloss die Augen und atmete tief durch. Nun, das war es ihr wert, auch wenn es nicht so einfach war. Das Loch reichte gerade so für Kinder und sie hatte Glück, dass sie einen so schmalen Körperbau besaß.

Mit einem erstickten Stöhnen, verdräng sie die Schmerzen, bei dem verrostetem Eisen, welches in ihr Fleisch schnitt und zwängte sich durch die Öffnung. Das Wasser plätscherte wild und sie spürte wie mehrere Kratzer sich über ihren Armen verteilten, während sie sich einen Weg durch die Büsche bahnte.

Sie würde sicherlich nicht so einfach stillsitzen und zusehen, wie Bassus und ihr Vater ihr Leben zertraten und ruinierten.

Ganz gleich wie dieser Kampf ausfallen würde... sie wollte Remus noch ein letztes Mal sehen. Ihn in den Arm nehmen. Ihn küssen und nie mehr loslassen.

Sich von ihm sagen lassen, er sei doch unbesiegbar und dass sie gemeinsam aus diesem Chaos entfliehen würden. Auf welchem Wege auch immer.

Sie hatte die letzten Wochen zu lieben und zu leben gelernt. Sie würde es sich nicht wieder wegnehmen lassen. Dieses Leben als Marionette hielt sie nicht mehr aus. Aurelia hatte gedacht, dass ihr Vater sie nicht mehr so bevormunden würde, sobald sie ihre Lehre beendet hatte, doch er behandelte sie noch immer wie ein kleines Kind, dessen Meinung nicht zählte. Bisher hatte sie es verdrängt, doch sie hatte herausgefunden, dass er ihr zwar Dinge verbrochen hatte, diese aber im Nachhinein eigentlich nicht eingehalten hatte. Ja, die Rüstung war Remus Vorschlag gewesen, doch war die Umsetzung alles andere als fair gewesen. Genauso die Waffen. Während Remus fast mit stumpfen Waffen kämpfte, hatten seine Gegner scharfe erhalten. Und die nicht töten Regel, hatte ihr Vater auch eingeführt, ohne sie mit Aurelia abzusprechen. Ihre Meinung war ihm scheinbar egal und so wie sie das sah, würde er ihr das Reich sowieso niemals übergeben. Wahrscheinlich würde er die Führung Bassus anvertrauen, wenn sie erst einmal mit diesem Verlobt war. Das alles waren Dinge, die sie nur noch mehr in ihrem Handeln bestärkten.

Aurelia atmete tief durch, um an den Schmerz vorbei zu atmen, der sich in ihrem Arm bildete. Sie konnte das Blut spüren, das sich einen Weg über ihren Arm bahnte, doch sie versuchte es zu ignorieren.

Sie war nicht mit physischem Schmerz vertraut, doch der psychische lag tiefer. Sie wollte Remus nicht verlieren! Und der Verrat ihres Vaters, gemeinsam mit seiner willkürlichen Art zu handeln, schien ihr ein Loch in das gebrechliche Herz zu bohren.

Aurelias Vermächtnis I - Ein Spiel um Lust & Liebe - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt