Kapitel 6

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Ich war total fertig und hätte am liebsten meine Augen geschlossen, doch ich traute der absoluten Stille auf den Strassen nicht, die nur durch das Dröhnen des Jeeps unterbrochen wurde. Müde betrachtete ich die leeren Strassen und fragte mich immer wieder dasselbe: Wie konnte das nur passieren? Waren irgendwo noch andere Überlebende? Und natürlich die finale Frage, Wo ist Joe? Ich merkte, dass meine Augen wieder drohten zuzufallen und ich richtete mich in meinem Sitz auf. Aus den Augenwinkeln betrachtete ich Eddy, der konzentriert nach vorne sah. Er hatte dunkelbraunes, kurzes Haar und helle, grüne Augen. Er sah recht kräftig aus und man erkannte sofort, dass er ein lebensfreudiger Junge war, doch im Moment sah er eher traurig aus. "Ist was?", frage ich ihn, weil ich nicht länger still dasitzen wollte. Er sah mich fragend an und ich erklärte schulterzuckend: "Du siehst scheisse aus." Eddy sah mich belustigt an und antwortete frech: "Ähm... Erstens: Hallo, Zombieapokalypse?! Zweitens: Du hast nicht zufällig mal in einen Spiegel geschaut, oder?" ich antwortete nicht, sondern klappte die Sonnenblende mit dem kleinen Spiegel runter. Ich sah sofort, was Eddy meinte; Meine Jeans und mein Top waren, noch vom Kampf mit meinem ehemaligen Dad, ganz blutbesudelt und auch mein Gesicht war mit Blutspritzern gespickt. Meine sanften, braunen Locken waren ganz verknotet und verwuschelt und das Einzige, was so aussah wie immer, waren meine meerblauen Augen. "Okay", gab ich zu, "gut gekontert! Aber was ist wirklich los?" Plötzlich wurde sein Gesicht ernst und er sagte leise: "Die Frau vorhin? Die du als erstes erschossen hast?" Ich nickte unsicher. "Was ist mit ihr?"-"Das ist meine Zwillingsschwester gewesen."

Ich starrte betroffen auf meine Knie und sagte nach einem Moment leise:"Tut mir leid. Ich wollte nicht-"-"Nein. Du darfst dich nicht entschuldigen. Du hast nur das getan, wozu ich nicht in der Lage gewesen bin. Ich habe dich angelogen; meine Pistole hatte noch Munition. Aber ich wollte nicht schiessen. Ganz einfach weil es mir in diesem Moment egal gewesen ist, ob ich sterbe." Eddy sah mir bedrückt in die Augen und ich bemerkte erst jetzt, dass der Jeep zum Stillstand gekommen war. Vor uns ragte das grosse, graue Schulhaus auf, doch ich beachtete es nicht und sagte sanft: "Ich weiss, was du meinst. Glaub mir, ich weiss es genau. Auch wegen meinem Bruder, Joe. Weisst schon, der Braunhaarige. Aber du lebst, Okay? Du lebst und deine Schwester nicht. Jetzt kannst du es nicht mehr ändern, also reiss dich zusammen und kämpfe. Auch um ihretwillen. Ausserdem sind wir zwei jetzt ein Team und du musst mir Rückendeckung geben. Alles klar?" Der letzte Satz sagte ich etwas spöttisch und Eddy lächelte mich dankbar an. Dann meinte er grinsend: "Na los, lass uns ein paar Untote abknallen und deinen Bruder finden."

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