•Kapitel 1•

581 44 20
                                    

Das letzte mal als ich diesen Blick in ihrem Gesicht sah, ist schon Jahre her. Sie versucht sich im Kopf schon genau auszumalen was sie nun sagen würde und wie sie es tun würde, doch ihr fällt es sichtlich schwer einen Anfang zu finden. Also nutzte ich die Chance und funkte ihr dazwischen. „Mom, ich verstehe dich. Du musst mich aber auch verstehen und kannst nicht einfach über meinen Kopf hinweg entscheiden.", gebe ich ruhig von mir und setze mich mit einem Schwung auf die Küchenplatte, direkt gegenüber von ihr.
Wieder schnauft sie tief durch, erst als ich erneut „Mom.." von mir gebe, sieht sie zu mir und fängt sich wieder.

„Dir wird das alles gut tun und du wirst neue Leute kennenlernen, kannst endlich neu anfangen und die ganzen Dinge hinter dir lassen.", antwortet sie mir und tritt näher, nimmt meine Hände in ihre und streichelt diese immer wieder sanft.

„Ich bin doch gerade erst mit der neuen Situation klar gekommen, hab mich mit der ganzen Sache abgefunden und kann endlich normal weiter machen. Wenn du mich hier jetzt raus ziehst, bin ich komplett verloren und..." - „Dir wird es gut tun und ich habe diese Diskussionen wirklich satt, Amber. Wir werden umziehen und es gibt keine andere Möglichkeit für dich. Was willst du tun? Hier alleine wohnen, ohne Job und Geld?", unterbricht sie mich und schaut mich wartend auf eine Reaktion an.

Abrupt lasse ich ihre Hände fallen nachdem ich tief durchschnaufe und wende mich von ihr ab - es gibt keine Chance mit ihr zu sprechen. Sie ist einzig allein von ihrer eigenen Meinung überzeugt und alles andere spielt hier gar keine Rolle. Ich will nicht sagen, ich bin ihr egal, denn sie liebt mich über alles - Aber ihr ist in diesem Fall egal was ich davon halte und denke. Sie will umziehen zu ihrem Lover, da spielt meine Meinung gar keine Rolle. Viele male ging mir in den letzten Tagen und Wochen schon der Gedanke durch den Kopf, mir einen Job zu suchen und eigenständig zu werden.  Allerdings hab ich mir auch bei jedem mal ausgerechnet wieviel das alles kosten würde, das klappt nicht und ich würde nach wenigen Wochen auf Essen, warmes Wasser und noch mehr verzichten müssen.

„Jetzt beruhig dich doch, du musst nicht gleich wieder abhauen.", ruft sie mir hinterher als ich mich an ihr vorbei dränge und im Ausgang verschwinde. Ich kann ihre Schritte hören, doch bevor sie bei mir ankommt, habe ich die Haustür hinter mir zu zugeworfen und flüchtete in die eisige Kälte.
Sie kennt ihn doch erst seit einem guten halben Jahr und gesehen hatten die beiden sich auch nicht oft. Wie kann man so naiv sein? Was passiert, wenn die beiden merken dass es doch nicht klappt? Dann ziehen wir wieder um und ich darf wieder versuchen irgendwo einen Neustart zu machen? Davon halte ich einfach nichts. Piet, so heißt er, kann doch genau so gut hier her ziehen und sich hier eine Wohnung suchen. Nach Myrtle Beach zu ziehen, würde für mich einen kompletten Schulwechsel und neue Bekanntschaften heißen.

Es ist so kalt hier draußen, dass meine Lunge brennt und es sich anfühlt, als würde ich von innen gefrieren. Die Äste knacksen stark, der Wind pfeift durch die Bäume und weht mir die Haare ins Gesicht. Meine Hände sind eingefroren und die Fingerspitzen fühlen sich an, als würden sie jeden Moment abfallen. Mein Handy in der Jackentasche fängt an zu klingeln, doch ich lehne den Anruf ab und atme tief durch. Meine Mutter kann auch wirklich nicht nachvollziehen, wenn ich meine Ruhe brauche. Nicht ohne Grund bin ich aus dem Haus gestürmt.

Stattdessen schreibe ich Toby, meinem Freund, eine Nachricht und versuche danach wieder meine Hände in den Jackentaschen vor dem vereisen zu beschützen. Wenn ich jemanden gerade brauche, dann ihn.

An meinem Zielort angekommen, klettere ich die brüchige und mittlerweile richtig alte Holzleiter hoch und öffne die rostige Falltür, nur um sie nach dem durchklettern wenige Sekunden später stark zuzuschlagen. Das laute klappern sorgt für Gänsehaut, da ich für einen Moment an der Stabilität des Baumhauses zweifle.
Frustriert lehne ich mich einen Moment später in das alte Sofa, decke mich mit mehreren Decken zu und schließe für einen Moment die Augen.

Dieser Ort ist mein Rückzugsort mit wundervollen Kindheitserinnerungen. Unser kleiner Freundeskreis hat dieses Baumhaus vor vielen Jahren zusammen mit den Eltern gebaut. Früher waren unsere Eltern noch richtig eng befreundet und jede Woche haben wir alle etwas zusammen gemacht. Verschiedene Grillfeiern oder Spieleabende waren immer das Programm. Mittlerweile ist das aber leider nicht mehr so, zumindest haben unsere Eltern sich auseinander gelebt und nur wir Kinder haben stark zusammengehalten.

"Amber."

Seine Arme schlingen sich um meinen Körper und Wärme durchströmt mich. Ich seufze laut und lehne meinen Kopf an ihn, dränge mich förmlich gegen ihn und bin dankbar für die Nähe die er mir gibt. Sein Duft zieht in meine Nase und er streichelt mich sanft am Kopf.

„Ich glaube ich war noch nie so froh, dich zu sehen.", murmle ich mit geschlossenen Augen und kuschele mich in seinen Pullover.

"Mam hat doch diesen Typen kennengelernt... Piet", fange ich an zu sprechen und richte mich dabei auf, fange an, an meinen Fingernägeln zu spielen und fahre fort. „Sie hat nun entschieden zu ihm zu ziehen und lässt auch nicht mit dem Gedanken ab. Sie will mich mitnehmen."

Für einen Moment schweigt er, lässt das ganze sacken und sieht mich dann mit gezwungenem lächeln an.
„Natürlich hört sich das nicht schön an für uns beide, wir werden uns weniger sehen..", murmelt er und grübelt. „Aber dann müssen wir die wenige Zeit die wir haben genießen und etwas daraus machen, bis ich meinen Abschluss habe und zu dir ziehen kann."

Verwirrt schallt mein Blick zu ihm. Ich erzähle ihm gerade, ich würde weg ziehen und er reagiert als hätte ich ihm gerade gesagt, was es bei mir zu Mittag gab. Bis nach Myrtle Beach sind es fünf Stunden fahrt und wir beide können bis jetzt nicht Auto fahren. Die Kosten für die Tickets mit den öffentlichen Verkehrsmittel sind für uns ebenso untragbar, immerhin sind wir Vollzeit in der Schule und verdienen kein Geld. Er kann mich nicht mal eben auf einen Kaffee besuchen und ich werde ihn sehr stark vermissen, wenn wir uns mal mehrere Tage nicht sehen.

„Wir besuchen uns gegenseitig und Videochatten jeden Abend. Wenn ich den Abschluss und eine feste Arbeitsstelle habe, ziehen wir zusammen.", verspricht er mir und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Hey ihr lieben!
Ich überarbeite dieses Buch komplett neu und hoffe euch gefällt das Resultat!

Ich freue mich riesig über Feedback und tausche mich gerne aus.❤️

Dankeschön♥️

Scared of Passion🥀Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt