the dark desire and its monster.

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the dark desire and its monster

2015

„Was ist an Ihrem Geburtstag letztes Jahr passiert?" Der 41-jährige Psychiater schiebt seine eckige Brille zurück und trommelt gespannt mit dem Stift auf dem leeren Papier vor sich. Es liegt auf dem altmodischen Pult zwischen uns. Heute trägt Dr. Habicht einen schlichten, grauen Anzug mit weinroter Fliege und sein grau-schwarzes Haar ist kürzer als letztes Mal. Seine Nase ist lang und erinnert an eine Birne, ist aber gut dafür geeignet, die schwarze Brille zuhalten. „Man hat Sie angeklagt, nicht wahr?"

Ich lehne mich mit verspannten Rücken im braunen Sessel mit der hohen Lehne zurück und bohre mir meine Zähne in meine Unterlippe. Sein durchdringender Blick erinnert mich mehr an ein Verhör als an den vertrauensvollen Psychiater, zu dem man mich immer angeblich schickt. Aber das ist er nicht.

„Sie wissen, dass Sie zudem stehen müssen, was Sie tun. Es ist ein Teil von Ihnen", beschwichtigt er, obwohl er sehr wohl weiß, was ich darüber denke. Dieses Verlangen gehört nicht zu mir, also muss ich nicht akzeptieren, was es tut.

„Aber das ist völlig falsch", verteidige ich mich überzeugt.

„Warum, Emilia?"

„Weil es nicht ich gewesen bin! Das hat das Verlangen verursacht!"

Dr. Habicht sieht mich vorwurfsvoll an und schreibt etwas auf. „Es ist durch Sie passiert. Ihr Körper, Ihr Geist, Ihr Handeln. Sie haben es kontrolliert."

Das ist das Problem und der Grund. Er ist der hohen Überzeugung, dass ich von mir aus ein gewalttätiger Mörder bin und mir dieses Verlangen nur einbilde, um als unschuldig angesehen zu werden. Ständig versucht er irgendwelche Geständnisse aus mir heraus zu locken, um mich endlich in den Kerker zu stecken. Aber ich lasse mich nicht einfach so als wahnsinnige Mörderin einsperren oder betiteln, immerhin kenne ich mich selbst am besten und weiß, dass ich niemals, wirklich niemals, jemand anderes umbringen könnte.

„Nun, Emilia, wenn Sie der Annahme sind, es ist nicht Ihr Verschulden gewesen, warum am 19. Dezember 2014 Ihre ehemalige beste Freundin Kendall Feyr und Ihr Freund David Thomson tot aufgefunden worden sind – dann erzählen Sie mir von Ihrem besonderen Tag."

Ich kneife die Lippen zusammen, denn ich habe die letzten Monate damit verbracht, dieses Ereignis so gut wie es mir möglich ist zu verdrängen. Daran zurückzudenken macht mich anfälliger für einen Rückfall, und ich will nicht nochmal unerwartet in einer Pfütze aus dem Blut anderer aufwachen, ohne mich daran erinnern zu können, was passiert ist. Doch ich scheine nicht anders zu können, um Dr. Habicht zu beweisen, dass ich es wirklich nicht gewesen bin. Wohl oder übel muss ich ihm dieselbe Geschichte erzählen wie dem Polizist und dem Gericht damals, und... ich muss diese fürchterliche Erinnerung aus der dunkelsten Schublade meines Verstandes herausziehen.

„Also, Emilia?" Dr. Habicht lehnt sich vor Erwartung leicht über das Pult und ist bereit, mit seinem Stift alle meine Worte auf Papier niederzuschreiben. Mittlerweile glaube ich nicht länger daran, dass er das tut, um unsere Gespräche zu dokumentieren. Er wartet bloß darauf, ein Geständnis meinerseits auf Papier zu haben, um damit zur nächstgelegenen Polizeistation zu rennen. Er hat schon lange den Glauben an meine Unschuld verloren, als ich mal eines Abends mit Blut verschmierten Klamotten bei ihm aufgekreuzt bin, weil das Verlangen so riesig gewesen ist, dass es das nächstbeste umgebracht hat. Und leider ist das der Cocker Spaniel meiner Nachbarin gewesen. Er weiß es und ich weiß es, doch durch meine Therapie und seinen früheren, älteren Tests – bei denen sogar festgestellt worden ist, dass etwas in meinem Inneren mich dazu veranlasst – bin ich als zu unfähig für einen Mord erklärt worden. Seitdem versucht Dr. Habicht seine früheren Ergebnisse zunichte zu machen. Bis jetzt erfolglos, da ich ihn schon von Anbeginn an durchschaut habe.

writing on skin. || Tom Holland FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt