Kapitel 12

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Als er mich anlächelte, entblosste er eine Reihe weißer, perfekt gepflegter Zähne. Doch das eigentliche markante an seinem Gesicht waren diesmal seine Augen, die funkelten.

"Keine Angst. Ich beschütze dich auch."

Was für Probleme hat der denn? Sehe ich denn so schutzbedürftig aus? Der soll sich mal an der eigenen Nase anfassen, mal sehen, was da raus kommt. So ein Macho.

Ich seufzte. "Okay, ich komme mit. Gibt es irgendwelche Kleidungsvorschriften und was wünschst du dir für ein Geschenk?", fragte ich über das Gequietsche meiner Schwester hinweg.

"Naja, ziehe dir was Ordentliches an. Und Geschenk- lass dir was einfallen. Ich denke, Judy kann dir da gute Ratschläge geben. Wir haben ja ungefähr den gleichen Geschmack. Das muss Seelenverwandtschaft sein.", schleimte Mandy gerade über den Tisch, während ich mir um meine Schwester Sorgen machte, nicht das sie gleich hyperventillierte, so aufgeregt wie sie war. Vollkommen im Planungsfieber und Partysumpf gedanklich verloren.

"Schön, dass du mitkommst. Ich freue mich drauf.", meinte Dominik neben mir.

"Bilde dir bloss nichts darauf ein. Ich komme lediglich wegen Judy mit. Eine von uns beiden muss ja die Vernünfitgere sein und Acht geben.", sagte ich.

"Wir werden ja noch sehen, wer die Vernünftigere von euch beiden ist..", antwortete er. Ich wusste nicht, ob es mir galt oder, ob er mit sich selbst sprach. Dennoch hielt ich es für besser nicht darauf zu reagieren.

Nachdem wir dann mit essen fertig waren und auch das gesamte Grillgut alle war, war es mittlerweile halb elf. Es hatte sich alles verdammt lange gezogen. Zu meinem Glück hatten weder Dominik noch Mandy oder meine Mum mich in kein weiteres Gespräch miteingebunden, sodass ich einfach nur rumsaß und alles beobachten konnte. Die langsam kommenden Sterne am Himmel faszinierten mich besonders. Sie schienen so strahlend und doch so fern und frei.

"So, danke euch beiden für den wunderbaren Abend. Ich hoffe, dass wir das bald bei uns mal nachholen können. Leider müssen wir schon rüber, aber wir sehen uns, oder?", bedankte sich meine Mutter auf einmal überschwänglich bei unseren neuen Nachbarn und umarmte sowohl Herbert als auch Clarissa und deren Kinder Mandy und Dominik. Vater schüttelte freundlich jedem die Hand und lächelte sie an. Judy umarmte Mandy total herzlich und es schien als würden sie sich nicht trennen wollen.

Was ist denn das für eine Aktion von Judy. Immerhin wohnen wir jetzt nebeneinander, da wird man sich doch mal für ein paar Stunden Privatsphäre trennen können, oder? Sonst geht man sich doch irgendwann gegenseitig auf die Nerven. Zumal in weniger als 10 Stunden sehen die zwei sich doch wieder. Das soll nun einer verstehen.

Gedanklich schüttelte ich mit dem Kopf unisono zu dem Handschütteln meiner Schwester mit Herbert. Clarissa umarmte uns zum Abschied auch nochmal. Dominik gab unseren Eltern die Hand und schwaffelte etwas, dass nach "Wie schön Sie kennen gelernt zu haben." klang.

Schleimer! Pass auf, dass du nicht auf deiner Schleimspur ausrutschst!

Nach einer gefühlten halben Ewigkeit kamen wir dann endlich los und gingen rüber. Ohne ein weiteres Wort verschwand ich im Bad und duschte kalt. Es härtete mich weiter ab. Ich versuchte meine widerwilligen Gedanken zu verdrängen, doch immer wieder huschte er in mein Gedächtnis. Auf einmal merkte ich, das ich ihn wohl vermisste, obwohl ich ihn kaum kannte.

So ein Quatsch! Hope, du vermisst ihn nicht. das bildest du dir gerade nur ein. Aber erfolgreicher Weise hat er es geschafft sich in dein Gedächtnis fest zu brennen. Toll! Und wie bekomme ich ihn jetzt wieder aud meinem Kopf? Am besten ist, wenn ich jetzt nicht mehr an ihn denke, zumindest für heute.

Nach dem Duschen schminkte ich noch den Rest meiner Mascara ab und putzte meine Zähne. Ich hörte wie ungeduldig Judy draußen vor der Badtür wartete, damit ich endlich fertig werde. Das ist halt der Nachteil, dass wir nur ein Badezimmer mit Dusche und Wanne oben haben. Unten ist dann nur noch ausweichend ein Gäste-Wc, was man notfalls wenigstens zum Zähne putzen nehmen konnte.

Als ich über meine frische Unterwäsche mein T-Shirt mit der Aufschrift "Träumst du - Oomph! feat. Marta Jandova" angezogen hatte, öffnete ich das Bad und machte wortlos für Judy Platz.

In meinem Zimmer stöpselte ich mein fast leeres Handy an die Steckdose, schnappte mir ein altes Buch, was eines der wenigen war, dass mit umgezogen ist und verkrümelte mich in mein Bett. Ich las noch drei, vier Seiten bis mich die Müdigkeit übermannte, ich das Leselicht an meinem Regal löschte und ich einschlief.

Am nächsten Morgen klingelte mein Handy und ich war so wie jeden Morgen in der Woche kurz an der Stelle, an der ich es an die Wand werfen wollte und mich einfach wieder umdrehen wollte, damit ich weiter schlafen konnte. Da ich aber mein Handy selbst finanzieren musste und ich noch genau wusste, wie lange ich dafür gespart hatte, verwarf ich wie jeden Morgen diesen Gedanken und quälte mich aus meinem warmen kuscheligen Bett.

Frühzeitiges Aufstehen musste verboten werden und alle Frühaufsteher sollten in ein eigenes Land, damit die Langschläfer in Ruhe weiter schlafen können. Wie ich es hasse früh aufzustehen.

Mein Glück war, dass ich in unserer Familie diejenige bin, die immer am längsten schläft, dass ich daher nicht vor der Badtür anstehen musste. Nach meiner morgendlichen Routine im Bad, ging ich mit Badetuch in mein Zimmer und entschied mich für eine schwarze Bikerjeans und ein simples weinrotes Spagettitop. Ich zog noch meinen schwarzen Cardigan drüber und schnappte mir mein Handy um das in die Tasche zu meinen Schriebunterlagen und Fahrpapieren zu werfen. Unten wartete bereits Judy auf mich, sodass ich mir mein Essen und Trinken im Vorbeilaufen in die Tasche warf und unterwegs in meine schwarzen Ballerina rutschte.

Der zweite Schultag verlief ganz okay. Judy und ich saßen überall zusammen, da wir an dem Tag die gleichen Fächer hatten und Chris ließ mich zu meinem Erstaunen in Ruhe und trotz meines neuen Spitznamens trauten sich einige mehr mich anzusprechen. Ich versuchte höflich zu sein. Die Pausen verbrachte ich mit meinem Headset an meinem Baum. Nach der Schule fuhren wir nach Hause und ich verbrachte den Großteil in meinem Zimmer und malte die Dinge, die mir zuerst in den Kopf schossen.

Der Rest der Woche verlief ähnlich, nur dass ich Chris so gut wie kaum noch zu sehen bekam, obwohl wir viele Kursfächer zusammen hatten, aber seine neue Fangemeinde von Mädels wurde von Tag zu Tag immer größer und belagerten ihn zunehmend. Judy und ich saßen in den gemeinsamen Fächern zusammen und keiner stellte das mehr in Frage, da sie wussten, dass Judy ihre Pause mit ihren Freunden und neuen Verehrern verbrachte anstelle mit der Eisprinzessin. Ein paar mutige, oder einfach nur dumme Typen fragten mich bereits jetzt, ob ich mit ihnen zum Ball gehen würde. Ich gab ihnen all einen Korb. Ich durfte das. Denn ich war immerhin die Eisprinzessin.

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