Kapitel 8

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Heute war Freitag. Innert einer Woche waren Eddy und ich beinahe überall in unserem Dorf rumgefahren, doch nirgends hatten wir auch nur eine Spur von Joe entdeckt. Nicht einmal in unserer Nachbarschaft hatten wir einen Anhaltspunkt gefunden und Morgen war die eine Woche, die mir Eddy Zeit gegeben hatte, Joe zu suchen, um und ich begann langsam aber sicher die Hoffnung,meinen Bruder lebend zu finden, auf.
Auch begann ich mich langsam echt zu fragen, ob wir die einzigen Überlebenden waren, und dieser Gedanke jagte mir eine Heidenangst ein. Doch Eddy gab mir Halt. Er schien sich generell keine Sorgen zu machen und war immer zu Scherzen aufgelegt, doch ich wusste, dass das nur eine Fassade war. Eine, die langsam bröckelte.

Eddy und ich hatten unser Lager in einer alten Scheune aufgeschlagen, die nicht weit vom Waldrand entfernt auf einem Hügel stand. Wir wechselten uns immer mit schlafen ab und jetzt war knapp neun Uhr, was für mich bedeutete, dass meine Schicht als Wache bald vorbei war, und ich wenigstens noch eine Stunde Schlaf kriegen konnte. Gedankenversunken starrte ich aus dem Fenster und hatte gar nicht bemerkt, dass Eddy wach war. "Wieso haben deine Eltern dir und deinem Bruder so ähnliche Namen gegeben? Ich meine Joe und Jane? Tönt schon etwas komisch.", murmelte er verschlafen. Ich blinzelte. Viele Leute, die ich kannte, haben Dad diese Frage gestellt. "Seit Generationen hat man in der Familie meiner Mutter den Namen Jane weitergegeben, deshalb bin ich auch eine Jane. Und Joe... Eigentlich wollten meine Eltern ihn Timothy nennen, aber dann starb einer ihrer engsten Freunde, Jonathan Black. Als Erinnerung an ihn haben sie ihren Sohn dann auch Jonathan getauft, und daraus wurde dann Joe." Dad hatte diese Geschichte immer mit einem Lächeln erzählt, doch für mich war sie nur noch eine schmerzvolle Erinnerung an eine heile Welt, die es nicht mehr gab. Eddy nickte und ich gähnte herzhaft. Es wurde echt Zeit, dass ich auch noch zu ein bisschen Schlaf kam! Ich wollte mich gerade von meinem Stuhl erheben, als Eddy mich auf den Boden warf. Dort wo gerade eben noch mein Kopf gewesen war, hatte sich eine Kugel in die Wand gebohrt. Ich vernahm plötzlich das Splittern von Scheiben und Holzwänden und drehte mich zu Eddy um, der angespannt neben mir lag. "Was soll das?", schrie ich laut und Eddy bedeutete mir liegen zu bleiben. Er duckte sich unter das Fenster und wartete. Als das Maschinenfeuer eingestellt wurde, hob er den Kopf und brüllte: "WAS ZUR HÖLLE SOLL DER SCHEISS!!! WIR SIND KEINE VON DENEN!" Sein Gesicht war rot angelaufen und Zorn funkelte in seinen Augen, als hinter uns die Tür eingetreten wurde und fünf oder sechs Mann eintraten, ihre Waffen auf uns gerichtet. "Untersucht sie.", befahl ein Mann mit rauer Stimme, der offensichtlich ihr Anführer war und ich wurde unsanft auf die Füsse gezogen und abgetastet. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, dass auch Eddy untersucht wurde. Schliesslich liessen die beiden Männer von uns ab und sagten leise zu dem Anführer: "Sauber." Einer der anderen Männer kam auf mich zu und zielte mit seiner Pistole immernoch auf meinen Kopf, während die anderen ihre Waffen langsam sinken liessen. "Ich sage euch, sie war tot! Was, wenn sie neuerdings reden und uns täuschen können?" Er sah mich kalt an. "Billy, vielleicht hast du dich getäuscht. Vielleicht ist es ja auch gar nicht dieses Mädchen.", sagte der Anführer, doch Billy liess seine Waffe noch immer nicht sinken. "Warum gehen wir nicht einfach auf Nummer sicher und knallen sie ab? Eine weniger, die sich verwandeln kann!", sagte er bedrohlich leise und stand ganz nah bei mir, die Waffe direkt auf meine Stirn gerichtet. Ich begann zu zittern, als keiner der Männer widersprach, doch dann stiess eine Hand die Pistole beiseite. "Hier wird niemand abgeknallt.", knurrte Eddy, der Billy böse anfunkelte und ich warf ihm einen Blick zu, der in etwa Danke danke danke danke bedeuten sollte. "Er hat recht, Billy. Sie ist ein Mensch, also lass den Scheiss, klar?!", meinte der Anführer forsch zu Billy und sah dann mich an. "Ich bin Sam und der Chef unserer kleinen Gruppe. Wir werden euch in unser Hauptquartier bringen." Ich sah ihn misstrauisch an, doch es hörte sich zu verlockend an, um abzulehnen. Viel schlimmer konnte unsere Situation ja auch nicht mehr werden, oder? Eddy schien der gleichen Meinung wie ich zu sein und nickte. Die Männer führten uns nach draussen, als mir von hinten jemand ins Ohr zischte: "Ich werde nicht zulassen, dass du bei uns bleibst! Ich werde einen Weg finden dich zu töten und es wie ein Unfall aussehen zu lassen, das verspreche ich dir!"

Als ich mich umdrehte schaute ich direkt in das Feindselige Gesicht von Billy.

The Cold WorldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt