IV.1 - Nein

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Den Blick stur nach vorn in die Dunkelheit gerichtet, tragen mich meine Beine weg von dem schauerlichen Ort. Nach ein paar Sekunden sind die Schreie verstummt. Das Kind ist tot.

Ich schleppe mich weiter, meine Augen irren ziellos im Dunkeln umher. Ich weiß nicht mehr, wo ich bin. Die Nacht lässt jeden Winkel dieses Waldes gleich aussehen, schwarz und ungemütlich. Ein Schauer überläuft meinen Rücken, es schüttelt mich. Ich bleibe stehen und lausche in die Dunkelheit. Nichts. Einzig der Wind schaukelt die Blätter in den Schlaf. Die Angst ist verflogen, stattdessen kriecht nun die Müdigkeit wieder in meine Knochen. Ich darf nicht schwach werden. Weiter, immer weiter.

Ich hebe meinen Blick zu den Sternen. Margarethe. Ich werde bald bei dir sein.

Vielleicht vergingen Stunden, vielleicht auch nur Minuten, ich habe jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren. Planlos tragen meine Füße mich weiter, dem nächsten Abenteuer entgegen.

Ich rieche sie, bevor meine Augen sie in der Dunkelheit erkennen können.

Vor mir steht eine junge Frau, ihr Gesicht ist im Schatten ihrer Kapuze verborgen. Langes, hellblondes Haar fließt in weichen Wellen darunter hervor. Der Geruch eines sehr starken, bittersüßen Parfums steigt mir in die Nase. Ich bewege mich nicht.

Langsam gleitet ihre Hand über den schweren Stoff ihrer Kutte. Der Mantel fällt zu Boden. Zum Vorschein kommt eine bildhübsche Frau mit weiblichen Kurven, die unter weißem, dünnem Seidenstoff hindurch schimmern. Ihre Haut ist blass und ihre Augen gleichen dem Mond, der neugierig das Schauspiel verfolgt. Mein Herz rennt, stolpert und fällt. Mit ihren kalten Händen umgreift sie es, die dünnen Spinnenfinger halten es fest. Ich bin verloren.

Donnergrollen. Blitze zucken durch die Dunkelheit, zerreißen den schwarzen Himmel. Der Mond sucht Schutz hinter grauen Wolken.

Meine Zeit rennt, sie entrinnt mir zwischen den Fingern wie die Regentropfen, die meine Haut benetzen.

Elfengleich nähert sich die Frau mir, meine Füße bewegen sich auf sie zu, ohne dass ich es will oder ihnen befohlen hätte. Die Angst steht mir ins Gesicht geschrieben, die Antwort darauf ist ein zynisches Lächeln. Ich schließe die Augen, ich will nicht wissen, was mich erwartet.

Die einzelnen Tropfen verwandeln sich in einen Regenguss. Das kühle Nass durchweicht meine Klamotten, dringt durch meine Haut und schießt mir ins Blut. Schlagartig bin ich wieder hellwach. Adrenalin lässt meine Brust anschwellen, ich werde nicht klein beigeben.

Wieder begegnet mir ein wissendes Lächeln, sanft liegt es auf ihren Lippen, doch eiskalt ist die Absicht dahinter.

Mein Haar klebt mir in der Stirn, mürrisch wische ich es weg. Der Regen hat nachgelassen, die Wolken sind weiter gezogen. Zurück bleibt der unendliche Sternenhimmel und eine Frau, deren Vorhaben ich nicht durchschauen kann.

Wie eine Wölfin umkreist sie mich, rückt immer näher, umgarnt ihre Beute. Auf ihrer Haut glitzern feinste Regentropfen, sie zerstreuen das Mondlicht und lassen sie strahlen. Jede ihrer Bewegungen ist grazil und genau geplant.
Direkt vor mir kommt sie zum Stehen und streicht mir sanft über die Wange. Eine Gänsehaut überzieht meinen Körper.

Ein paar Augenblicke verbringt sie damit, mir tief in die Augen zu sehen. Ich will meinen Blick abwenden, doch nichts an meinem Körper gehorcht mir. Lediglich meine Gedanken sind so unantastbar wie die Sterne.

Die Sekunden schmelzen dahin wie Schnee unter der heißen Sonne.

Bedacht und jede meiner Regungen beobachtend zückt sie ein Fläschchen. Eine grüne Flüssigkeit schimmert darin. Ich taste meine Hosentasche ab. Leer.

Oh, Margarethe.

Ein höhnisches Lachen erklingt. Ich zucke zusammen. Es ist kein Lachen von dieser Welt. Es stammt aus den unentdeckten Tiefen der Finsternis.

"Willst du es wieder?"

Ich hatte mit einer zarten, hohen Stimme gerechnet, die diesem Körper innewohnte. Stattdessen aber erklangen die Worte schauerlich und dunkel. Wieder übermannt mich eine Gänsehaut, gefolgt von einem Frösteln, das mir den Rücken hinunter läuft.

Strahlend weiße Zähne blitzen zwischen den blassen Lippen hervor.

"Dann küss mich."

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Wie entscheidest du dich? Wähle mit Bedacht.

a) Unmerklich schüttle ich den Kopf. Ich starre immer noch auf die viel zu spitzen Zähne. In meinen angstvoll geweiteten Pupillen spiegelt sich das Mondlicht.

[Suche nach einer anderen Lösung in Kapitel V.3]

b) Meine Lippen berühren die ihren. Ich schmecke Blut.

[Befolge ihren Befehl, um die Medizin zu erhalten in Kapitel V.4]

MondglanzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt