Ich wachte auf und atmete schwer. Die Bilder von meinem Traum waren mir noch deutlich vor Augen, schienen mir jetzt im wachen Zustand allerdings zunehmend durcheinander und unsinnig. Doch bei einer Sache war ich mir sicher. Ich hatte von Paul Deyer geträumt. Wir waren im Club gewesen und da war überall Nebel. Immer wieder versuchte ich die Einzelheiten des Traums heraufbeschwören, doch desto mehr ich mich darauf konzentrierte, desto verschwommener wurde alles.
Ich schüttelte meinen Kopf und stand auf. Das Haus war totenstill. Dad war schon in der Kanzlei und seid mein Bruder ausgezogen war, war ich die meiste Zeit allein zuhause.
Nachdem ich mich fertiggemacht hatte, ging ich los. Wie jeden Samstag arbeitete ich auch heute in der Bibliothek. Den Job machte ich ehrenamtlich. Ich hatte damit angefangen, nachdem meine Mutter gestorben war. Sie hatte Bücher geliebt und ich tat das auch.
Es war immer wieder faszinierend um sieben Uhr morgens durch die Straßen unserer Kleinstadt zu laufen. Um diese Uhrzeit war kaum jemand unterwegs und es roch nach Morgentau. Ich schloss die Augen und atmete kurz ein. Trotz geschlossener Augen lief ich weiter und prallte prompt mit jemandem zusammen.
Mein Blick wanderte von der Lederjacke zum Gesicht und am liebsten hätte ich mich einfach in Luft aufgelöst. Paul Deyer. Er hatte mich an den Schultern gepackt, damit ich ihn nicht umwarf. "So sieht man sich wieder, Kleiner.", sagte er und grinste schelmisch. Ich rührte mich nicht. Mir fiel auf, dass er nach Rauch roch und eine Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt hatte. Paul ließ mich los, als ich immer noch nichts sagte und zog an seiner Kippe. "Alles klar bei dir?", fragte er und hob eine Augenbraue. Ich nickte und eilte so schnell an ihm vorbei und weiter die Straße hinunter, wie es mir möglich war ohne zu rennen.
Als ich in der Bibliothek angekommen war atmete ich tief aus. Die Bibliothekarin, auch eine alte Freundin meiner Mutter, sah mich fragend an, doch ich schüttelte nur den Kopf und sie wendete sich wieder ihrer Arbeit zu. Das war das angenehme an Sophia, sie ließ mich immer in Ruhe, wenn ich nicht reden wollte und hörte mir trotzdem immer zu, wenn ich es wollte.
Schnell legte ich meine Sachen ab und setzte mich hinter den Informationstresen, der Bibliothek, wo Besucher fragen konnten ob bestimmte Bücher im Bestand waren, oder in welcher Abteilung sie diese finden würden. Gerade als ich den Computer hochgefahren hatte, pflanzte sich ein Mädchen mit blonden Locken und rosa Strickjacke neben mich. Ava Twigley. Die vermutlich nervigste Person auf diesem Planeten und der einzige Haken an meinem Job in der Bibliothek. Sie war vermutlich der einzige Mensch auf diesem Planeten, der noch nicht verstanden hatte, dass ich nicht auf Mädchen stand.
"Hallo, Luke.", hauchte sie und drückte ihren Busen gegen meinen Arm als sie mir einen Kuss auf die Wange drückte. "Hallo.", antwortete ich knapp. "Wie war deine Woche? Also ich habe es ja kaum ausgehalten, bis heute. Samstage sind einfach toll, findest du nicht auch?", fragte sie und klimperte mit ihren Wimpern. "Mmmh.", machte ich und tat so als würde ich nach einer wichtigen Datei suchen, die es gar nicht gab. Natürlich merkte Ava das nicht. Sie verstand von Computern ungefähr so viel, wie ein Frosch von Atomphysik.
Die nächste Stunde tat ich mein Bestes um Ava zu ignorieren. Das war nicht schwer, denn meine Gedanken waren sowieso die ganze Zeit bei Paul Deyer. Warum konnte ich nicht mal normal sein? Wieso brachte ich kaum ein Wort heraus, wenn er mir begegnete? Diese Fragen wirbelten immer wieder in meinem Kopf herum und ich war froh als die ersten Besucher die Bibliothek betraten und mich ablenkten.
Ungefähr zur Mittagszeit kam Jade und brachte mir etwas zu essen mit. Das machte sie jeden Samstag. Anfangs war Sophia nicht besonders begeistert davon gewesen, da sie Angst hatte, das Essen könnte an ihre Bücher kommen. Doch inzwischen hatte sie sich an die in den Sesseln herumlungerte Jade gewöhnt. Ich spürte Ava Twigleys giftigen Blicke in meinem Rücken spüren, als ich meine beste Freundin umarmte und mich mit ihr an einen der kleinen Tische setzte, um das mitgebrachte Essen zu vertilgen. Gerade als ich mir die chinesischen Nudeln in den Mund stopfte, die Jade mitgebracht hatte, bekam ich eine Nachricht. Von meinem Projektpartner.
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All Of Me
RomancePaul Deyer. Wie beschreibt man Paul Deyer? Als Bad Boy? Als gefährlich? Als abgefuckt? Als Einzelgänger? Letztendlich ist Paul Deyer das genaue Gegenteil von Luke. Luke hat gute Noten, eine Clique von treuen Freunden und eine Faszination für den geh...