Kapitel 8

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Der Donnerstagvormittag verging viel zu langsam und Jades giftige Blicke machten es auch nicht leichter. Sie war der Meinung ich würde sie an diesem Nachmittag im Stich lassen und damit hatte sie auch irgendwie recht, Shea wollte heute unbedingt shoppen gehen und Jade war von dieser Idee absolut nicht angetan. Trotzdem versuchte ich ihr und mir selbst einzureden, dass die Schule nun mal vorging. Natürlich hatte es nichts mit Paul Deyer zu tun, dass ich dem Nachmittag so entgegenfieberte.

In der Mittagspause wanderte mein Blick immer wieder zu Paul hinüber, der neben Eric saß und mit einem Kugelschreiber herumspielte. Er hatte wirklich bemerkenswerte Hände, die immer wieder geschickt den Stift zwischen seinen Fingern herumwirbeln ließen. Mal wieder hatte ich nicht bemerkt, dass ich Paul anstarrte, doch Jade machte mich darauf aufmerksam indem sie mir mal wieder mit den Fingern vor dem Gesicht herumschnippte. Sie war gerade an unseren Tisch gekommen. "Es ist wirklich nicht auszuhalten wie du ihn anschmachtest.", sagte sie grinsend und natürlich wurde mein Gesicht sofort rot. Sandy, die neben mir saß, sah mich natürlich sofort an, bevor ihr Blick zu Paul huschte. Sie grinste. "Ach, junge Liebe ist doch wirklich süß.", seufzte Sandy und griff sich theatralisch ans Herz. "Sei bloß still.", brummte ich und warf eine Pommes nach ihr. Doch sie lachte nur. "Außerdem solltest du nicht so großspurig sein, du bist nur ein Jahr älter als ich.", sagte ich. "Also, ich habe ja wohl viel mehr Erfahrung in Sachen Liebe als du. Immerhin sind Jamie und ich schon seit zwei Jahren zusammen.", gab sie zurück. Ich verdrehte die Augen und sah etwas, dass meine Freunde hoffentlich von meinem Liebesleben ablenken würde. Todd Spring steuerte auf unseren Tisch zu und setzte sich neben Jade. Er grüßte uns und widmete sich dann seinem Essen, als wäre es vollkommen selbstverständlich, dass der Quarterback unserer Schule mit unszu Mittag aß. "Habe ich euch unterbrochen?", fragte Todd als er bemerkte, dass wir ihn alle anstarrten. Sogar Jade sah verblüfft aus. "Nein.", antwortete ich schnell, bevor die beiden wieder auf mich kommen konnten. Sandy schien sich jetzt auch sehr viel mehr dafür zu interessieren, warum unser Quarterback nicht bei seiner Mannschaft saß und damit war ich aus dem Schneider. Sofort wanderten meine Augen wieder zu Paul. Als ich aufblickte sah ich wie er seinen Blick rasch von mir abwandte.

Den ganzen restlichen Schultag musste ich darüber nachdenken. Tausende von Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und ich konnte keine davon beantworten. Hatte er wirklich mich angesehen oder nur ungefähr in meine Richtung? Warum sollte er mich angesehen haben? Hatte er mich angesehen, weil er mich mochte? Ich wusste nicht ob ich froh oder enttäuscht darüber sein sollte, dass Paul und ich heute keine Fächer zusammen hatten. Dafür wusste ich ganz genau, dass meine Aufregung sich bis heute Nachmittag noch steigern würde.

Wie redete man mit jemandem mit dem man beim letzten Treffen über seine tote Mutter geredet hatte? Ich hatte keine Ahnung, allerdings hatte ich es ja auch hinbekommen mich unmittelbar nach diesem Gespräch mit Paul zu unterhalten. Damit versuchte ich mich zu beruhigen, doch das klappte nicht besonders gut.

Pünktlich wie immer klingelte es an der Haustür und ich öffnete meinem Projektpartner die Haustür. Ich brachte nur ein knappes "Hallo" heraus, denn alle Gedanken, die seit Montag in meinem Kopf herumgeschwirrt waren, prasselten auf mich ein. Ich wünschte mir, meine Gedanken nur für einen Moment abstellen zu können, damit ich mich endlich fassen konnte, aber natürlich war das nicht möglich.

Du hättest es ihm nicht erzählen sollen.

Es war dieser eine Satz, den ich nicht aus meinem Schädel entfernen konnte und es stimmte ja auch, es war einfach dumm einem beinahe Fremden so etwas Persönliches anzuvertrauen. Auch noch etwas, dass ich eigentlich noch nie jemandem im Detail erzählt hatte. Außerdem wusste ich ja auch kaum etwas über Paul Deyer. Das Einzige was ich wusste war, dass er siebzehn war und sein bester Freund Eric hieß. Und, dass er nicht nur wirklich sehr einfühlsam war, sondern auch Musik über alles liebte. Und die einzige Sache, die ich über seine Familie wusste war, dass er eine kleine Schwester hatte.

Als wir in meinem Zimmer waren machten wir uns sofort an die Arbeit. Wir arbeiteten eine Weile schweigend vor uns hin. Ich war mir nicht sicher ob diese Stille gut oder schlecht war, doch ich wollte nichts sagen. Schließlich aber musste ich das Schweigen brechen. "Diese Artikel zeigen zwei verschiedene Zahlen wegen der Population an, siehst du?", sagte ich und hielt Paul die beiden Ausdrucke unter die Nase. Er nahm sie mir aus der Hand und ich rückte näher, damit ich ihm zeigen konnte, was genau ich meinte. "Welche Zahlen, glaubst du sind zutreffender?", fragte ich und sah auf. Paul sah im gleichen Moment auf und mir wurde klar, dass uns nur ein paar Zentimeter trennten. Ich spürte seinen Atem. "Ich meine, es ist doch wahrscheinlicher, dass ...", begann ich leise doch weiter kam ich nicht, denn Paul drückte seine Lippen auf meine. Zwar hatte ich noch nie einen Stromschlag bekommen, doch ich war mir ziemlich sicher, dass es sich so anfühlen musste. Mein Herz rutschte irgendwo in meine Magengegend und meine Knie waren weich. Der Kuss war ziemlich sanft und Paul löste sich nach kurzer Zeit wieder von mir. Sein Blick war ziemlich unsicher. Wir atmeten beide ziemlich schnell und dann, bevor mich der Mut verlassen konnte beugte ich mich vor und küsste Paul Deyer. Einen winzigen Moment hatte ich Angst er würde mich wegstoßen, doch dann erwiderte er den Kuss. Er zog mich noch näher zu sich, seine Hand in meinem Nacken. Mein Knie stieß gegen die Kante seines Stuhls, doch ich bemerkte es kaum. Es war als wäre ich versunken.

Ein Klopfen an der Tür ließ Paul und mich auseinanderfahren. Mein Dad streckte den Kopf zur Tür herein und wir hatten gerade noch Zeit voneinander abzurücken und unsere Nasen ins Arbeitsmaterial zu stecken. "Oh, ähm ich wollte dir nur sagen, dass ich heute früher von der Arbeit heimgekommen bin.", sagte mein Vater und sah immer wieder von Paul zu mir. "Dad, das ist mein Projektpartner in Biologie.", stellte ich Dad Paul vor. Die beiden grüßten sich kurz, bevor mein Vater die Tür wieder hinter sich schloss.

Daraufhin herrschte in meinem Zimmer wieder unangenehme Stille. Paul räusperte sich betreten und wir versuchten uns wieder auf die Arbeit zu konzentrieren, doch das war schlicht unmöglich. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich einfach auf mein Blatt gestarrt hatte ohne irgendwas zu tun, piepte Pauls Handy. Er sah stirnrunzelnd darauf und räusperte sich abermals. "Ich muss nach Haus.", sagte er mit heiserer Stimme. Hastig sprang er auf, packte seine Jacke und ging die Treppe hinunter. Unsicher folgte ich ihm. Als ich unten ankam war Paul bereits halb aus der Tür, bevor er sich noch einmal zu mir umdrehte. Er machte einen großen Schritt auf mich zu und gab mir dann noch einen Kuss auf den Mund, bevor er das Haus verließ.

Ich stand ein paar Momente einfach da und tat nichts, bis ich mich umdrehte um in mein Zimmer zurückzugehen. Doch bevor ich die Stufen nach oben betreten konnte, kam mein Dad aus der Küche. "War das da eben dein...Freund?", fragte er. Erschrocken sah ich ihn an. Entwaffnend nahm er seine Hände hoch. "Ich mein ja nur, ich weiß ja das wir nicht so oft miteinander über so etwas reden, aber...", begann er, doch ich unterbrach ihn. "Dad, nicht jeder Junge, der bei mir ist, ist auch mein fester Freund, ok? Wir sind nur Projektpartner.", sagte ich schärfer als beabsichtigt und als ich Dads betroffenen Gesichtsausdruck sah, krochen sofort Schuldgefühle in mir hoch. „Tut mir leid, war ein langer Tag. Ich wollte dich nicht angiften.", murmelte ich, drückte meinem Vater kurz die Schulter und ging die Treppe wieder hinauf in mein Zimmer.

All Of MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt