Kapitel 3

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Vorsichtig starrte ich aus unserem Fenster nach draussen und warf sofort meine Hände vor den Mund. Auf der Strasse lagen etwa fünf blutverschmierte Menschen, und ich konnte sogar von hier aus sehen, dass Etlichen von ihnen Organe und Fleisch aus dem Bauch ragten. Aber was mich wirklich erschaudern liess, waren die Leute, die sich überall auf der Strasse humpelnd vorwärts schleppten und gruslige Geräusche von sich gaben. Auch sie waren blutverschmiert und hatten tote Augen, genau wie das Ding, das mich vorhin angegriffen hatte. Ich zitterte wie Espenlaub und liess mich langsam an der Wand nach unten gleiten. Ich hatte meine Hände noch immer an meinen Mund gepresst und liess sie jetzt langsam in meinen Schoss fallen.

Was passiert hier?!, fragte ich mich verzweifelt und versuchte meine aufsteigende Panik zu unterdrücken, da fiel mir plötzlich etwas ein, was mir mein Vater einst gesagt hatte: "Jane, schlimme Dinge passieren und du kannst es nicht ändern. Aber du kannst lernen, damit umzugehen. Du darfst nur die Hoffnung nie aufgeben." Ich merkte, wie sich meine Atmung langsam normalisierte und das Zittern etwas nachliess. Ich stand entschlossen auf und dachte grimmig:

Ja, Dad. Ich werde leben. Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben.

Ich nahm das Messer in meine rechte Hand, schloss unsere Haustür ab und ging langsam die Treppe wieder hinauf, um nach Joe zu sehen. Und dieses Mal war ich vorbereitet, falls auch er sich... verändert haben sollte.

Ich atmete noch ein letztes Mal tief aus, dann schob ich angespannt Joe's Zimmertür auf. Das Zimmer war leer.

Und obwohl ich vor Verzweiflung am liebsten geschrien hätte, zwang ich mich, das Messer in Verteidigungsposition hochzunehmen und spannte alle meine Muskeln an, für den Fall, gleich ausweichen zu müssen. Ich füllte meine Lungen mit Luft und flüsterte angespannt in Stille hinein. "Joe?" Ich wartete nervös, doch nichts passierte. Ich versuchte es nocheinmal, dieses mal etwas lauter. "Joe?" Wieder nichts, und ich wandte mich schon traurig dem Gehen zu, als sich plötzlich seine Schranktüre knarrend öffnete. Sofort wirbelte ich in Kampfbereitschaft herum und befürchtete, sofort zustechen zu müssen, als ich in das ängstliche Gesicht meines Bruders blickte. Er war eindeutig nicht tot.

"Jane? Was ist passiert? Was machst du da mit dem Messer?", fragte mich Joe neugierig, doch ich drückte ihn einfach an mich und versuchte die Tränen der Erleichterung zurückzuhalten. Nach einem Moment schob mich Joe sanft von sich und fragte mich verunsichert: "Was ist denn los? Und wo ist Dad?" Ich schniefte und blickte betroffen auf den Boden. "Jane, was ist passiert?"

Joe wich zurück und ich wusste, dass ich ihm die Wahrheit erzählen musste.

Ich seufze. "Joe... Hör mir zu.", fing ich ernst an,"Dad ist tot. Ich weiss auch nicht genau, was passiert ist, aber Fakt ist, dass draussen überall untote Kannibalen rumlaufen, ok? Ich vermute, dass es irgendein Virus sein muss, aber das kann ich dir nicht mit Sicherheit sagen." Als ich geendet hatte, fing Joe plötzlich an zu Lachen.

"Ich bin doch nicht blöd, Jane! Also, was war wirklich los? Dad kam plötzlich in mein Zimmer gestolpert und hat mir befohlen die Tür zu schliessen und mich im Schrank zu verstecken. Er sagte, egal was ich hörte, ich solle NIE herauskommen. Er sah irgendwie ziemlich fertig aus, also tat ich es." Sagte er kopfschüttelnd. "Sei leise, verdammt noch mal!! Ich lüg dich nicht an, sieh aus dem Fenster und überzeug dich selbst!", fauchte ich ihn an und Joe sah mich erschrocken an. "Mach schon!", fügte ich hinzu und hatte sogleich ein schlechtes Gewissen. Joe war doch erst 13! Sollte ich ihn wirklich sehen lassen, was draussen los war? Ich atmete tief durch.

Doch, es war richtig so. Er musste wissen, was vor sich ging. Joe war inzwischen zu seinem Fenster gestampft und sah nun hinaus. Fast augenblicklich weiteten sich seine Augen und er riss den Vorhang zu. Dann sah er, immernoch mit blanker Angst in den Augen, mich an und ich nickte traurig. "Und Dad ist...", fragte er mit brüchiger Stimme und ich nickte abermals. "Wie?", brachte er heraus und ich schluckte. "Ich... er hatte sich verwandelt. Er war einer von... Ihnen. Ich habe in aus Notwehr getötet." Ich musste mir die Tränen aus den Augen blinzeln. Joe starrte mich mit offenem Mund an. "Joe, du musst das verstehen, er... nein, Es wollte mich töten. Ich musste-", versuchte ich zu erklären, doch plötzlich war Joe bei mir, schlang mir die Arme um den Leib und wisperte: "Danke, Jane. Du hast ihn erlöst."

The Cold WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt