Kapitel 32

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Alles ging so unfassbar schnell. Remus und ich packten alles zusammen, was wir besaßen. Nur die Möbel blieben zurück. Am nächsten Mittag kam Kingsley Shacklebolt vorbei um uns zum neuen Hauptquartier des Orden des Phönix zu eskortieren. An Remus' Arm und mit einem großen Koffer in der Hand apparierte ich in eine ruhige Gegend Londons. Die Straße war übersäht mit Muggelhäusern. Keiner schenkte uns seien Aufmerksamkeit, als wir auf die Häuser Nummer elf und dreizehn zusteuerten. Die Gegend wirkte zwar ruhig, aber auch heruntergekommen. Ich fragte mich wirklich, wie meine Vorfahren väterlicherseits in so eine Gegend ziehen konnten. "Wo genau müssen wir hin?", fragte ich, aber Kingsley Shacklebolt gab Remus und mir ohne ein Wort zu sagen, einen Zettel. Rasch las ich ihn. Das Hauptquartier des Phönixordens befindet sich im Grimmauldplatz Nummer 12. Als ich wieder aufsah, schob sich ein weiteres Haus zwischen die anderen. Die Muggel schienen davon nichts mitzubekommen. Kingsley hielt uns die Haustür auf und ich betrat unsicher Grimmauldplatz Nummer 12.

Drinnen war es dunkel und die Luft war abgestanden. "Geh einfach weiter, Skyla", meinte Remus. Orion, den ich ausnahmsweise in einen Käfig gesetzt hatte, begann zu protestieren, als ich weiterlief und schlug immer wieder gegen die Gitterstäbe. Meine Hand umklammerte den Koffergriff etwas fester und ich ging weiter. Es war ganz still, ich konnte mich sogar atmen hören. Langsam ließ ich den dunklen Flur hinter und betrat eine große Empfangshalle. Hier war es heller, aber nicht unbedingt freundlicher. Eine lange Treppe führte nach oben und etliche Türen führten in andere Räume. Auf einmal begann jemand ohrenbetäubend zu schreien, so laut, dass ich erschrocken Eulenkäfig und Koffer fallen ließ, um mir die Ohren zuzuhalten. Der Lärm kam von einem Gemälde, das eine Frau zeigte. Sie regte sich fürchterlich auf und kreischte entsetzliche Fluche. Während sie so schrie, besah ich sie mir dennoch näher. Sie hatte schwarze Haare, die zu einer strengen Frisur auf ihrem Kopf aufgetürmt waren. Ihre grauen Augen funkelten mordlustig und ihre Lippen hatten die Farben von getrocknetem Blut, die sich deutlich von ihrer blassen Haut abhoben. Sie trug viel Schmuck und strenge, aber teure Kleidung. Würde sie nicht seit Minuten Muggel beleidigen, wäre sie sicherlich eine eindrucksvolle Persönlichkeit. So aber erinnerte sie mich an eine mörderische Psychopatin, der man besser aus dem Weg gehen sollte. Erschrocken zuckte ich zusammen, als jemand neben mir einen Vorhang über das Gemälde zog. Sofort wurde es wieder still. Mein Vater lächelte mich an. "Hallo Amy. Es freut mich, dass du bereits deine Großmutter kennengelernt hast."

Immer noch etwas ungläubig saß ich mit Remus, Kingsley und Sirius in der Küche. "Meine Großmutter war eine Psychopatin mit einem ausgeprägtem Hass auf Muggel, mein Onkel ein toter Todesser, mein Großvater ein unterwürfiger Hausmann und mein Vater ein ausgebrochener Mörder", fasste ich zusammen. "Ich kann kaum erwarten, was meine Zukunft noch bringt", fügte ich sarkastisch hinzu. Sirius schmunzelte etwas. "Ja, es war immer wunderbar hier zu leben, dass kannst du mir glauben." "Wieso bist du nicht einfach  abgehauen?" "Das bin ich und ich wäre nicht freiwillig wieder hierher gekommen, dass kann ich dir versichern." Ich hatte erst zwei Räume dieses Hauses gesehen, konnte aber jetzt schon sagen, dass es schrecklich war. Meinen Koffer hatte Sirius in ein Zimmer im ersten Stock verfrachtet. "Die Weasleys werden am Ende dieser Woche kommen", erklärte Remus, "und wir haben Hermine Granger ebenfalls eingeladen. Sie kommt in zwei Wochen." "Und was ist mit Harry?", fragte ich. "Dumbledore hat verboten, ihn jetzt schon hierher zu holen. Du darfst ihm euch nicht schreiben, was hier vor sich geht, Skyla. Hast du mich verstanden?" "Aber Remus! Harry hat ein Recht zu erfahren, was passiert. Er hat Du-weißt-schon-wen bekämpft." "Dumbledore hat es so angeordnet und wir halten uns daran." Remus warf Sirius einen langen Blick zu. "Wir alle halten uns daran." Sirius verdrehte die Augen und ich verschränkte die Arme. Wir waren beide nicht einverstanden, aber musste uns wohl fügen. "Ich gehe mir jetzt mal mein Zimmer anschauen", meinte ich und stand auf. Die drei Männer vertiefte sich wieder in ein Gespräch. Sirius hatte leider nicht gesagt, wo im ersten Stock mein Zimmer war. Deshalb stand ich jetzt vor einem kleinen Problem. Allein der erste Stock war größer, als unser ganzes Haus. Auf gut Glück probierte ich einige Türen aus. So betrat ich erst ein Badezimmer, dann einen leeren Raum und zuletzt eine Art Büro. Neugierig ging ich auf den großen Schreibtisch zu. Alles war von einer dicken Staubschicht überzogen. Die Pergamentseite zerfielen schon fast, als ich sie anfasste. Die Handschrift war so eng und klein, dass ich es kaum lesen konnte. Der Stuhl knarzte, als ich mich setzen wollte, deshalb blieb ich lieber stehen. Ich versuchte die Schreibtischschubladen zu öffnen. Die Erste war verschlossen, die Zweite leer. Als ich die Dritte aufziehen wollte, hörte ich schlurfende Schritte. Ich lugte über den Schreibtisch, konnte aber niemanden sehen. "Es ist verboten, Master Blacks Schreibtisch zu öffnen", sagte auf einmal eine Stimme neben mir. Erschrocken fuhr ich herum und erkannte einen uralten Hauselfen. "Wer bist du?", fragte ich überrascht. Der Hauself murmelte zu sich: "Seltsames Mädchen, bestimmt ein Schlammblut. Haus ist voll mit fremden Schlammblütern." "Nein, nein. Meine Eltern waren beide reinblütig", erklärte ich und fragte mich im selben Moment, warum ich das überhaupt tat. Trotzdem schien der Hauself mich jetzt neugierig zu mustern. "Ich bin Skyla Lupin. Naja, eigentlich Black. Und wer bist du?" "Black..." Er besah mich jetzt näher. "Schwarze Haare", murmelte er, "graue Augen, feine Gesichtszüge. Ja, eine Black. Tatsächlich. Kann nur die Tochter von Master Regulus sein." "Nein, Sirius Black ist mein Vater", erklärte ich weiter. "Der Verräter hätte niemals eine so feine Tochter. Aber Master Regulus hatte keine Frau. Vielleicht hat er sie Kreacher nicht vorgestellt, vielleicht hat Kreacher Master Regulus verärgert, vielleicht..." Ich unterbrach ihn. "Du bist also Kreacher, freut mich. Und ich muss dich enttäuschen, Regulus Black ist mein Onkel, nicht mein Vater." Kreacher schüttelte den Kopf. "So viel Gutherzigkeit, wie Master Regulus." Verwundert legte ich den Kopf schief, beschloss aber, den Hauselfen nicht noch einmal zu korrigieren. Ich wandte mich wieder dem Schreibtisch zu und ignorierte das unheimliche Gemurmel des Hauselfen. In der Schublade befanden sich einige leere Pergamentseite, eine alte Feder und eingetrocknete Tinte. Enttäuscht wollte ich die Schublade schon wieder schließen, als mir eine kleine Tabakdose unter dem Pergament auffiel. Rasch räumte ich alles zur Seite und besah mir die silberne Dose. Sie war hübsch verziert und war bestimmt einmal edel gewesen, aber das Silber war angelaufen. Ich streckte meine Hand aus, um sie zu öffnen, als die Tabakdose plötzlich zum Leben erwacht und nach meiner Hand schnappte. Erschrocken schrie ich auf, aber die Tabakdose hatte sich in meiner Hand verbissen und ließ nicht mehr los. Es tat schrecklich weh und Blut tropfte langsam an der Dose herunter, als ich versuchte die scharfen Kanten von meiner Hand zu lösen. Kreacher, neben mir, hatte die Augen weit aufgerissen und kam zögerlich näher. "Miss, sie sollten doch wissen, dass Master Black seine Tabakdose verzaubert hat." "Hilf mir lieber", wimmerte ich. Kreacher nickte und wollte mir gerade zur Hilfe kommen, als Sirius und Remus in den Raum stürmten. "Skyla?" "Kreacher, was hast du ihr getan?" "Nichts. Kreacher wollte helfen." "Raus hier! Sofort!" Mit eingezogenem Kopf schlurfte der Hauself davon, nicht ohne mir noch einen langen Blick zuzuwerfen. Ich hörte ihn murmeln: "Ganz wie Master Regulus, die junge Miss." Remus ließ sich neben mich fallen. "Skyla, was hast du gemacht?" "Ich wollte nur die Dose öffnen, da hat sie nach meinem Finger geschnappt. Jetzt lässt sie nicht mehr los." "Vater hat diese verdammte Tabakdose verzaubert", schimpfte Sirius und zog seinen Zauberstab. Vorsichtig tippte er auf die Dose und sie ließ meine Hand los. Remus zog ein Taschentuch aus seiner Tasche und wickelte es um meine Hand. Sofort saugte es sich mit Blut voll. "Ich habe Diptam dabei, Skyla. Komm, wir verarzten das erstmal." Er half mir auf und begleitete mich nach unten.

"Was hast du bloß gemacht?", fragte mich Sirius kopfschüttelnd und besah sich meine Hand besorgt. "Ich war nur neugierig. Ich konnte ja nicht wissen, dass diese Tabakdose mir die Hand abbeissen will." "In diesem Haus ist alles verzaubert. Schwarzmagische Gegenstände, überall." Dad schüttelte den Kopf. "Du kannst mir nicht glauben, wie froh ich war, als ich hier raus gekommen bin." Ich konnte es mir sehr gut vorstellen. "Dad, darf ich dich mal was fragen?" "Klar, Tätzchen. Alles." "Kreacher hat gesagt, ich sähe aus wie dein Bruder Regulus." "Hör auf die alte Fledermaus nicht. Er lebt schon länger als ich und ist schlimmer als meine Mutter." "Aber wieso sollte ich so aussehen, wie mein Onkel." "Amy, selbst meine Oma und Opa hatten schwarze Haare und die grauen Augen der Blacks. Wir sehen uns alle ein bisschen ähnlich. Kreacher wird einfach gedacht haben, dass ein 'Verräter' wie ich, niemals Kinder haben könnte." "Warst du deinem Bruder sehr ähnlich? Ich weiß gar nichts über dich und deine Familie." "Über diese Familie willst du nichts wissen." Sirius seufzte. "Schau dich im Haus um, aber pass gut auf. So erfährst wahrscheinlich noch mehr als von mir." "Dad..." Sirius stand auf und ließ mich am Tisch sitzen. Ich hatte trotzdem verstanden, dass er nicht über seine Kindheit reden wollte. Also musste ich selbst rausfinden, was ich wissen wollte. Auch wenn sie grausam waren und ich sie nicht kannte, waren Sirius' Eltern trotzdem noch meine Großmutter- und Vater. Ich stand ebenfalls auf, nachdem mir Remus die Hanf verbunden hatte. Er warf mir einen kurzen Blick zu und ich lächelte schief. Jetzt würde ich erstmal mein Zimmer suchen und dann das Haus erkunden.

Die Tochter des MördersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt