Kapitel 8

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Ally's Sicht        

Okay, es war nicht in Ordnung, ihm eine zu knallen, aber er hatte es verdient. Diese Provinzarschgeige. Der kann seine Schlampen "Tussi" nennen. Aber nicht MICH! Ich sah auf die Drogen in ihren Händen, auf das Geld. Ich habe nie gedealt, ich habe es genomen. Bis Dad starb. Er hatte mir einen Brief hinterlassen. Keiner, nicht eimal er, wusste, dass er sterben würde, aber er hatte alles fertig. Sein Testament geschrieben, jedem von uns einen Brief hinterlassen. In meinem bat er mich, aufzuhören. Es war sein letzter Wunsch, und ich habe ihn erfüllt. Daddy wäre Stolz. 

Ich sah diesen Typen an, der Jase angefahren hatte und musste über seinen erschrockenen Gesichtsausdruck fast lachen. Nur fast. Ich drehte mich um, ging zurück und pfiff nach Orkan. Auf einmal wurde ich nach hinten gezogen. Ryan. "Warum sprichst du nicht mit mir?"; fragte er mich und sah mich an.

Weil ich mit niemandem spreche, du Idiot!

Ich drehte mich von ihm weg und schwang mich auf mein Pferd, das inzwischen hinter mir stand.

Jason's Sicht

Ich lag auf dem Bett rum und sah an die Decke, während ich mir ein Handtuch gegen die Wange drückte. Das dritte in dieser Stunde. Die anderen beiden lagen, mit Blut durchtränkt, neben dem Bett und sabberten den Boden voll. Doch das war mir egal. Ich dachte über Ally nach. Die Erinnerungen kehrten zurück, Erinnerungen an Sachen, die Mom entweder nicht wusste, oder mir nicht erzählt hatte. Es waren einzelne Bilder, die ich sah, als würde ich neben mir stehen. Ich sah von außen zu, war nicht in meinem Körper. Immer wieder spielte sich eine Bildfolge ab.

Ally und ich in der Schule, unsere Klassenzimmer in zwei verschiedenen Gebäuden, sodass wir durch die Fenster direkt in das andere Zimmer sehen konnten.

Ally, die mich ansah und auf die Tör deutete. Dann zeigte sie fünf Finger. In fünf Minuten draußen.

Ich, wie ich auf dem Schulhof stand und in Ally's Klassenzimmer blickte, während sie den Lehrer provozierte, bis sie rausflog.

Wir, wie wir lachend durch die Stadt liefen. Ihre Stimme zu hören war atemberaubend.

Ich, als ich schnell verschwand, um Eis zu holen, während Ally schon draußen am Tisch sitzen blieb.

Das nächste war ein Knall, dann das Bild, wie ich zu Ally rannte, während sie vor einem Auto kniete, das gerade mit einem LKW zusammengestoßen war.

Der Moment, als ich regestrierte, warum sie weinte.

Mom, Ally und ich im Krankenhaus, vor dem OP-Saal, während der Zeiger der Uhr sich Stunde für Stunde quälend langsam um sich selbst drehte.

Der Arzt, der vielsagend den Kopf schüttelte.

Ally, die zusammenbrach.

Als Ally wieder aufwachte, redete sie nicht mehr. Sie schlich sich nachts aus dem Haus und kam vor dem Morgenrot nicht wieder. Ich erinnerte mich, sie einmal auf dem Friedhof gefunden zu haben. Sie war total durchnässt, es regnete in Strömen. Statt sie mitzunehmen setzte ich mich zu ihr uns so saßen wir dort, bis es dunkel wurde, und weinten. Zusammen. Nichts konnte uns trennen.

Unten wurde geschrien. Es war Calvin. Er schrie durch das Haus, obwohl niemand da war. Mam war weinend verschwunden, kurz nachdem ich mich in Ally's Zimmer eingeschlossen hatte. Sie kam immer durch das Fenster zurück, wenn es so spät wurde, auch an das konnte ich mich erinnern. Und all die Erinnerungen hatte ER ausgelöst. Ich sollte ihm dankbar sein, doch ich hasste ihn dafür. 

Das erste, an das ich mich erinnerte, war Ally's verzweifelter Hilferuf, als sie das erste Mal von ihm geschlagen wurde. Die Erinnerung kam, als er mir eine schallende Ohrfeige verpasste. Meine linke Wange pulsierte immernoch, war warm und wahrscheinlich auch rot und geschwollen. Ich traute mich nicht, aufzustehen, um in den Spiegel zu sehen. Laufen kostete zu viel Kraft.

Kraft, die er mir mit seinen Schlägen nahm.

Ich verlagerte mein Gewicht vorsichtig auf die andere Seite, um nach der Wasserflasche neben dem Bett zu greifen, und musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht zu schreien. 

Mach nicht auf dich aufmerksam! Wenn er dich bemerkt hält ihn auch die abgeschlossene Tür nicht auf!

Ich streckte mich noch einmal und erreichte die Wasserflasche. Ich trank einen Schluck, aber dafür hatte ich sie nicht geholt. Ich nahm das Handtuch von meiner Wange und goss etwas Wasser darüber. Das verdünnte Bult floss meinen Arm herunter und verschwand im Ärmel meines Shirts. Das Wasser war kalt und kühlte meine Wunde etwas, als ich das Handtuch wieder auf meine Wange drückte. Ich schlos die Augen und ließ den Schmerz zu. Das machte ihr erträglicher, als die kläglichen Versuche, ihn zu ignorieren oder sich abzulenken. Die scheiße wollte einfach nicht aufhören, zu bluten. Es war seine blanke Faust gewesen. Er hatte mich geschlagen, sodass ich mich in der Luft um 180° gedreht habe und dann auf den Boden geknallt bin. Dann hat er angefangen zu treten. Immer wieder. Ich habe mich nich nicht getraut, zu schauen, was er getan hat, aber es fühlt sich an, als ob er mir jegliche existierenden Knochen gebrochen hatte. Das einzige gute war, dass ich meinen Bauch nicht spürte. Er war einfach weg. Der Mesch hat eine Grenze, eine Hemmschwelle, bei der die Nerven wegen überlastung aufhören, Impulse an das Gehirn weiterzuleiten. Vielleicht war es das. Aber im Grunde war es auch egal, hauptsache Ally würde bald kommen, vielleicht konnte sie mir helfen.

Ryan's Sicht

Sie antwortete mir nicht. Natürlich nicht. Sie dreht sich um und stieg auf das Monster von Pferd, ein schwarzer Schatten, der mich aus allwissenden Augen ansah, nicht unruhig, eher schlummernd, aber bereit, jeden Moment aufzuwachen. Ich hielt ihr Bein fest. Keine Ahnung, was mich dazu brachte, ich tat es einfach. Sie drehte mich um und sah mich aus diesen Smaragdgrünen Augen an. Ich vernachlässigte einmal kurz meine Hand, somit auch das festhalten, und schon war sie weg. Einfach auf und davon. Seltsames Mädchen.

Ally's Sicht

Ich galoppierte an, als er mich verwundert ansah, und dabei nicht mhr stark geung festhielt. Ich wollte nur nach Hause. Ein Bick auf die Uhr verriet mir, dass es schon zwei Uhr morgens ist. Ich ließ Orkan in einen lockeren Trab fallen und gab ihm die Zügel. Ich wusste, dass er nach Hause laufen würde, er war mindestens genauso müde wie ich. Ich spielte mit dem Gedanken, im Stall zu schalfen, verwarf es jedoch. Mom brauchte mich. Und wenn sie nicht, dann Jase. Ob er wusste wer ich war oder nicht. Ich musste ihm helfen, so wie er mir all die Monate, all die Jahre geholfen hatte. 

Das war ich ihm schuldig.

I can't live a lie anymoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt