Kapitel 5

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Kapitel 5

Ich starrte sie, wie vom Donner gerührt, an. Die Größe meiner Augen dürften in etwa die von Spiegeleiern entsprechen. Ich musste mich sicher ganz gewaltig verhört haben!?

„Bitte was?!?!“, fragte ich und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme zwei Oktaven nach oben schoss und dadurch einen ‚leicht‘ hysterischen Unterton bekam.

„Du magst ihn.“, wiederholte Renesmee ruhig und lächelte tiefenentspannt.

Ich atmete ein. Und aus. Unter unserem Tisch ballte ich meine Hand zu einer Faust und atmete wieder tief ein. Und aus. Ich setzte gerade an, um meinem Ärger und Unglauben Luft zu verschaffen, als Ms. Brown   die Klasse betrat und ihre Tasche aufs Pult pfefferte.

„Wir reden später darüber.“, knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Ich war im Nachhinein sogar ganz froh darüber, dass Ms. Brown in diesem Moment gekommen war, so hatte wenigstens nicht der gesamte Mathematikkurs meinen hysterischen Anfall mitbekommen. Außerdem hatte ich ja genug Zeit im Unterricht, um mir die passenden Worte zu Recht zu legen, schließlich musste ich ja dank meiner gebrochenen Hand nicht mitschreiben. Wenigstens etwas Gutes heute. Ich warf Renesmee noch einen letzten bitterbösen Blick zu, den sie noch nicht einmal bemerkte und wandte mich dann endgültig dem Unterricht zu.

„Komm mit.“, forderte ich Nessie unwirsch auf. In der Stunde hatte ich es einigermaßen geschafft meinen Ärger zu unterdrücken, doch jetzt kam er mit seiner geballten Wucht zurück.

„Ich pack noch meine Sachen fertig zusammen.“, grinste meine Freundin vergnügt und ließ sich alle Zeit der Welt, während sie die restlichen Stifte in ihrem Federmäppchen verstaute. Ich tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.

Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp, Tapp.

„Okay wir können gehen.“, sagte Renesmee und schlenderte zur Tür. Ich folgte ihr mit zusammengebissenen Zähnen. Im, inzwischen leergefegten, Flur vor dem Kursraum, blieben wir stehen. Ich sah mich kurz um, dann kniff ich meine Augen zusammen und stemmte die Arme in die Hüfte.

„Sag mal, wie kommst du dazu, so eine Kacke auszusprechen?“, rief ich und setzte noch ein: „Wer hat dir denn ins Hirn geschissen?“, hinterher.

„Ich habe nur logisch kombiniert.“, sie lächelte mich an.

„Logisch? Das ist alles andere als logisch! Das ist der hirnverbrannteste Blödsinn, den ich jemals gehört habe! Glaubst du allen Ernstes, dass ich so ein Flittchen bin, die hinter so nem Typen wie Seth her ist?“, ich war leicht entsetzt. Okay nicht leicht, sondern regelrecht schockiert. Einen Moment lang sah sie mich ernst an. Doch dieser Moment war so kurz, dass ich dachte meine Sinne hätten mich einen Augenblick um Stich gelassen und mir einen Streich gespielt.

„Natürlich glaube ich das nicht. Aber ich weiß, dass Seth alles andere als unattraktiv ist und was für eine Wirkung er auf Mädchen hat. Er ist ein Freund von mir und ich kenne ihn schon lange und ich denke ihr zwei könntet wirklich…“

„Warte, MOMENT!!Wann genau hast du mich bei der Partnervermittlung angemeldet??“

„Jetzt hör doch mal auf, es die ganze Zeit ins lächerliche zu ziehen!“, beschwerte sich Nessie bei mir und erinnerte mich dabei auf eine banale Weise an ein trotziges kleines Kind, das sich nicht damit abfinden kann, dass es jetzt keine Schokolade bekommt.

„Jetzt pass mal auf, meine Liebe. Ich muss das hier gar nicht ins lächerliche ziehen, es ist so schon völlig absurd! Und ich wäre dir ausgesprochen dankbar, wenn du dich jetzt auf dein Liebesleben konzentrieren würdest und SOFORT damit aufhörst in meinem herum zu pfuschen!“, zickte ich. So etwas hatte mir gerade noch gefehlt.

„Aber du und Seth…ihr…“

„Meine Güte, wie oft noch es gibt kein WIR! Und es wird auch niemals ein WIR geben!“ Langsam war ich fast verzweifelt. „Entweder das geht in deinen kleinen hübschen Schädel hinein oder nicht, aber wenn nicht, dann befürchte ich sollten wir diese Freundschaft beenden bevor sie richtig angefangen hat. Denn wie gesagt entscheide immer noch ich über mein Liebesleben und bevor du auf irgendeine dumme Idee kommst: Ich hasse Überraschungen! Egal in welcher Form, egal in welchem Bereich meines Lebens, okay?“

Renesmee verdrehte genervt die Augen, nickte dann aber schließlich.

„NA also, geht doch.“, murmelte ich muffig. „Komm wir gehen in die Cafeteria, ich hab einen Mordshunger und wenn ich nicht gleich was zu essen bekomme, krieg ich einen Nervenzusammenbruch.“

„Jetzt übertreib mal nicht.“

„Das ist mein voller Ernst, also entweder folge mir oder bleib jämmerlich hungernd zurück.“, meinte ich sarkastisch und setzte mich in Bewegung. Ich vernahm ein genervtes Stöhnen hinter mir, hörte dann aber wie Renesmee mir folgte.

In der Cafeteria schnappte sich Renesmee meinen Arm und zog mich hinter sich her zu dem Tisch, an dem sich ihre Familie breit gemacht hatte. Zu meiner Verwunderung, saß sogar Leah dabei, leider auch Seth. Das ließ sich wohl nicht vermeiden. Ich sah schon aus dieser Entfernung, das er wieder unheimlich gut drauf war und allein für sein Machogrinsen hätte er schon wieder meine Faust in seinem Gesicht kleben haben können. Es schien mir, als wären meine Hände eigentlich nur dafür geschaffen worden. Ich riss mich zusammen und quetschte mich zwischen Emmet und Quil.

„Hey Claire, was geht?“, begrüßte mich Quil kumpelhaft und legte mir einen Arm auf die Schulter.

„Naja soweit so gut.“, meinte ich einsilbig und stibitzte mir ein Teilchen von seinem überfüllten Teller. Er schien es überhaupt nicht mit zubekommen. Mein Blick wanderte zu Seth, der wie hypnotisiert auf Quils Arm starrte, der noch immer auf meiner Schulter positioniert war. Ich unterdrückte es mit den Augen zu rollen. War der Herr mal wieder in seinem Stolz verletzt? Nur weil er mich nicht haben konnte, durfte mich jetzt kein anderer Junge mehr ansehen? ‚Na warte, ‘, dachte ich, ‚dir werde ich’s zeigen! ‘, dachte ich. Ich tat, als hätte ich seinen Blick nicht bemerkt und beschloss ihn für den Rest der Pause zu ignorieren und mich stattdessen ganz auf Quil zu konzentrieren.

Okay ich gebe zu, das mit dem ignorieren hat nicht ganz geklappt…aber dafür das mit dem konzentrieren umso besser. Als es schließlich zum Ende der Pause läutete, machte Seth ein Gesicht als hätte man ihm seiner Männlichkeit, falls er so etwas besaß, beraubt. Das war eine Genugtuung, die ich dringend benötigte. Um dem ganzen noch die Krone aufzusetzen, drückte ich Quil zum Abschied noch ein Küsschen auf die Wange. Dem schien meine Aktion wohl etwas unangenehm zu sein, aber das war mir in diesem Moment herzlich egal. Ich wollte es Seth einfach nur einmal heimzahlen und das war mir, insofern ich das beurteilen konnte, mehr als gut gelungen. Manche Menschen brauchten einfach ab und an mal eine kalte Dusche, und Seth, das stand für mich fest, gehörte ganz eindeutig dazu! Rache ist eben süß…

Last Moment - Bis(s) zum letzten AugenblickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt