4➳ Schockstarre

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Kyrenia | Zypern
{3 Jahre später}

Arzu

𝕳ektisches Atem fusioniert mit Augen voller sich hinaufkämpfenden Tränen behinderten meine Sicht.
Lautes, unkontrolliertes, ein beinahe schon absolut gerissenes Keuchen, das in meinem Ohren so unbekannt erklang, war das einzige Lebenszeichen meinerseits durch das man ansatzweise schlussfolgern konnte, dass ich noch mit einem Bein in der Menschenwelt verharrte. Und das, obwohl meine Seele schon längst Adieu gesagt und das Weite gesucht hatte.

Meine Hände zitterten durchgängig, als würde mich ein Erdbeben durchrütteln, derweilen ich meinen fünften Versuch startete den Schüssel in das Türschloss zu stecken. Ich war mir nicht einmal mehr sicher, ob es sich bei dem Schlüssel in meiner Handinnenfläche um besagtes handelte mit dem ich die Wohnung betreten konnte. Jedoch war mein Körper so sehr darauf bedacht lediglich auf meine Bewegungen zu reagieren, um meinem jämmerlichen Schluchzen dabei keinerlei Beachtung schenken zu müssen, dass es wie ein ferngesteuerter Roboter mechanische Handlungen vollführte.

Letztlich war es dann sogar selbst für mich ein Rätsel gewesen, als das gewünschte und lang ersehnte Klick ertönte und ich übereilt und mit ungeschickten Schritten beinahe über meine eigenen Füße gefallen in unsere Wohnung stolpert wäre.

In dem Moment, als ich mit dem Eintreten in die Wohnung direkt im Wohnzimmerbereich landete, spürte ich auch schon ein Augenpaar an mir haften, welches sich durch ein erfreutes Lachen zu bekennen gab und meine Vermutungen bestätigte.

»Hey ! Du bist aber früh da. War denn... ?«

Stille.

Daphne, die es sich auf dem Sofa mit einer Zeitschrift gemütlich gemacht hatte, hielt inne. Mein Körper bebte so sehr, dass ich mich nicht einmal zu ihr drehen konnte, aus Angst, dass meine Füße unter mir jeden Moment nachgeben könnten.

Ich hörte Schritte, aufgeregte, schneller werdende Bewegungen und dann ein Gestolper, ehe sie im letzten Moment ihr Gleichgewicht wieder herstellte.

»Arzu...«

Daphnes so jungen unkonventionellen Gesichtszüge zierte ein großes Fragezeichen, als sie mich ansah und meine ganze Erscheinung ins Visier nahm.
Kurzzeitig inspizierten ihre hell leuchtenden Augen meine verschmierte Wimperntusche, die durch die Tränen unebene senkrechte Linien auf meiner reinen Haut erzeugt hatten, ehe sie den Blick sinken ließ, meine nasse Kleidung begutachtete und an meinen bebenden Schultern zum Halt ansetzte.

Sie streckte sorgevoll und behutsam langsam die Hand nach mir aus, doch als sie das Entsetzen in meinem Gesicht sah und bemerkte, wie ich beim Anblick ihrer Hand einem scheuen Reh ähnelnd zusammenzuckte, da erschrak auch sie selbst, sodass sie ihr Vorhaben auf halber Strecke verwarf.

Ich sah ihr an, dass ihr Gehirn auf Hochtouren arbeitete, dass sie etwas sagen wollte und gleichermaßen auch so unschlüssig darüber war, wo sie überhaupt anfangen sollte. Auf der anderen Seite schien mich ihr direkter Blick ebenfalls anzuflehen etwas von mir zu geben, nur etwas, damit sie anhand dieser weiter voranschreiten konnte. Doch während sie gebannt an meinem Lippen hing, trocknete meine Kehle, mit einer welkenden Pflanze konkurrierend, aus.

Diesem Anblick konnte ich nicht länger standhalten. Meine Unterlippe fing von erneutem verräterisch an zu zucken und bevor sie mich in diesem miserablen Zustand noch länger ertragen musste, zwängte ich mich neben ihr durch und huschte in mein Zimmer.

Mit einem lauten Knall, der das Donnern meines inneren Zustandes nicht bei weitem überbrücken konnte, drehte ich im nächsten Augenblick, wie automatisch geleitet, den Türschlüssel im Türloch um, ehe ich rückwärts zurücktrat und auf die Tür starrte.

ℬinbir Gece🌙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt