Kapitel 9

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Kapitel 9

„Was denkst du, meine Tochter?", wollte der Herrscher wissen und Aurelia musste ihren Blick von dem Blonden abwenden.

„Meine Anwesenheit hat sie alle ziemlich verunsichert", bemerkte sie nüchtern. „Doch trotz der Ablenkung haben sie einen guten Kampf geboten", erklärte sie leise an ihren Vater gewandt und überließ diesem die Entscheidung. Ihr war egal, was mit dem anderen geschehen würde. Sie hatte nur Interesse an dem Blonden und dieser hatte überlebt. Wenn auch leicht verletzt.

Ihr Vater erhob sich mit einem stummen Lächeln und hob den Daumen nach oben, als Zeichen den Gladiator am Leben zu lassen.

Der Blonde schielte nur kurz zu dem König und dann wieder zu Aurelia, als er sein Schwert mit einem Wirbel in den festen Lehmboden rammte.

„Er ist mir sympathisch", bemerkte Aurelia an ihren Vater gewandt. „Hat er einen Namen?", wollte sie wissen, da die Favoriten oft mit Namen bekannt waren.

Ihr Vater runzelte die Stirn, als er von seiner Tochter zu dem Gladiator blickte, der sich nun zurückzog, während der Bewusstlose weggetragen wurde.

„Remus, der neue Champion", meinte ihr Vater ruhig. Auch wenn er so klang, als würde er etwas hinzufügen wollen, so schien er nicht recht genau zu wissen was. „Ich glaube, er tritt seit fünf Jahren oder dergleichen auf."

„Also ist er noch gar nicht so lange dabei", murmelte Aurelia. „Aber er gestaltet spannende Kämpfe." Nachdenklich blickte sie auf das Schlachtfeld.

„Das Volk liebt ihn", bestätigte er Aurelias Worte und nahm wieder auf seinem Thron Platz, als bereits die nächsten Gladiatoren eintraten und sich für den nächsten Kampf bereit machten.

Aurelia nickte und beobachtete die neuen Kämpfe. Sie waren gut, aber nicht so interessant.

Auch die nächsten Kämpfe gingen an Aurelia vorbei, als wären sie kaum existent. Stattdessen überlegte sie bereits, wie sie es anstellte, ihren Vater dazu zu bringen, sie hinter die Kulissen zu lassen.

Sie würde gerne wissen, wie es dort zuging. Das war wichtig für sie. Es war Teil ihrer Heimat und ihres Volkes. Ob ihr Vater das verstand? Er war noch nie ein Mann gewesen, der sich aus allem raushielt und ihre Mutter kannte fast jeden in der Stadt. Sie war sogar regelmäßig einkaufen gewesen und hatte mit den Verkäufern gesprochen. So wollte sie es auch, nur war sie als Erbin mächtiger als ihre Mutter.

Und somit gleichzeitig eine größere Zielscheibe. Dennoch schreckte sie nicht vor dieser Bürde zurück.

Der letzte Kampf und ein Kopf rollte, als einer der Gladiatoren seinem Gegner den Gnadenstoß verpasste. Das Publikum jubelte und feierte das Blutvergießen in aller Öffentlichkeit. Aurelia dagegen schien eher gelangweilt, doch richtete sich wieder aufgeregt auf, als der letzte Kampf endete. Ihr Vater hielt seine Abschlussrede und wartete darauf, dass Aurelia ihm aus dem Kolosseum folgen würde.

Sie folgte ihm bis in die Gänge, als sie die Stimme erhob. „Vater, ich habe eine Bitte", begann sie mit ihren rituellen Worten, damit ihr Vater wusste, wo er stand. „Ich möchte wissen, wie die Gladiatoren leben und trainieren. Sie sind Teil unseres Volkes, aber ich weiß nichts über sie, obwohl fast jeder sie kennt."

Ihr Vater hielt inne und schien sichtlich überrascht über diese unvorhergesehene Bitte.

„Die Gladiatoren? Aurelia, ich weiß nicht, ob dir das so zusagen wird... es ist dort wirklich... kein Ort für dich", versuchte er die richtigen Worte zu finden, die Aurelia bereits erwartet hatte.

Ein zu dreckiger und 'männlicher' Ort für ein zierliches, verletzliches Mädchen wie Aurelia.

„Dessen bin ich mir bewusst. Aber es ist Teil unserer Welt. Irgendwann werde ich es wissen müssen, um Problemen vorzubeugen. Es gibt noch immer so vieles, was ich nicht kenne. Wie soll ich regieren, wenn ich nichts über mein Volk weiß? Ich war so lange weg, dass ich Angst habe, den Sinn für die wichtigen Dinge verloren zu haben. Dabei möchte ich deinem Beispiel folgen", erklärte sie und wirkte unsicher. Fast schon so, als fühle sie sich dem nicht gewachsen, was irgendwann auf sie zukommen würde.

Aurelias Vermächtnis I - Ein Spiel um Lust & Liebe - BEENDETWo Geschichten leben. Entdecke jetzt