Kapitel 6

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Kapitel 6 – Von großen Reden und schwachen Siegern

Distrikt 9

»Narie, du siehst ja super gelaunt aus.«, kommentiert Blight ihr Erscheinen, als Narie sich an den Frühstückstisch setzt. Narie schenkt ihm jedoch nur einen bösen Blick und schmeißt sich Zucker in ihren Tee.

»Was erwartest du denn? Wir sind in Jades Distrikt.«, grummelt sie dann und zuckt zusammen, als ihr jemand etwas zu essen hinstellt. Bis jetzt sitzt nur Blight am Tisch, von Johanna und Marvel ist noch keine Spur.

»Wie läufts mit Johanna?«, fragt Narie dann und versucht ein Lächeln herauszubringen, was ihr aber misslingt, weil sie noch zu müde ist. Blight beginnt bei der Erwähnung von Johanna zu lächeln.

»Es läuft alles super, mach dir keine Sorgen.«, meint er und Narie nickt nur.

»Denkst du, dass du es schaffst da draußen Stärke zu zeigen?«, fragt er sie dann und Narie sieht über den Rand ihrer Teetasse zu ihm.

»Meine Schauspielerischen Fähigkeiten haben zwar ein bisschen gelitten, aber klar, das bekomme ich schon noch hin.«, versichert sie ihm und beginnt zu essen. Nach einiger Zeit gesellen sich dann noch Johanna und Marvel zu ihnen und das Frühstück verläuft in einem angenehmen Schweigen, das nur zwischendurch mal von der Bitte nach einem bestimmten Aufstrich unterbrochen wird.

Nach dem Frühstück kommt dann das Vorbereitungsteam für Narie und Marvel und beide müssen wieder die Prozedur des Haare-machens und des Stylings über sich ergehen lassen. Mittlerweile hatte sich Narie schon daran gewöhnt und sie schafft es, dass sie sich dabei immer noch etwas entspannen kann, etwas, dass sie früher nicht konnte. Früher hatte sie immer Probleme dabei, dass ihr andere im Gesicht und an den Haaren rumfummeln, doch mittlerweile nicht mehr. Mittlerweile sieht sie es als Zeit an, die sie rumkriegen muss, in der sie sich aber zurücklehnen kann.

Nach einer gefühlten Ewigkeit ist ihr Vorbereitungsteam dann fertig und sie kann zu Sunny gehen, damit sie sie einkleiden kann.

»Narie, ich dachte mir, dass du mich hassen wirst, wenn ich dich in eines von diesen Kleinmädchenkleidern stecken werde. Deshalb habe ich hier für dich etwas, das dir ganz sicher gefallen wird.«, sagt sie und Narie sieht skeptisch zu ihr. Als sie allerdings sieht, dass Sunny eine Hose in der Hand hält würde sie am liebsten freudig aufjubeln. Narie zieht sich die schwarze Hose an. Dazu bekommst sie ein einfarbiges Oberteil und eine schwarze Lederjacke von Sunny.

»Das ist besser als das, was ich mir erhoffen konnte.«, freut sie sich und Sunny grinst.

»Na dann kannst du mir das hier bestimmt verzeihen.«, sagt sie und stellt Narie ein paar hohe Schuhe vor die Füße. Aber keine High Heels, sondern Stiefeletten mit Absatz.

»Das kann ich dir verzeihen, in der Tat.«, nickt Narie und zieht die Schuhe an. Dann setzt Sunny ihr noch einen Hut auf und richtet ihre Haare.

»Du siehst toll aus.«, meint sie dann und tritt vor dem Spiegel an, den sie eben mit ihrem Körper blockiert hatte. Narie sieht sich an und beginnt zu lächeln.

»Danke Sunny, das sieht super aus.«, sagt sie und lächelt.

»Dann geh da nun raus und verzaubre die Leute.«

»Ich präsentiere ihnen hiermit die Sieger der vierundsiebzigsten alljährlichen Hungerspiele: Narie Summers und Marvel Sanford.«, ertönt eine Stimme und Narie und Marvel treten gemeinsam auf die Bühne, direkt an das Mikrofon. Naries Blick geht sofort zu Jades Eltern und auf das Bild, dass hinter ihnen projiziert wird. Dann gleitet ihr Blick zu der Familie des männlichen Tributes. Zu dem Tribut, der sie umbringen wollte. Zu dem Tribut, der von Marvel umgebracht worden ist.

»Hallo. Wir fühlen uns geehrt, heute hier stehen zu dürfen.«, beginnt Marvel, doch in den Gesichtern der meisten Menschen erscheint keine Freundlichkeit. Hass und Abneigung stehen ihnen ins Gesicht geschrieben.

»Ich weiß, dass viele von ihnen mich hassen werden, weil ich Imanol getötet habe. Ich verstehe ihren Hass, denn es ist der Hass, den ich auch auf mich selber habe. Ich hätte ihn nicht töten sollen. Ich könnte mich jetzt damit verteidigen, dass er Narie angegriffen hat und ich ihr helfen wollte, doch das ist ein schwaches Argument. Es tut mir leid.«, sagt Marvel und man sieht echte Reue in seinem Blick. Narie sieht kurz zu ihm und er nickt. Dann tritt sie einen Schritt an das Mikrofon und holt tief Luft.

»Jade war meine Freundin... ich habe sie an dem Tag der Parade kennengelernt und wir haben gemeinsam trainiert. Ich mochte sie sofort und sie wurde wie eine kleine Schwester für mich. Und trotzdem konnte ich sie nicht retten. Ich verstehe den Schmerz, den sie jetzt verspüren, denn auch ich verspüre ihn. Es tut mir von ganzem Herzen leid, dass ich sie nicht retten konnte, obwohl sie es verdient hätte. Sie war so ein guter Mensch, hat in allem versucht das Gute zu sehen und immer versucht zu helfen. Ich hoffe sehr, dass sie ihren Frieden finden kann.«, sagt Narie und ignoriert die Tränen, die ihr das Gesicht herunter laufen, obwohl sie weiß, dass diese wahrscheinlich gerade in Großaufnahme auf dem Bildschirm erscheinen werden. Sie tritt einen Schritt zurück und dann passiert etwas, womit sie nicht gerechnet hat. Anstatt böse zu reagieren, küsst ganz Distrikt 9 ihre drei mittleren Finger und streckt sie den beiden entgegen. Narie hatte gesehen, dass es von einem Mädchen ausging, etwa in Jades Alter. Wahrscheinlich waren sie befreundet gewesen. Narie sieht zu ihr, als ein paar Friedenswächter sich einen Weg durch die Menge bahnen und das Mädchen nach vorne zerren. Von hinten kommen weitere Friedenswächter und versuchen Narie nach drinnen zu schleifen, doch diese wehrt sich so heftig, dass sie sich immer wieder losreißen kann, auch, wenn sie im selben Moment wieder gepackt wird.

Das Mädchen wird auf die Knie gezwungen und hinter ihr holt ein Friedenswächter eine Pistole heraus.

»Nein!«, bekommt Narie Panik und versucht sich erneut loszureißen.

»Nein! Hört auf! Lasst sie am Leben, hört auf damit!«, wird Narie immer panischer und sie schlägt um sich. Doch dann, als der Schuss ertönt und Narie mit ihren eigenen Augen sieht, wie das Mädchen erschossen wird, hört sie augenblicklich auf sich zu wehren und sieht voller Entsetzen zu dem Friedenswächter. Würden Marvel und Blight nicht in genau dem Moment kommen, dann wäre Narie auf den Friedenswächter losgegangen, der das Mädchen erschossen hatte. Stattdessen lässt sie sich unter Protesten nach drinnen ziehen und sieht nur noch, wie die Leiche des Mädchens weggetragen wird. 

Rebel || Hunger GamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt