V.3 - Nein

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Unmerklich schüttle ich den Kopf. Ich starre immer noch auf die viel zu spitzen Zähne. In meinen angstvoll geweiteten Pupillen spiegelt sich das Mondlicht.

Noch einmal schüttle ich den Kopf und weiche einen Schritt zurück. Fieberhaft suche ich nach einer anderen Lösung. Meine Gedanken überschlagen sich und kreisen wild umeinander. Sie verdrängen einander, überschatten sich und werden zu einem einheitlichen Brei aus Hilferufen und Angstschreien.

Mein Blick huscht umher, hofft, in der Dunkelheit etwas Hilfreiches zu erkennen. Doch nur die Schwärze drängt sich mir entgegen. Meine Knie zittern, die Angst verwandelt sich in Panik. Ein Unwetter zieht auf, kalter Wind weht zwischen den Bäumen hindurch und bringt sie bedrohlich zum Schwanken.

Das Fläschchen mit dem heilenden Trank für meine Frau gerät in mein Blickfeld. Finger mit langen Krallen schließen sich darum. Mir stockt der Atem.

"Ich gebe sie dir, wenn du mir deine Kleider reichst."

Bedrohlich schweben die Worte vor mir in der Luft, ehe ich sie recht begreifen kann. Jegliche Fragen, die sich sofort in meinem Kopf auftürmen, schiebe ich beiseite. Ich habe keine Zeit, sie zu Ende zu denken. In wenigen Sekunden habe ich meine Kleider abgeworfen, sie in den Staub geschmissen und strecke nun vorsichtig die Hand nach dem Fläschchen aus.

Wortlos reicht sie es mir. Ihre Finger berühren meine. Es ist wie ein Stromschlag. Das Adrenalin pulsiert in meinen Adern. Ich balle meine Hände zu Fäusten, bereit mich zu wehren.

Abermals begegnet mir ein hinterhältiges Lächeln. Ich starre in eiskalte Augen. Was ich darin sehe, lässt mir das eben noch feurige Blut gefrieren. Hunger schreit mir entgegen, will mich zu sich ziehen. Doch ich sehe noch etwas anderes. Eine Art von Gier, die mich erschaudern lässt. Ich kann es nicht genau beschreiben, jedoch schwant mir Schreckliches. Meine Gliedmaßen werden steif, mir ist kalt.

Die Frau mit den üppigen Kurven und den furchteinflößendem Gesicht rückt ein paar Schritte näher, berührt meine Kleider und augenblicklich verschwinden diese. Erstaunt blicke ich auf den leeren Fleck zu meinen Füßen.

Doch die Frau hält ihr Versprechen. Sie reicht mir das Fläschchen für das ich so lange gekämpft habe und mustert mich eingängig. Mir ist unwohl unter ihrem heißen Blick. Der Wind zischt kalt über meine Haut hinweg und hinterlässt eine Gänsehaut.

Ich umklammere das Fläschchen fester und bedecke mit der anderen Hand mein Gemächt. Ihr höhnisches Lachen schallt mir in den Ohren. Sie kommt noch näher, nur noch wenige Zentimeter trennen uns voneinander. Ich spüre ihre Finger noch bevor sie meine Haut tatsächlich berühren. Sie streicht mir über die Schultern und den Rücken hinab. Ich erschaudere.

"Bis bald."

So verführerisch ihre Augen mich auch ansehen, rufen sie kein Verlangen hervor. Angst schießt mir in den Kopf und bringt mich dazu augenblicklich loszulaufen.

Nach ein paar Metern wage ich einen Blick nach hinten, doch ich sehe nichts mehr. Die Frau ist verschwunden. Ich blicke auf das Fläschchen in meiner Hand.

Oh, Margarethe.

"Bis bald", schallt es leise in meinem Kopf. Selbst dieses Echo erzeugt noch Schauer, dir mir den Rücken hinab rinnen. Der Wind pfeift eisig. Dunkel und bedrohlich schieben sich dicke Wolken über das Himmelszelt.

Ich kämpfe mich durchs Gebüsch. Äste schlagen mir entgegen, tauchen plötzlich in der Dunkelheit auf und nicht immer kann ich mich rechtzeitig ducken. Ein besonders spitzer Ast reist mir die Haut an meiner Schulter auf. Ich streiche darüber und spüre Blut - viel Blut. Erschrocken bleibe ich stehen und betaste meine Schultern, dann so gut es geht meinen Rücken. Überall klebt Blut - viel zu viel Blut, doch es ist nicht mehr frisch. Ich erinnere mich mit einem flauen Gefühl im Magen, wie die Frau vor ein paar Minuten über meine Haut strich. Sie hat mich mit Blut beschmiert.

Ein Blitz zuckt über den Nachthimmel. Genauso schlagartig durchfährt mich die Erkenntnis. Das Blut soll die Wölfe anlocken und wer weiß, was für dunkle Kreaturen dieser Wald noch bereit hält.

"Bis bald."

Der Wind scheint es zu flüstern. Plötzlich fühle ich mich beobachtet und verfolgt. Die Nacht versteckt viele stumme Augen.

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Wie entscheidest du dich?

a) Ich muss das Blut loswerden, ehe sich scharfe Zähne in meine Haut bohren.

[Nimm einen Umweg zum See und säubere dich in Kapitel VI.3]

b) Die Zeit rennt. Sie flieht schneller als ich ihr folgen kann.

[Verzichte auf das reinigende Wasser und helfe rasch deiner Frau in Kapitel VI.4]

MondglanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt