Du hast zu viel gehört

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P.O.V Jimin

Ich merkte wie ich es endlich wieder schaffte mehr zu reden. Normalerweise war ich eigentlich nicht so schüchtern, zumindest in der Psychiatrie war ich es nicht. Aber hier draußen waren so viele neue Eindrücke und Menschen, womit ich einfach nicht zurecht kam und ich deswegen in mein altes Verhaltensmuster fiel, dass mir Jisoo eigentlich erfolgreich ausgetrieben hatte. Doch das Krankenzimmer erinnerte mich an die Psychiatrie, mit den weißen Farben, dem Bett und den Medizinschränken, dass ich mich gleich ein wenig wohler, oder sagen wir mal sicherer fühlte. Und Jungkook schien wirklich nett zu sein und nach meiner anfänglichen üblichen Nervosität bei fremden Leuten, schaffte ich es diese Stück für Stück zu überwinden, denn mein Ziel war es mich in die Gesellschaft wieder zu integrieren und dafür brauchte ich jemanden. Und Jungkook wirkte nicht so, als würde er mich irgendwie verachten oder so.

„Jimin, wie geht es dir?“, fragte mich Jisoo direkt, sobald sie in das Krankenzimmer kam. „Wieder gut“, meinte ich und fing an meine Finger zu kneten. Ihr Blick fiel auf Jungkook, der nach wie vor lässig an der Fensterbank lehnte und die Kapuze seines schwarzen Hoodies auf hatte. „Wer bist du?“, fragte sie ihn und ich konnte einen misstrauischen Ton aus ihrer Stimme raushören, was mich grinsen ließ. Als Jisoo angefangen hatte in der Psychiatrie war ich ihr erster Patient und deswegen hat sie einen ziemlichen Beschützerinstinkt mir gegenüber. Auch neuen Patienten gegenüber war sie immer misstrauisch, wobei sie da auch Recht hatte. Die Patienten waren manchmal nicht ganz sauber und es war definitiv gut, dass ich mich denen nicht genähert hatte. Allerdings hatte Jisoo selbst gesagt, dass ich Leute auf der Schule brauchte, mit denen ich dann was zu tun hatte, weshalb ihre Reaktion jetzt doch ein wenig fragwürdig war.

„Ich heiße Jeon Jungkook“, meinte Jungkook dann und verbeugte sich leicht vor Jisoo, welche knapp „Aha“, sagte und sich dann wieder zu mir wendete „Kim meinte, dass Kyusung jemanden an dieser Schule kennt, der dir eigentlich helfen sollte. Weißt du wer?“ „Jaebum, er ist hier der Schülersprecher und der Sohn von einem guten Freund von Kyusung. Ich habe ihn heute Morgen kennen gelernt“, erzählte ich ihr und erinnerte mich an die doch sehr autoritäre Aura die er hatte. „Ew, Jaebum“, hörte man Jungkook im Hintergrund sagen und als wir beide zu ihm blickten hatte er genervt sein Gesicht verzogen, bevor er sich erklärte „Der Typ ist nur ein eingebildeter reicher Schnösel, der sich was darauf einbildet, der Schulsprecher zu sein. Naja“, er seufzte und sah mich mit einem schiefen Lächeln an, „er ist aber nicht so ein Arschloch wie Baekhyun.“ Als ich an die Worte von Baekhyun dachte wurde mir wieder mulmig zumute. „Wer ist Baekhyun?“, fragte mich Jisoo dann sichtlich besorgt. „Ein Klassenkamerad“, murmelte ich nur und blickte auf meine Hände. „Und das aller größte Arschloch im Universum. Gott, wie ich den Kerl hasse“, machte Jungkook nochmal seine Meinung deutlich und das schien Jisoo sichtlich zu missfallen „Kannst du es bitte mal lassen, andauernd Schimpfworte in den Mund zu nehmen?“ „Ich sage nur die Wahrheit. Man ist nun mal ein richtiger Drecksdepp, wenn man einen Schüler, der gerade seinen ersten Tag an der Schule hat dumm anmacht“, sagte Jungkook nach wie vor aufgebracht und hatte die Augenbrauen verärgert zusammen geschoben. Sofort wandte sich Jisoos besorgte Miene mir zu „Was hat er gemacht?“ „Er hat mich nur gefragt ob ich denn reden könne, weil ich so still war“, flüsterte ich. Jisoo neben mir seufzte laut, bevor sie meinte „Wir wussten, dass es nicht leicht für dich wird, Jimin. Dafür hast du dich bis jetzt gut geschlagen. Was hat denn eigentlich deine Panikattacke ausgelöst?“ Ich schluckte schwer, bevor ich anfing zu erzählen „Es war mir einfach zu viel. Die ganzen neuen Eindrücke, der Körperkontakt, einfach alles“, und dabei war es mir herzlich egal, dass Jungkook gerade noch im Raum stand und alles mithörte, auch wenn er sich ganz klein machte und sich offenbar unsicher war, ob das Erzählte überhaupt für seine Ohren bestimmt war. Aber ich musste es Jisoo jetzt nun mal einfach erzählen, ansonsten würde ich durchdrehen. „Mhm, verstehe. Was genau war denn die Situation, als sie ausgelöst wurde?“, fragte sie genauer nach. „Ich bin mit Jungkook zu seinen… Freunden… gegangen. Und…“, ich erinnerte mich daran, dass eigentlich Taehyung mehr oder weniger der Auslöser war, unsicher sah ich dann doch zu Jungkook. Ich wollte seinen Freund nicht irgendwie schlecht reden. „Mein bester Freund Taehyung wollte Jimin ein wenig ärgern und hat ihm in die Seite gepiekst“, erzählte dann aber Jungkook von selbst und man merkte ihm das schlechte Gewissen im Gesicht an, obwohl er ja nichts für das Verhalten seines Freundes konnte. „Und warum hielt er es für nötig das zu machen?“, zugegeben, Jisoo verhielt sich gerade alles andere als professionell und das verunsicherte mich. Ich wusste nicht was mit ihr los war, aber sie verhielt sich viel zu übervorsorglich. Mir fielen wieder die Worte von Jungkook ein, der mir eine Ausrede geliefert hatte, warum ich meine Eltern nicht anrufen wollte und erkannte, dass sich Jisoo gerade nicht wie meine Therapeutin verhielt, sondern eher wie eine Mutter. Und das machte mir Angst. „Weil Tae ein komischer, aber liebevoller Kerl ist“, antwortete Jungkook auf Jisoos Frage und knibbelte mit seinem Finger nervös in seinem Gesicht rum. Er schien irgendwie genauso eingeschüchtert von Jisoo zu sein, wie ich es war, auch wenn es wahrscheinlich aus ganz anderen Gründen war. Und irgendwie ließ mich das ein wenig belustigt lächeln, was aber keiner sah, da ich nach wie vor auf den Boden blickte.

„Also Jimin“, wandte sie sich dann wieder an mich, „willst du nach Hause? Du kannst bestimmt entschuldigt werden“, sagte sie und legte mir bestätigend eine Hand auf den Oberarm, doch ich schüttelte den Kopf. So sehr es mir widerstrebte weiterhin in diesem mit lauten Menschen überfülltem Gebäude zu bleiben, ich wollte auf keinen Fall, dass Kim oder Kyusung was von meiner Panikattacke erfuhren. Ich wusste nicht einmal genau warum ich das nicht wollte. Vielleicht weil sie mir einfach fremd waren. Das brauchten sie nicht zu wissen, noch nicht. „Na gut, wenn du denkst du schaffst es den restlichen Tag durch zu stehen. Du bist stark Jimin, stärker als so manch anderer. Aber irgendwann wirst du dich Kim und Kyusung anvertrauen müssen, immerhin lebst du jetzt bei ihnen“, redete sie mir ins Gewissen und Jisoo hatte natürlich Recht. Doch nicht jetzt. Jetzt schaffte ich es noch nicht, mich ihnen anzuvertrauen. „Na gut, dann geht ihr Beiden mal wieder in eure Klassen. Und Jungkook“, sie wandte sich zum Abschied nochmal zu dem Schwarzhaarigen „verliere auch nur ein Wort über dieses Gespräch und du bist einen Kopf kürzer.“ Jungkook nickte schnell und ich sah Jisoo geschockt an. So hatte ich sie wirklich noch nie erlebt. „Wir sehen uns morgen“, sagte sie dann mit einem kleinen Lächeln zu mir und ging. Jetzt war ich wieder allein mit Jungkook und diesmal war er derjenige, der auf den Boden blickte, bevor er meinte „Tut mir Leid.“ Verwirrt fragte ich nach „Was denn?“ Er blickte zu mir auf und erklärte leise „Ich wusste nicht, dass du so, naja, empfindlich bist. Ich wollte dich auf keinen Fall irgendwie überfordern. Und dir dann direkt Hoseok und Taehyung vorzustellen war in dem Sinne natürlich dämlich“, er lachte leise zum Ende hin. Irgendwie tat mir Jungkook gerade Leid, er hatte sicherlich keine Ahnung, was hier überhaupt abging. „Schon gut, ich muss lernen mit solchen Situationen umzugehen, außerdem bin ich froh, dass du mir deine Freunde vorgestellt hast“, meinte ich mit einem leichten Lächeln und auch Jungkook grinste und zeigte dabei seine Hasenzähnchen. Er fragte Gott sei Dank auch nicht weiter nach, auch wenn ich die Neugier, warum ich so war wie ich war, bei ihm eindeutig erkennen konnte.

„Ich habe zu viel gehört, nicht wahr?“, fragte er stattdessen wieder unsicher. „Kommt drauf an wie du mit den Informationen umgehst“, erwiderte ich und hoffte wirklich, dass mich mein erster Eindruck von Jungkook nicht täuschte und er jetzt nichts Blödes machte. So wie es Jisoo ja anscheinend vermutete. „Wir sollten jetzt langsam losgehen, wir haben schon eine Stunde verpasst und die nächste beginnt gleich“, meinte er dann und machte sich auf den Weg zur Tür. Ich nickte und folgte ihm, wobei ich erst noch unsicher auf den Beinen war, da ich die ganze Zeit gesessen hatte nach der Panikattacke, doch dieses Schwächegefühl verging recht schnell.

Zeig mir die Welt - JikookWhere stories live. Discover now