Kapitel 3

421 16 1
                                    

Paul Deyer:

Als ich an diesem Sonntagabend Luke Miltons Haus verließ musste ich unwillkürlich lächeln. Der Kleine hatte etwas an sich was ich nicht deuten konnte. Ich dachte ich hätte ihn durchschaut, doch unter dem Luke den er allen zeigte war noch jemand anderes. Jemand der tief verwundet war. Ich zündete mir eine Zigarette an und schlenderte nach Hause. Die Zeit außerhalb unseres Hauses genoss ich mehr, als ich es mir selbst eingestehen wollte.

Als ich schließlich nach dem halbstündigen Spaziergang, die Tür zu unserem Haus aufschloss, schlug mir sofort Rauch entgegen. Der Rauch von Zigarren. Onkel Mike schien mit seinen Freunden mal wieder einen Pokerabend zu veranstalten. Ich ging ins Wohnzimmer. Dort saßen vier Männer, jeder mit einer Zigarre im Mundwinkel und einem Whiskey vor sich. "Hey, Mike! Wo sind Grace und Max?", rief ich durch den Qualm hindurch meinem Onkel zu. "In ihrem Zimmer.", brummte Mike. "Und Lenny?", fragte ich weiter. "Im Laden.", sagte Mike und wedelte ungeduldig mit der Hand herum. Ich hielt ihn vom Weiterspielen ab. Verstohlen seufzte ich. Mein älterer Bruder war sicher nicht in seinem Laden, sondern besoff sich in irgendeiner Bar. Ich schloss die Tür zum Wohnzimmer und stieg die steile Treppe zum Zimmer meiner jüngeren Geschwister hinauf. Grace saß auf ihrem Bett und war damit beschäftigt ihre Barbiepuppe neu einzukleiden und Max las einen Comic. "Solltet ihr nicht schon schlafen?", fragte ich und schloss die Tür hinter mir. "Paul!", rief Grace und streckte ihre Arme nach mir aus. Ich hob sie hoch. "Wir konnten nicht schlafen, Onkel Mike und seine Freunde waren zu laut.", beschwerte sich Max. "Dann versucht es jetzt. Ich mach euch auch Moms Lied an.", sagte ich und legte Grace in ihrem Bett ab. Damit waren die beiden einverstanden. Ich deckte beide zu und holte dann mein Handy aus der Tasche. Ich wählte den Song Bed of Roses von Bon Jovi aus und legte mein Handy auf das Tischchen zwischen den Betten der beiden. Dann setzte ich mich auf Graces Bettkante und strich ihr übers Haar. Früher hatte ich das auch bei Max gemacht, aber mit neun Jahren war er inzwischen zu cool um sich von seinem älteren Bruder übers Haar streichen zu lassen. "Mommys Lied.", flüsterte Grace schläfrig und Max sang den Text leise mit.

Ich blieb bei den beiden, bis sie eingeschlafen waren. Dann nahm ich mein Handy und verließ das Zimmer so leise wie möglich. Ich ging zu dem Zimmer, dass ich mir früher mit meinem Bruder Lenny geteilt hatte, doch der pennte inzwischen meistens in dem Hinterzimmer seines Ladens, also hatte ich sein Bett rausgeschmissen und den Raum nach meinen Vorstellungen eingerichtet. Ich ging an mein Fenster und steckte mir noch eine Zigarette an. Und musste an Luke Milton denken. Daran, dass jede Kleinigkeit ihn rot werden ließ und an seinen Blick als ich seine Mutter angesprochen hatte. Ich fragte mich ob er sich jemals anmerken ließ, wie weh ihr Tod ihm getan hatte. Vermutlich nie. In dieser Hinsicht schienen wir uns sehr ähnlich zu sein.

Ich drückte die Zigarette, holte meine Kopfhörer heraus und ließ mich mit Wonderwall von Oasis auf den Ohren, auf mein Bett fallen.

All Of MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt