Bisher hatte ich nicht an die Geschichten von den Sklavenhältern geglaubt. Es waren nur Geschichten, nichts, dass wirklich real war. Manchmal erzählte die Alte aus dem Dorf davon, abends, am Feuer. Im Flackern der Flammen beschrieb sie die Schiffe mit gelben Flaggen am Mast, und ihren Besitzer, den schrecklichsten Mann, den man sich vorstellen konnte. Schrecklich auf eine andere Weise als Dago Blutfaust oder ein zorniger Drache, denn er wollte sich nicht verteidigen oder Macht erlangen, sondern beging seine Taten aus Habgier, so beschrieb sie ihn. Damals kam es mir vor wie eine Geistergeschichte. Etwas, das man kleinen Kindern erzählt, damit sie nicht zu übermütig werden.
Die Flagge jedoch ist echt. Und wenn sie es ist, sind es dann auch die Geschichten?
„Wir müssen näher an das Schiff ran", murmele ich leise. Die Basse kommt langsam in unsere Richtung gesegelt, ich schätze, es würde noch mehr als eine halbe Stunde dauern, bis sie an der Insel vorbeifahren würde, auf der wir uns gerade befinden. Mir fehlt die Geduld dafür, so lange zu warten. Ich drücke die Füße fest in die Steigbügel des Sattels, und geschmeidig flog Ohnezahn los. Wir halten uns auf der anderen Seite der Inselkette, damit die Menschen auf dem Segler uns nicht sehen können. Jedes Mal, wenn wir die leere Wasserfläche zwischen zwei Inseln passieren, fliegt Ohnezahn dicht über der Wasseroberfläche. Drei Inseln weiter befinden wir uns bereits in Hörweite des Schiffes. Ich lenke meinen Drachen auf eine zackig aufragende Bergspitze in der Mitte der Inseln zu. Wir landen wenige Meter vom höchsten Punkt entfernt auf einem Felsvorsprung. Ich steige aus dem Sattel und kletterte das letzte Stück hinauf, um über die Kante sehen zu können.Das Schiff befindet sich in Anfahrt auf die Insel. Es ist groß, viel größer als die Schiffe, die wir in Berk bauten. Inzwischen kann ich auch die Menschen darauf erkennen. Die meisten von ihnen sind damit beschäftigt, das Schiff in Fahrt zu halten. Ein dünner, fast schon klappriger Mann läuft fortwährend übers Deck und brüllte der Mannschaft Befehle zu, die diese eilig befolgt.
Insgesamt sind es vielleicht fünfzehn Leute, alles Männer. Ich beobachtete, wie das Schiff sich näherte. Erst, als es seitlich neben der Insel entlang fährt, sehe ich ihn.Er hat weißes Haar, das kann ich selbst auf die Entfernung erkennen. Seine Hand- und Fußgelenke sind mit seltsam schimmernden Metallketten an den Mast des Schiffs gefesselt. Er steht zusammengesunken da, sein Kopf hängt herab. Es sieht aus, als wären die Ketten das einzige, was ihn aufrecht halten würden.
Ich kenne ihn nicht. Er ist ein Fremder, niemand von meinen Leuten. Doch sein Anblick macht mich so wütend, dass mir das egal ist. Wie konnte ein Mensch andere Menschen ihrer Freiheit berauben? Die Alte hatte erzählt, dass Sklavenhändler Menschen gefangen nahmen und sie dann wie Ware verkauften. Hatten sie dasselbe mit ihm vor?
Mein ganzer Körper spannt sich an bei dem Gedanken, dass auch er verkauft werden sollte.
Das werde ich nicht zulassen.
Wäre Astrid hier gewesen, hätte sie mir vermutlich gesagt, dass es eine dumme Idee ist planlos loszustürmen. Aber sie ist nicht hier. Ich bin hier, und er ist dort auf dem Schiff in Gefangenschaft, und das würde ich ändern.
Ich springe zurück auf den Felssims, wo Ohnezahn wartet und nervös mit dem Schwanz peitscht. Ich streiche ihm über den Hals und schwinge mich in den Sattel.
„Ich brauche jetzt deine Hilfe, mein Freund."
Er grollt, als würde er mir zusagen, und wir fliegen über den Bergkamm hinweg und auf das Schiff zu.
![](https://img.wattpad.com/cover/150472343-288-k999157.jpg)
DU LIEST GERADE
Winter (Hijack FF)
Fanfiction„Du bist ganz schön seltsam, Hicks", murmelt Jack und schaut mich mit seinen blauen Augen fragend an, als würde er ergründen, was in meinem Kopf vorgeht. „Sagt der Mann, der Eis aus seinen Händen schießt und ohne Flügel fliegen kann." „Ich bin halt...