II.1 - Ja

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"Ich komme, Margarethe!" Mit schweren Schritten betrete ich den Wald, dessen Dunkelheit mich sogleich verschluckt.

Vollkommene Finsternis umgibt mich, einzig das Mondlicht erkämpft sich hin und wieder einen Weg durch das dichte Blätterdach. Ich stolpere durch den Wald. Geheul begleitet mich. Eine Gänsehaut überzieht jedes Stückchen Haut meines Körpers. Ich zittere. Auf einmal ist es furchtbar kalt. Der Wind zerzaust mein Haar.

Ich muss mich beeilen. Die Sorge um meine Frau verleiht mir Flügel, ich schlage mich rasch und heftig durch das Gebüsch. Es ist so dunkel, dass ich kaum mehr meine Hand vor Augen erkenne. Mein Nacken kribbelt, ganz so als würde mich jemand beobachten. Oder etwas. Ich erschaudere. Schnell, schneller, immer weiter!

Ich haste durch den Wald. Im Mondlicht erkenne ich eine Lichtung, ich halte darauf zu. Sie ist hell erleuchtet. Die Dunkelheit erscheint neben ihr, wie von noch tieferem Schwarz zu sein. Ich spüre das Moos unter meinen Füßen kaum, sehe nicht nach links und rechts und einzig die wilden Rufe einsamer Kreaturen treiben mich noch schneller vorwärts. Ich stolpere, lande hart im Staub. Der Wald, der die Lichtung säumt, hat mich ausgespien.

Auf einmal ist alles still. Die Dunkelheit hält den Atem an, ich ebenso. Dann hebe ich vorsichtig den Blick, nicht wissend, was mich da erwartet, doch ich spüre, dass ich längst nicht mehr allein auf dieser Lichtung bin.

Vor mir im Mondlicht steht ein kleines Mädchen. Ihre blonden Zöpfe wippen im Wind. Ihre zarte Haut schimmert nahezu weiß und ihre lieblichen Lippen erscheinen in sanftem Rosa. Und doch beunruhigt sie mich. Es sind ihre Augen, die mich erstarren lassen. So schwarz wie die Nacht blicken sie in engen Schlitzen auf mich herunter. Mir wird heiß und kalt zugleich. Der Wind wirbelt Staub auf und weht ihn mir ins Gesicht. Ich wende den Kopf ab und richte mich langsam auf.
Als ich den Blick wieder über die Lichtung schweifen lassen will, erschrecke ich mich fürchterlich. Das Mädchen steht nur noch eine Armlänge von mir entfernt. Ihre Augen funkeln mich an. Das sanfte, vorgetäuschte Lächeln auf ihren Lippen verschwindet, als sie die Mundwinkel weiter nach oben zieht und spitze Zähne entblößt. Der Schrei, der mir entweichen will, verstirbt mir noch auf der Zunge.
Das Mädchen bläst mir ihren Atem ins Gesicht. Der Geruch von Fäulnis steigt mir in die Nase. Ich halte unweigerlich die Luft an.

Ein Tier heult. Blätter rascheln. Die Augen des Mädchens, das keines ist, werden immer größer, je näher es mir kommt. Ich bin wie erstarrt. Eine Wolke schiebt sich vor den Mond, es wird dunkler. Ich schließe die Augen, will den Schrecken nicht mehr sehen.

Ein Windhauch lässt mich erneut erschaudern. Vorsichtig öffne ich die Augen. Doch ich bin allein. Mit zitternden Händen streiche ich mir den Schweiß von der Stirn. Anstelle des Mädchens erkennen meine Augen etwas anderes im schwachen Licht. Der Mond lugt neugierig und wissend zugleich hinter einer Wolke hervor. Ich mache ein paar wackelige Schritte nach vorn, bis ich in der Mitte der Lichtung angelangt bin.

Vor mir, noch halb in der Dunkelheit verborgen, glaube ich einen Sack zu erkennen. Ich schaue zu, wie er umfällt und abertausende Goldmünzen aus ihm heraussprudeln. Der Reichtum scheint kein Ende zu nehmen. Fasziniert starre ich auf das Geschehen. So viel Gold - die Macht, mir alles kaufen zu können, was ich mir jemals erträumt habe. Ich lächle. Aber es ist ein kaltes Lächeln, das nicht in meinen Augen glitzert.

Ich kann mich erst von dem Anblick lösen, als ich Geschrei vernehme. Kindergeschrei. Unweit hinter mir liegt ein Säugling auf dem staubigen Boden. Verdutzt schaue ich auf das Bündel Leinentücher, in dessen Mitte ein kleiner Kopf hervor lugt.

Und plötzlich ist wieder Stille. Das Kind ist verstummt, die Goldmünzen fallen nicht mehr klirrend auf den Boden, kein Blatt regt sich. Die Dunkelheit mit ihren Schauergeschichten ummantelt mich.

"Wähle!"

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Wie entscheidest du dich?

a) "Das Gold - ich könnte meiner Frau so viel Geschmeide kaufen, schöne Kleider oder Medizin und frisches Fleisch. Das Gold wird mein Glück sein." Langsam strecke ich meine Hand danach aus.

[Gehe ein paar Schritte nach vorn und schnappe dir das Gold in Kapitel III.1]

b) Große, blaue Augen schauen mir entgegen. Sie sind noch rein und gespannt darauf die Schönheit dieser Welt zu erblicken. Vorsichtig gehe ich neben dem Kind auf die Knie und streichle ihm sanft über die Stirn.

[Nähere dich dem Säugling in Kapitel III.2]

MondglanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt