12. Clara

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Clara,

wahrscheinlich wirst du dich wundern, warum ich dir schreibe. Wir haben uns seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen, du hast sicherlich nicht ein einziges Mal an mich gedacht, seit wir Schluss gemacht haben und ich weggezogen bin und ich bin mir ganz sicher, dass du mittlerweile jemand besseren gefunden hast. Jemanden, der dir das geben kann, was ich nicht konnte.

Aber wenn du meinen Brief liest, dann bin ich schon tot. Und obwohl wir uns seit zwei Jahren nicht gesehen haben und wir uns auch nur knapp ein Jahr kannten, könnte ich nicht einfach sterben, ohne dir noch ein paar letzte Worte mitzugeben.

Als du damals Schluss gemacht hast, habe ich dich gehasst. Ich habe dir alles Schreckliche der Welt gewünscht, weil du mir so egoistisch und dumm vorkamst und dafür will ich mich entschuldigen. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du mit mir zusammenbleibst, obwohl du nicht mehr das für mich empfunden hast, weswegen wir anfangs überhaupt zusammengekommen sind. Ich sollte lieber dankbar für diese wunderschönen acht Monate sein, die wir zusammen hatten. Auch wenn sie manchmal eine kleine Tortur für mich waren, mit all diesen Shoppingtouren und dem Fingernägellackieren. Clara, ich wusste immer, dass du eine Prinzessin bist. Schon, als ich dich damals kennengelernt habe, als ihr gegenüber von mir eingezogen seid. Dein Zimmer hatte rosafarbene Wände und an deiner Kleidung konnte man immer Glitzer finden. Du mochtest alles Teure und funkelnde und du hast dich immer nach deinem Traumprinzen gesehnt.

Andere hielten dich für eindimensional. Für dämlich und materiell. Aber ich wusste immer, dass du ein guter Mensch warst. Ja, du mochtest alles, was man mit Mädchen in Verbindung bringt, wie Shopping und Schuhe und Pink und Glitzer, aber was ist daran verkehrt? Du hast immer zu dem gestanden, was du bist. Du hast dich nicht verstellt. Du mochtest pinkes und teures Zeug, aber du hast auch deine Familie und deine Freunde geliebt.

Clara, du warst sicherlich vieles, aber nicht dämlich. Ich fand immer, dass deine intellektuellen Stärken eben nicht in der schulischen Laufbahn lagen, sondern eher im Leben. Du hast immer gewusst, was du vom Leben erwartest. Und nur weil du den perfekten Mann finden wolltest, damit du ein gutes Leben in einem behüteten Heim führen konntest, heißt das noch lange nicht, dass du eine egoistische Person bist. Oder faul. Oder dämlich.

Ich weiß, du meintest es nicht böse, als du mit mir Schluss gemacht hast. Du gabst meiner Krankheit die Schuld daran, dass ich nicht dein Traumprinz war und damals habe ich dich dafür gehasst. Heute verstehe ich dich. Meine Krankheit ist nun mal schuld daran. Ich bin nicht dein Traumprinz und ich war es nie. Aber ich hoffe vom ganzen Herzen, dass du deinen Traumprinzen finden wirst. Dass du diesen einen Menschen findest, der dir nicht nur Teddybären auf dem Jahrmarkt gewinnt, weil du seine Freundin bist und er hofft, dann ein bisschen mit dir auf dem Schulparkplatz zu knutschen, sondern weil er dich wirklich liebt und dich glücklich machen will. Ich hoffe, dass du jemanden finden wirst, der dir eine riesige, rosafarbene Prinzessinnentorte zum Geburtstag backen kann und der mit deinen beiden Geschwistern zurechtkommt und jemanden, der sich für Halloween mit dir als Ritter und Prinzessin verkleidet. Ich hoffe, dass du jemanden findest, der dich so sehr liebt, dass er mit dir auf ein Justin Bieber Konzert gehen wird, obwohl er diesen kleinen Wicht verabscheut.

Ich hoffe einfach nur, dass du glücklich wirst und dass du keinen Groll gegen mich hegst, so wie ich keinen mehr gegen dich hege. Eine Zeit lang waren wir glücklich und ich habe mich dank dir viel stärker und mutiger gefühlt. Als wir zusammenwaren, habe ich mir immer wieder sagen müssen, dass das alles kein Traum war. Dieses wunderbare Mädchen war wirklich meine Freundin und wünschte mir wirklich jeden Abend eine Gute Nacht mit einem Kuss-Emoji dahinter, weil sie mich wirklich, wirklich mochte.

Ich war nicht immer der beste feste Freund, das weiß ich. Aber das war alles neu für mich, musst du wissen. Du warst meine erste, richtige Freundin. Vor dir hatte ich keine wirklichen Beziehungen und ich wollte es nicht kaputt machen, indem ich irgendwie klammere. Ich habe dich wirklich gemocht und wären wir noch länger zusammengeblieben, dann hätte ich dir wahrscheinlich auch irgendwann gesagt, dass ich dich liebe. Aber dazu sind wir nie gekommen.

Du hast mir das Herz gebrochen und es ist wieder geheilt und ich bin dir dankbar, dass du es getan hast. Denn wir wären beide nicht glücklich in dieser Beziehung gewesen. Du nicht, weil ich nicht der richtige für dich bin, und ich nicht, weil ich nicht die Gefühle für dich aufbringen konnte, die du verdient hast.

Wahrscheinlich war das erste Zeichen, dass wir nicht zusammenpassen, dass deine Katze Lady mich nicht gemocht hat, obwohl mich sonst wirklich alle Katzen lieben. Aber ich schreibe dir eigentlich nicht, damit ich unsere Beziehung entschuldige.

Ich schreibe dir, damit ich mich bei dir entschuldigen kann, bevor ich gehe. Einerseits entschuldige ich mich für die starken, negativen Gefühle, die ich für dich empfunden habe, als wir uns getrennt haben. Und andererseits entschuldige ich mich, dass ich nicht früher mit meinen Gefühlen reinen Tisch gemacht habe und mich an dich gehalten habe, obwohl wir beide wussten, dass das ein Fehler war. Aber ich war feige. Ich wollte es mir nicht eingestehen. Ich wollte nicht das kaputt machen, was ich hatte, um etwas nachzujagen, was ich nicht bekommen könnte.

Und das tut mir leid. Es war unfair dir gegenüber und ich wünschte, ich könnte mehr tun, als dir nur eine Entschuldigung zu schreiben. Aber für mehr habe ich, befürchte ich, keine Zeit mehr.

Du sollst nur wissen, dass es mir wirklich, wirklich leidtut, was für ein Arsch ich war und dass du Recht hattest. Du hast jemanden besseren als mich verdient.

Irgendwann wirst du jemanden finden, der dich als die Prinzessin behandelt, die du wirklich bist, Clara.

Ich weiß es einfach.

Es tut mir leid.

In Liebe,

Nick.

Marchin OnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt