7. Aaron

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Aaron,

oh Junge. Oh Junge, Junge, Junge. Weißt du, ich wusste eine ganze Zeit lang nicht, ob ich dir überhaupt schreiben sollte. Du bist einer meiner besten Freunde und ich kann schon gar nicht mehr an eine Zeit erinnern, in der wir nicht befreundet waren, aber... aber mittlerweile befürchte ich, dass ich einfach nur eine Ablenkung wäre. Du bist gerade erst Vater geworden, bist frisch verlobt. Und ja, ich weiß, du wolltest, dass ich dein Trauzeuge werde, aber ich glaube, dass das nicht mehr ganz so möglich sein wird. Es sei denn, ihr beide heiratet in den nächsten Tagen.

Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir aus dem einfachen Grund eigentlich nicht schreiben, weil du jetzt eine Familie hast, um die du dich kümmern musst. Und wenn ich jetzt sterbe, dann wird dich das in einen emotionalen Schock versetzen, obwohl du kein emotionaler Mensch bist und ich weiß, dich wird mein Tod sicher mitnehmen, auch wenn du eigentlich schon seit unserem Kennenlernen vor einer Million Jahren davon weißt. Aaron, ich weiß doch auch nicht weiter. Du hast ein Kind, du hast bald eine Frau. Du brauchst jetzt keinen toten besten Freund, der dich runterzieht.

Und weil ich spüre, dass mich das selber emotional viel zu sehr mitnimmt, werde ich deinen Brief kurzhalten müssen. Ich will mich an die guten Sachen erinnern.

An die Winternächte, die wir beide zusammen mit Colin auf dem zugefrorenen See verbracht haben und einfach nur die Sterne beobachteten. An dieses eine Mal, als du mir etwas erzählen wolltest, die Treppe hochgerannt kamst und dann vor Aufregung einfach wieder heruntergepurzelt bist. Ich hab noch nie so sehr gelacht und war gleichzeitig so besorgt gewesen, ehrlich. Immerhin hast du dich nicht verletzt.

Was mich immer glücklich gemacht hat, war, wenn du das T-Shirt mit der 'Never skip leg day'-Aufschrift getragen hast, welches ich dir geschenkt habe. Du hast immer gesagt, es sei eines deiner liebsten und ich weiß auch nicht... alleine das hat mir gereicht. Dich hat es glücklich gemacht, also hat es mich glücklich gemacht.

Du verbringst mehr Zeit im Bad als deine Zukünftige, du isst nie Süßigkeiten und deine Nachtschrankdekoration besteht aus einem Paar zwanzig Kilogramm Hanteln und obwohl wir uns so unglaublich unterschiedlich sind, hatte ich nie das Gefühl, dass wir uns nicht perfekt verstehen würden. Du bist der sportlichste Typ, den ich kenne und ich kann das jetzt schreiben, ohne mich komisch dabei fühlen, wenn du es lesen wirst, weil dann werde ich tot sein und kann nicht mehr rot werden, aber ich fand immer, dass du einer der attraktivsten Typen bist, die ich je gesehen habe.

Das einzige, was ich wirklich bereue, ist, dass wir es immer wieder verschieben mussten, dass du mir das Pianospielen beibringst. Du hattest immer so viel zu tun und wenn du dann mal konntest, konnte ich meistens nicht und es war einfach unglücklich, aber ich bereue es. Dein Pianospiel ist wunderschön. Ich konnte nie genug davon bekommen. Genau wie dein Gitarrenspiel. Eigentlich jedes der tausend Instrumente, die du spielst. Wie kann ein Mann nur so viel Sport machen und trotzdem noch so viele Instrumente beherrschen und dazu auch noch eine perfekte, gesunde Beziehung führen? Verrate der Welt dein Geheimnis, Aaron. Das bist du mir schuldig.

Nein, das sollte ich nicht sagen. Du bist mir gar nichts schuldig. Ich meine, ich habe dich ja sogar weinen sehen! Okay, es war nur auf Kamera, aber das zählt auch. Wobei wahrscheinlich so gut wie jeder Mann bei der Geburt seines Kindes weinen würde, egal wie taff er ist.

Die einzige Zeit, die wir verstritten waren, war grauenvoll. Es waren vielleicht nur zwei Wochen, du erinnerst dich bestimmt daran, aber dennoch. Ich bin nach einem unserer Trainingssessions zusammengebrochen, weil ich mich überanstrengt habe und du hast dich danach geweigert, mich weiter zu trainieren. Ich meine, ich hab es damals schon verstanden, dass du recht hattest, aber trotzdem war ich so unglaublich sauer auf dich. Ich hab für einen Egoisten gehalten. Ich hab gedacht, du wolltest einfach nur mehr Zeit für dein eigenes Training haben und hab dabei nicht an deine Gefühle gedacht.

Ob ich mich jemals dafür entschuldigt habe, weiß ich nicht, deswegen werde ich das jetzt hier tun. Aaron, es tut mir leid, dass ich so ein Arsch war. Es stand mir nicht zu, dich so zu behandeln. Du warst immer gut zu mir, warst geduldig und gutmütig und so habe ich es dir gedankt. Mittlerweile bringen meine Entschuldigungen und Worte nicht mehr viel, aber ich will trotzdem, dass du weißt, dass ich dich liebe, Aaron. Du gehörst zu meiner Familie. Du bist ein wahnsinnig großer Teil meines Lebens und ich weiß nicht, ob das seltsam klingt. Und ich weiß nicht, ob es überhaupt nötig ist, dass dazuzuschreiben, aber meine Gefühle für dich sind rein platonisch. Ich liebe dich so wie ich meinen Bruder liebe.

Deine baldige Frau muss sich also keine Sorgen machen.

Nicht, dass ich je eine Chance bei dir haben würde.

Du bist zu gut für mich, Aaron. Das warst du immer. Und das wirst du immer sein.

Es tut mir leid, dass ich nicht sehen kann, wie dein Sohn aufwächst und dass ich nicht bei deiner Hochzeit dabei sein kann. Ich hoffe, du findest noch einen besseren Trauzeugen als mich. Jemanden, der nicht abspringt und der dich nicht enttäuschen wird. Ich würde ja Colin vorschlagen. Vielleicht lässt er dich nicht hängen. Ich weiß, er hat ein gutes Herz, unser Colin. Und ich muss mich jetzt seinem Brief widmen, denn ich merke, dass meine Finger mit all den ungesagten Dingen zittern, die ich aufschreiben muss. Es ist zu lange her, dass ich ihn gesehen habe.

Du bist ein toller Mensch, du wirst ein noch besserer Ehemann und ich weiß, du wirst ein unglaublich guter Vater werden. Deine Familie hat wirklich Glück mit dir, Aaron. Jeder, der dich kennt, kann sich glücklich schätzen.

In platonischer, familiärer Liebe,

Nick.

Marchin OnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt