8. Kapitel

2.2K 118 12
                                        


Hicks POV:

Nachdem wir unsere Kleidung getrocknet und Jack reichhaltig gefrühstückt hat setzen wir uns hin und führen unser erstes richtiges Gespräch, bei dem ausnahmsweise mal niemand in Lebensgefahr schwebt. 

„Wie bist du überhaupt auf dem Sklavenschiff gelandet?", frage ich ihn, bemüht, meine Stimme ruhig zu halten. Wir sitzen nebeneinander am Strand, Jack ist etwas weniger als einen Meter von mir entfernt. Seine Hände zeichnen nervöse Linien in den Sand, streichen die Oberfläche wieder glatt, beginnen von neuem. Ich versuche, mich nicht von seinen schlanken Fingern ablenken zu lassen, und konzentriere mich ganz auf sein Gesicht. Sein Blick ist auf den Horizont gerichtet, und er lässt sich Zeit mit seiner Antwort. Als er spricht, hat seine Stimme einen rauen Unterton.

„Sie haben meinen kleinen Bruder Jamie entführt", beginnt er. „Er verschwand vor etwa einem Monat, kam abends einfach nicht nach Hause. Ich habe die ganze Nacht gesucht, und den nächsten Tag. Er war nirgendwo im Dorf zu finden, dafür entdeckte ich eindeutige Spuren dafür, dass Sklavenhändler dort gewesen waren. Jamie war nicht das einzige Kind, das fehlte. Also habe ich die Verfolgung aufgenommen und bin der Spur gefolgt, aus dem Dorf weg, durch die nächste Stadt, und dann den Fluss hoch bis zum Meeresküste und in die Hafenstadt Haithabu... und dort hat sich die Spur verloren. Zu viele Menschen, zu viele Schiffe. Also habe ich meinen Plan geändert. Ich habe mir eins der Sklavenschiffe gesucht und versucht, mich dort unter Deck zu verstecken, in der Hoffnung, so in ihr Versteck zu gelangen. Lange Geschichte, kurzer Sinn... sie haben mich entdeckt, da hatten wir nicht mal den Hafen verlassen."

Ein schmerzerfülltes Lächeln huscht über sein Gesicht. „Ich habe mich gewehrt. Und als sie gesehen haben, dass ich gewisse... äh, Fähigkeiten, habe, haben sie mich gefangen genommen, auf ein anderes ihrer Schiffe gebracht, festgekettet und naja, den Rest der Geschichte kennst du schon."
Meine Gedanken überschlagen sich fast. Jacks kleiner Bruder schwebt in Gefahr, genauso wie andere Kinder. Es gibt einen Ort namens Haithabu, eine Stadt. Sklavenschiffe. Ihr Versteck.

„Was meinst du mit Versteck?", frage ich und ziehe die Augenbrauen zusammen.
Er sieht überrascht zu mir und erklärt dann: „Überall verschwinden Menschen, Hicks. Besonders Kinder. Aber auf keinem Markt tauchen Sklaven auf, die verkauft werden. Ich habe mich an Land umgehört... es gibt Gerüchte. Es heißt, dass die beladenen Sklavenschiffe alle aufs Meer hinaussegeln, nicht um von einer Stadt oder einem Ort zum nächsten Handelsposten zu gelangen, sondern sie fahren hinaus aufs Wasser und kommen leer zurück. Es muss einen Ort geben, wo sie ihre Gefangenen hinbringen, irgendwo da draußen."
Ich starre ihn an. „Aber warum? Wozu das Ganze, der ganze... Aufwand? Was hat Pitch mit den Menschen vor?"
„Woher soll ich das wissen?", antwortet er frustriert und starrt mich irgendwie wütend an. Ich zucke leicht zusammen bei seinem Blick und schaue zur Seite.
„Tut mir leid, Jack", murmele ich. „Das muss unglaublich schwer für dich sein. Sie haben schließlich deinen Bruder in ihrer Gewalt."
„Schon gut", erwidert er, sanfter. „Ich habe es dir zu verdanken, nicht in derselben Situation zu sein wie er. In Ketten wäre ich vielleicht auch in ihr Versteck gekommen, hätte aber keine Chance gehabt, Jamie zu suchen und zu befreien... jetzt kann ich meine Suche fortsetzen."

Ich nicke langsam, ein Plan beginnt, sich in meinem Kopf zu formen.
„Ich werde dir dabei helfen."
„Was?", fragt er verwirrt und schüttelt den Kopf. „Nein, Hicks. Du hast schon genug für mich getan. Ich muss das allein machen. Ich bin für ihn verantwortlich und-"
Ich lege meinen Zeigefinger an seine Lippen. Er verstummt ruckartig.
„Es wäre dämlich, das ganz alleine durchzuziehen- Komm mit mir nach Berk, in mein Dorf. Meine Freunde und ich werden dir helfen, deinen Bruder zu befreien. Und die anderen Kinder und Leute auch."
In seinen blauen Augen stehen Unsicherheit und Angst. Er beißt sich nervös auf die Lippe, schüttelt wieder den Kopf und fragt dann verzweifelt: „Warum tust du das alles für mich, Hicks?"
Ich lächele und wuschele ihm durch die Haare. So weich.
„Ich wäre gern dein Freund. Und Freunde helfen sich gegenseitig. Also, wenn das für dich okay ist- willst du mit mir befreundet sein, Jack Frost?"

Jack POV:

Hicks sieht mich lächelnd an, seine grünen Augen funkeln lebendig. Das ist ein aufrichtiges Angebot, das spüre ich. Er meint es ernst. Aber kann ich das annehmen?
Er hat mich gerettet, und jetzt bietet er mir Hilfe dabei an, Jamie zu retten. Und es ist nicht so, als könnte ich diese Hilfe nicht gebrauchen... er hat Recht. Wenn ich es allein versuche, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Rettung gelingt, gleich null. Mit seiner Hilfe hingegen...

Mein Herz hat sich schon längst entschieden, nur mein Kopf braucht etwas länger, um ihm zuzustimmen.

„Nur unter einer Bedingung", sage ich ernst.
Hicks zieht fragend eine Augenbraue hoch. „Die da wäre?"
„Du musst versprechen, deinen tollwütigen Drachen von mir fernzuhalten. Oder willst du zulassen, dass einer deiner Freunde als Drachenfutter endet?"

Einige Sekunden starrt er mich nur perplex an, dann bricht er in Gelächter aus.
„Du brauchst keine Angst vor Ohnezahn zu haben. Der ist ganz lieb, wenn man nicht gerade vor ihm wegrennt. Dann rennt er hinterher wie ein Hund einer Katze, aber sonst-"
„Versprich es", fordere ich unnachgiebig. Er verdreht die Augen.
„Ich, Hicks Haddock, verspreche dir, Jack Frost, hiermit hoch und heilig, meinen Drachen, den Nachtschatten Ohnezahn, davon abzuhalten, dir etwas zu tun."

Ich nicke feierlich und muss unwillkürlich grinsen.

„Ich nehme dieses Versprechen und dein Angebot an, mein Freund. 


Hicks lächelt begeistert und wuschelt mir schon wieder durch die Haare. Ich ducke mich weg und muss lachen.

Freundschaft fühlt sich gar nicht so schlecht an.


Winter (Hijack FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt