Kapitel 82

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Kaum waren wir gelandet, zog mich jemand auch schon wieder zur Seite. Ich stolperte gegen Harry, Ron hatte uns gepackt und vor dem vorbeirasenden Bus gerettet. Wir standen am Straßenrand des Piccadilly Circus in London. Viele Muggel sahen uns schief an. "Wir müssen weg hier und uns umziehen", meinte Hermine. Sie führte uns eine Straße entlang und bog dann in eine Seitengasse ein, in der niemand war. Etwas versteckt öffnete Hermine ihre Tasche und zog vier Hosen, T-Shirts und Jacken heraus. "Wie?", fragte Ron nur völlig verwirrt. "Unaufspürbarer Dehnungszauber", erklärte sie. Rasch zogen wir uns um und packten die anderen Kleider wieder in die Tasche. "Wir sollten irgendwo hin, wo wir uns ungestört unterhalten können", schlug ich vor. "Hier um die Ecke ist ein 24-Stunden-Dinner. Dort können wir uns kurz ausruhen und die nächsten Schritte besprechen." Wir folgten also wieder Hermine, die sich bestens auskannte. Nur eine viertel Stunde später saßen wir in dem Dinner und redeten leise miteinander. Eine schlecht gelaunte Kellnerin nahm unsere Bestellung auf. "Remus wird mir sicher schreiben, wenn etwas vorgefallen ist. Wahrscheinlich sind aber alle untergetaucht." "Sie wollen dich immerhin fangen, Harry." "Und wo sollen wir als nächstes hin?" Harry war genervt und besorgt, dass sah ich ihm an. Er wollte zurück auf die Hochzeit und den anderen helfen. "Zum tropfenden Kessel?", schlug Ron vor. "Zu gefährlich", sagte Hermine, "Wenn Voldemort schon das Ministerium hat, wird er uns bestimmt auch in der Winkelgasse aufspüren." "Ich habe noch meine ganzen Sachen im Fuchsbau", merkte Harry an. In diesem Moment ging die Ladentür auf und zwei große Männer gingen zur Theke. "Ich habe das Wichtigste schon seit einer Woche da drin", meinte Hermine leise und wies auf den Beutel. Ich folgte Harrys Blick zu den beiden Männern und bemerkte im gleichen Moment, das etwas nicht stimmte. "Runter!", schrien Harry und ich gleichzeitig. Die Männer hatten ihre Stäbe gezogen und Flüche auf uns geschossen. Wir zogen ebenfalls die Zauberstäbe und erwiderten den Angriff. Mein Zauber schlug in das Glas hinter dem einen Mann ein und erlaubte Ron ihn mit einem weiteren Zauber außer Gefecht zu setzen. Den anderen Mann war schneller als sein Partner und flüchtete hinter die Theke. Von dort schoss er weiter auf uns. Hermine machte eine winzige Bewegung mit ihrem Zauberstab und einige Teller flogen auf den Mann zu. Erschrocken wich er ihnen aus und Harry streckte ihn mit einem gut platzierten Zauber nieder. Vorsichtig näherten wir uns den bewusstlosen Todessern. In diesem Moment kam auch noch die Kellnerin aus der Küche. "Raus. Hau ab", meinte Hermine ruhig. Sofort ließ die Frau alles fallen und rannten davon. "Seid ihr verletzt?", fragte ich. "Nur ein paar Kratzer." "Mir geht es auch gut." "Mir auch." "Tür abschließen und Licht aus." Ron knipste mit seinem Deluminator das Licht, Hermine verschloss die Tür. Harry und ich beugten uns über die Todesser. "Der hier ist Dolohow", erkannte ich. "Und das ist Rowle. Er war auf dem Astronomieturm, als Dumbledore ermordet wurde." Harry deutete auf den anderen Mann. "Was machen wir jetzt mit ihnen?" Ron hatte sich neben mich gestellt. "Wir können sie nicht mitnehmen", stellte ich wenig hilfreich fest. "Wir können ihr Gedächtnis löschen", schlug Hermine vor. "Kannst du das? Der Zauber ist echt schwer." Hermine nickte und ging an mir vorbei. Ihre Hand zitterte etwas, als sie ihren Zauberstab hob und leise sagte: "Obliviate." Das Gleiche wiederholte sie noch bei Rowle, dann verschwanden wir aus dem Dinner. "Woher wussten die, wo du warst, Harry?", wollte Ron wissen, als wir wieder auf der Straße waren. "Vielleicht hast du immer noch die Spur auf dir?" "Nein, die löst sich, wenn man siebzehn wird." Hermine blieb plötzlich stehen. "Wir haben deinen Geburtstag nicht gefeiert, Harry!" "Stimmt", meinte ich. "Wir und Ginny hatten eine Torte für dich. Wir wollten sie dir am Ende der Hochzeit geben." "Das ist zwar furchtbar nett von euch, aber wir sind vor ein paar Minuten beinahe getötet worden. Wir brauchen ein sicheres Versteck." "Ich weiß den perfekten Ort", sagte ich leise. "Welchen?", fragten mich alle gleichzeitig. "Grimmauldplatz Nummer 12." Harry und ich tauschten einen sehr langen Blick. "Gut", unterbrach uns Hermine, "Wir apparieren da in der Seitengasse. Kommt schon."

Unruhig sah ich zu, wie sich das Haus Nummer 12 langsam zwischen die anderen schob. Ron, Harry und Hermine betraten das Haus vor mir. Meine Beine zitterten etwas, als ich die Stufen nach oben ging. Alles in mir sträubte sich das Haus noch einmal zu betreten, trotzdem tat ich es. Als ich hinter mir die Tür schloss, war der enge Flur stockdunkel. Ron nutzte nochmal seinen Deluminator und Harry ging zögerlich voran. Plötzlich erhob sich eine Gestalt vor uns aus dem Staub und schoss auf uns zu. Erschrocken schrien wir auf, als wir Dumbledore erkannten und wichen zurück. Eine Handbreit vor unseren Gesicht löste sich die Gestalt wieder auf. "Sicher war das Mad-Eye, falls Snape hier vorbeikommt", erklärte Hermine möglichst ruhig, aber sie zitterte am ganzen Körper. Langsam wagten wir uns weiter vor, immer vorbereitet auf weitere Fallen zu treffen. Aber es gab keine mehr. Wir schlichen am Portrait meiner Großmutter vorbei, sie schlief selig weiter. Hermine richtete mit Ron im Wohnzimmer ein Lager ein, während Harry und ich durch das Haus gingen. "Geh zuerst in sein Zimmer", sagte Harry leise. Ich wollte gerade das Gleiche zu ihm sagen. "Danke." Ich nahm die Stufen bis in den letzten Stock langsam, bemüht, nicht über meine eignen zitternden Füße zu stolpern. Harry kniff die Augen zusammen und fasste sich an die Stirn, dann blieb er stehen. Ich war endlich ganz oben angekommen und stand zittrig, beinahe schon ängstlich, vor der verschlossenen Zimmertür meines Vaters. Ich streckte meine Hand aus und drehte den Türknauf. Drinnen schlug mir sofort eine schwere Staubschicht entgegen, aber darunter erkannte man Sirius in jeder Ecke. Es sah noch genauso aus, als ich das erste Mal hier war. Das Zimmer war in den Farben von Gryffindor gehalten, an der Wand hingen Fotos von Muggelfrauen in Bikinis und Muggelmotorrädern. Beim Blick blieb aber an einem anderen Bild hängen, das ich beim letzten Mal übersehen hatte. Es bewegte sich als einziges und zeigte Dad, Remus, James und Peter als Jungen. Sie lachten fröhlich in die Kamera. Schmerzlich stellte ich wieder meine Ähnlichkeit zu Sirius her. Wir hatten die gleichen schwarzen Haare, die gleichen grauen Augen, die gleiche leicht geschwungene Nase, sogar unsere Körperhaltung war identisch. Gerade, selbstbewusst und manchmal hatten wir beide dieses arrogante Grinsen, wenn wir wussten, dass wir besser waren als andere. Und dann war da Remus neben James auf dem Foto. Wie immer etwas heruntergekommen, aber strahlend vor Glück. Wann hatte ich ihn das letzte Mal so gesehen? An seiner Hochzeit? Nein, noch nicht mal seine Hochzeit kam an dieses Glück heran, dass auf diesem Bild für immer in seinen Augen verewigt wurde. Ich hatte Remus noch nie so glücklich gesehen. Ich fuhr mir über das Gesicht und wischte einige Tränen zur Seite. Dann erinnerte ich mich an Harry, der das gleiche Anrecht hatte diesen Raum zu sehen und verließ das Zimmer hastig, ohne mich noch einmal umzusehen. Harry wartete schon auf mich. Wir sprachen kein Wort, als er Sirius' Zimmer betrat. Ich lehnte mich schwer atmend gegen die andere Tür. Sie führte in das Zimmer meines Onkels, aber die Tür war meistens verschlossen. Langsam fuhr ich mit meinem Finger die Gravur nach. Regulus Arcturus Black, die Anfangsbuchstaben der der Namen waren großgeschrieben. R, A und B. Moment mal. R, A und B? Ich erstarrte und sah nochmal auf die Gravur. "Harry?", rief ich dann. Er kam in diesem Moment aus Sirius' Zimmer. "Ja?" "Sieh doch nur. Ich habe R.A.B. gefunden. Es ist mein Onkel. Mein Onkel ist R.A.B: Regulus Arcturus Black!"

Die Tochter des MördersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt