Ich starrte unentwegt auf mein Handy, doch Paul meldete sich nicht mehr. Schließlich ließ ich mich von Jade und Shea auf die Lagerfeuerparty schleppen, die ein paar aus der Zwölften am See schmissen. Es war die Party zum Sommeranfang und eine Tradition. Todd nahm uns in seinem Wagen mit, Jade setzte sich auf den Beifahrersitz und Shea rückte auf der Rückbank unangenehm nah an mich heran. Ich war froh als wir endlich ankamen.
Tatsächlich bot diese Party ein beeindruckendes Bild. Das gesamte Seeufer und der umliegende Wald, war mit Leuten bevölkert und dazwischen brannten drei große Lagerfeuer. Wie selbstverständlich nahm Todd Jades Hand, bevor er die Jungs aus seiner Mannschaft begrüßen ging. Meine beste Freundin schien davon ebenso überrascht zu sein wie ich, doch es schien sie auch nicht zu stören.
Shea zog mich von den beiden weg, zum Bierfass, um das sich bereits eine Menge Leute geschart hatten. Sie hatte meine Hand gegriffen und es schien mir sehr unhöflich sie ihr wieder zu entreißen. Nachdem wir uns mit Getränken versorgt hatten, stießen Todd und Jade wieder zu uns. Wir schlängelten uns durch die Menge und fanden einen relativ ruhigen Platz am Rand der Menge. Endlich fand ich eine Ausrede um Shea's Hand loszulassen, indem ich mich am Kopf kratzte. Danach hielt ich meine Hand so, dass sie nicht mehr ohne weiteres danach greifen konnte. Jades Cousine versteifte sich kurz, schaute sich um und deutete mitten in die Menge. "Oh mein Gott, schaut euch diesen Typen mal an. Der ist ja mal richtig heiß.", sagte sie und würdigte mich keines Blickes mehr.
Ich folgte ihrem Finger und es war als hätte mich jemand in den Magen geboxt. Der Typ, auf den sie zeigte war Paul Deyer. Den Jungen den ich geküsst hatte. Sofort setzte die Eifersucht ein. Allerdings nicht so wie Shea es vermutlich vorgesehen hatte. Auch Jade zog scharf die Luft an. "Oh, Shea von dem würde ich mich lieber fernhalten. Der gehört schon unserem Luke.", sagte sie grinsend. "Was soll das denn heißen?", fragte Shea verwirrt und sah zwischen ihrer Cousine und mir hin und her. Ich sah sie schief an, doch Jade antwortete an meiner Stelle. Ihre Stimme triefte vor Selbstgefälligkeit. "Luke ist schwul und total in den Typen da verknallt.", erklärte sie. Shea sah mich einen Moment verblüfft an. "Du bist schwul?", fragte sie schließlich und musterte mich, als suche sie nach Hinweisen für meine sexuelle Orientierung an meinem Äußeren. "Aber du wirkst überhaupt nicht schwul.", Shea sah mich völlig konsterniert an. Ich erwiderte ihren Blick mit gerunzelter Stirn. "Ach ja? Wie müsste ich denn sein um schwul zu wirken?", fragte ich. Shea reagierte mit einem verlegenen Blick auf meine Frage.
Todd unterbrach die folgende Stille mit seinem Lachen. "Oh Mann, du bist eine bittere Enttäuschung für die Frauenwelt.", prustete er und schlug mir mit der Hand auf die Schulter. Ich grinste schief.
Paul Deyer:
Ich war eigentlich auf die Party gegangen um diesem Gefühlschaos zu entgehen, dass seit ein paar Tagen in mir tobte. Seit dem Kuss. Und dann war da auch noch die Sache mit Lenny. Ich hatte keine Ahnung wie ich damit umgehen sollte, also war ich einfach abgehauen. Raus aus unserem stickigen Haus und meinen wirbelnden Gedanken.
Doch dann hatte ich Luke gesehen. Wie er mit einem Mädchen, dass ich nicht kannte und seinen Freunden dagestanden hatte. Als wäre er der unbeschwerteste Mensch auf der Welt.
Im ersten Moment war ich froh als mein Handy klingelte. Somit musste ich nicht weiter zu Luke hinübersehen und mich fragen, was er wohl über den Kuss dachte.
Als ich allerdings sah, dass es mein Onkel war, der mich anrief, verspannte ich mich sofort. Mikes Stimme klang abgehackt. "Lenny ist zusammengebrochen und hat sich nicht mehr bewegt, ich habe den Krankenwagen gerufen. Die haben Lenny mitgenommen. Wir fahren ihnen jetzt nach, ins Krankenhaus.", sein Atem ging schwer und ich hörte das Geräusche einer Tür, die ins Schloss fiel. Mein Herz schien einen Augenblick auszusetzen. Hastig rannte ich zu dem Auto meines Bruders, den ich mir für diesen Abend ausgeliehen hatte. Das Blut rauschte mir in den Ohren. Es fiel mir schwer mich auf das Fahren zu konzentrieren, da meine Gedanken Achterbahn fuhr und sich immer wieder die schlimmsten Szenarien ausmalte.
Ich rannte durch die Türen des Krankenhauses auf den Empfangstresen zu. "Ich muss zu Lenny Deyer.", sagte ich außer Atem. Die Krankenschwester sah noch nicht einmal von ihrem Computer auf. "Nennen Sie bitte ihren Namen und geben Sie an, ob Sie mit ihm verwandt sind oder nicht." Ich musste mich einen Moment sammeln und dann hörte ich meinen Namen. Meine kleine Schwester Grace kam auf mich zu gerannt und zog meinen kleinen Bruder Max hinter sich her. Erleichtert wenigstens diese beiden vollkommen wohl auf vorzufinden kam ich ihnen entgegen und umarmte beide, bevor ich Grace hochhob. "Seid ihr okay?", fragte ich, während meine Schwester sich an meinen Hals klammerte. Max nickte. "Die Ärzte pumpen Lenny gerade den Magen aus.", erklärte er mir. Er sah blass aus, doch nicht vollkommen aufgelöst. "Wo ist Mike?", fragte ich. "Er redet gerade mit einem Arzt."
Die beiden führten mich einen Flur hinunter. Mein Onkel stand in seiner üblichen braunen Jacke, unrasiert und mit Schatten unter den Augen, einem Arzt mit Hornbrille gegenüber, der ein Klemmbrett in der Hand hielt. "... eine Überdosis.", sagte der Arzt gerade. "Er hatte Glück, dass Sie ihn sofort gefunden haben. Ansonsten hätten wir vielleicht nichts mehr für ihn tun können." Mike fuhr sich müde mit der Hand über das stoppelige Kinn. Dann bemerkte er mich. "Ach, mein Junge da bist du ja.", murmelte er, bedankte sich beim Arzt und dann ließen wir uns auf die Stühle an der Wand fielen. "Was ist passiert?", fragte ich. Mein Onkel seufzte. "Nachdem Lenny gestern so besoffen nach Hause kam, haben wir ihn ja ins Bett gesteckt und er hat den ganzen Tag durchgepennt. Aber als er vor einer Stunde ungefähr aufgewacht ist, muss er dann was eingeworfen haben, was ihn hat zusammenklappen lassen. Ich weiß nicht was es war, aber ich habe die Tüte auf seinem Bett gefunden und den Ärzten gegeben. Wahrscheinlich eine von diesen experimentellen Sachen, die er von seinen Kumpels bekommt. Jedenfalls, ich habe ein Rumpeln von oben gehört und hab mal nachgesehen. Lenny hat sich nicht bewegt und ich war mir auch nicht so sicher ob er noch atmet, also habe ich den Krankenwagen gerufen.", erzählte Mike mit rauer Stimme. Er schien die Geschichte in dieser Nacht bereits öfter erzählt zu haben. Ich lehnte meinen Kopf an die Wand hinter mich, atmete tief ein und versuchte ruhig zu werden. Lenny war im Krankenhaus. Hier waren Leute, die genau wussten, was zu tun war. Es würde alles schon irgendwie wieder ok werden. Es musste einfach.
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All Of Me
RomancePaul Deyer. Wie beschreibt man Paul Deyer? Als Bad Boy? Als gefährlich? Als abgefuckt? Als Einzelgänger? Letztendlich ist Paul Deyer das genaue Gegenteil von Luke. Luke hat gute Noten, eine Clique von treuen Freunden und eine Faszination für den geh...