5➳ Chaos

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Emran

Meine Fingerkuppen tippten in einem Dreivierteltakt ununterbrochen auf das Whiskyglas, das ich in der Hand umschlungen hielt. Immer und immer wieder, derweilen ich auf dem Sessel saß und mich seit einer gefühlten Ewigkeit in Schweigen hüllte.

Lediglich die Gleichmäßigkeit dieser minimalen und recht unbedeutsamen Berührung hielt meine kurz vorm Zerfall erliegende Selbstbesinnung aufrecht, obwohl von Außen aus betrachtet alles danach schrie, dass ich jeden Moment den ausgehungerten Löwen in mir befreien, damit den Beginn meines Reviers markieren und im Anschluss ein Massaker anrichten würde.

Ich war gefasst.

Zumindest versuchte ich gefasst zu wirken, als ich, ohne ein Entkommen in Sicht, dem urteilenden Blick meiner jüngeren Schwester ausgegeben war und ihre Bemühungen, auf mich einzugehen noch tief im Inneren meines verstummten rational denkenden Bewusstseins wahrnehmen konnte. Doch auch sie konnte mich nicht zurück in die Realität verfrachten. Denn immer wieder wurde ich der Gefangene von glasklaren meeresblauen, tiefblauen Augen, die meine Sinne betrübten und mich in einem realen Traum festhielten. Segen und Qual zugleich in mir heraufbeschwörten. Freiheit und Gefangenschaft zugrunde legten. Sonne und Dunkelheit in meine verkorkste Seele gewährten.

Mein Körper erlag den Flammen der Hölle, während ich mich danach sehnte durch die Wellen in ihren Augen erlöst zu werden. Durch ihre Augen, die die vollste Lebendigkeit, Aufrichtigkeit und gnadenlosen Kummer widerspiegelten.

Meine bereits kantigen Kieferpartien legten sich durch meine Anspannung noch tiefer. Laut auf fluchend knallte ich daraufhin das Glas auf den Tisch und knöpfte mir meinen Hemdkragen auf.

Warm... hier war es eindeutig zu warm.

Anschließend erhob ich mich mit mit einer fixen Bewegung, sodass ich auf meinen beiden Beinen aufrecht stand, begab mich Richtung Fenster und blickte hinaus auf die einige Hektar Land, die ich mir einst durch ein lukratives Geschäft erworben hatte und nun mein Eigen nennen konnte.

Gestresst rieb ich mir den Nacken. Links, rechts, links, recht und immer in dem selben Rythmus.

Scheiße...

Ich wurde verrückt. Was war das nur für eine Hitze die meinen Körper ausnahmslos in Beschlag nahm und mich lebendig den Flammen ausliefern ließ ?

»Emran...«

Efthalia, die die ganze Zeit über mit deutlichem Unbehagen beobachtet hatte in was für einem Teufelskreis ich mich gerade befand, hatte seit unserer Ankunft in meinem Büro kein einziges Wort über die jüngsten Ereignisse verloren. Sie war sich der Tatsache bewusst, dass sie keinen falschen Schritt machen durfte, da ich sonst komplett dicht machen würde. Deshalb hatte die es auch eher  bevorzugt im Hintergrund zu agieren, anstatt mit ihrem aktiven Eingriff alles den Bach runter gehen zu lassen.

Doch ihr verzweifelter Blick und ihre ängstlichen Augen, die mir entgegen funkelten, zeigten mir ihre wahren Gefühle, die haupsächlich von purer Sorge um mich umfasst waren. Ebenso verdeutlichten sie, dass es sie überaus verwirrt stimmte, dass ein gefasster Geschäftsmann wie ich aus der Haut fahren konnte und die Koordinierung zu verlieren drohte, wie ein Stamm voller Bienen, dessen Nest von den Bäumen fiel und anschließend den Trümmern erlag.

Ich warf ihr von der Seite aus einen warnenden Blick zu, sprach dann aber recht gefasst und auffordernd aus:

»Ich kenne diesen Blick und du weißt, wie sehr ich diesen Blick hasse.«

Sie zuckte bei meinem harschen Tonfall zusammen und knetete nervös ihre Hände dabei. Sie hatte sich an eines meiner Bücherregale angelegt und hatte sich ebenso wenig wie ich aus ihrer Abendgarderobe entledigt und das obwohl wir seit knapp zwei Stunden von der Auktionsveranstaltung wieder zurückgekehrt waren und unter unseren eigenen vier Wänden verweilten.

ℬinbir Gece🌙Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt