VI.3 - Ja

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Ich muss das Blut loswerden, ehe sich scharfe Zähne in meine Haut bohren.

Eilig schlage ich mich durchs Gebüsch. Ich zittere am ganzen Körper, mir ist so schrecklich kalt. Meine Kleider auszuziehen, war nicht die beste Idee, die ich heute Nacht hatte. Im Gegenteil - sie könnte meinen Tod bedeuten. Doch noch kämpfe ich. Für Margarethe.

Ich renne, stolpere, falle zu Boden und stehe wieder auf. Innerlich sporne ich meine Beine an, ich muss weiter. Immer weiter.

Jaulend pfeift der Wind durch das Geäst, die Blätter rascheln und flüstern mir ihre Geschichten zu. Ich bin zu sehr in Eile, um ihnen zu zuhören. Bedrohlich knarzt das Holz, die Bäume schwanken, Schatten bewegen sich. Sie verbergen Wesen, um deren Existenz ich nicht wissen möchte. Ich haste weiter.

Endlich erkenne ich den See. Silbern schimmert er mir in der Dunkelheit entgegen. Erleichtert lasse ich mich an seinem Ufer nieder und strecke die Hände ins Wasser. Es ist eiskalt. Ich zucke zurück. Dann forme ich mit meinen Händen eine Kuhle und schöpfe das kalte Nass aus dem See. Rasch schütte ich es mir über die Schultern. Die Kälte brennt auf meiner Haut. Ich beiße die Zähne zusammen.
Nach ein paar Minuten ist mein Rücken vollkommen kalt, fast schon erfroren. Doch ich kann spüren, dass an einigen Stellen noch verkrustetes Blut klebt. Mühsam verrenke ich mich, um es abzukratzen, nachdem ich es mit kaltem Wasser eingeweicht habe.

Als ich meinen Blick zum Waldrand schweifen lasse, bleibt mir das Herz stehen.

Wölfe.

Abertausende Augen leuchten in der Dunkelheit zwischen den Bäumen hervor.

Zum Waldrand kann ich nun nicht mehr, ich drehe den Kopf und sehe den See.

Erschaudernd schön erstreckt er sich vor mir. Sein Wasser reicht weit, das nächste Ufer ist fern.

Doch ich habe keine andere Wahl. Als das erste Knurren unweit hinter mir erklingt, stürze ich mich beherzt in die Fluten. Meine kräftigen Armbewegungen schlagen Wellen, die zum Ufer zurück kehren.

Es dauert nicht lange, da merke ich, dass ich verloren habe.

Alles an meinem Körper scheint einzufrieren. Mühevoll versuche ich voran zu kommen, mich über Wasser zu halten. Doch bald schon durchzuckt mich der erste Krampf, dann ein zweiter. Hilflos zapple ich im kalten Nass. Mein Körper brennt vor Kälte.

Ich schlucke Wasser. Ich schmecke den Mondschein darin und gleich darauf wird mir schwarz vor Augen.

Mein Herz stolpert, kämpft vergeblich.

Ich hauche meinen letzten Atemzug in die nächtliche Luft. Er formt sich zu einer feinen Wolke, die zu den Sternen schwebt. Als mein Körper auf den Grund des Sees sinkt, folge ich ihm schwerelos.

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Oh, es tut mir so leid, mein Freund. Du warst so nah an deinem Ziel. Nun bleibt mir nichts anderes übrig, als dir eine gute Reise zu wünschen. Ich werde am Sternenhimmel nach dir Ausschau halten!

MondglanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt