V i e r .

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,,Los Beeilung, ich darf ihn auf keinen Fall verpassen!'', drängte ich gestresst, während ich mein Handy in die Luft hielt. Warum gab es auf den Highways nie Empfang? 

,,Celice, dein Vater fährt schon schneller als erlaubt. Wir werden schon noch pünktlich beim Flughafen ankommen'', meinte meine Mutter mit sanfter Stimme und strich meinem Vater eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 

,,Nicht schnell genug. Sein Flieger hebt in einer Stunde ab und er muss ja vorher schon einchecken. Ich muss ihn nochmal sehen, bevor er nach Los Angeles geht. Ich muss es einfach.'' Mit diesen Worten presste ich den Hoodie, den ich ihm geklaut hatte, noch enger an mich heran. Ich atmete seinen Duft ein, woraufhin mir die Tränen kamen. Er würde für drei Monate nach L.A. gehen und ich hatte weder die Zeit noch das Geld um ihn dort zu besuchen. Ich wollte mich unbedingt noch richtig von ihm verabschieden.

Ich merkte, wie das Auto beschleunigte. Mein Vater schien meine Tränen bemerkt zu haben, weswegen er einen Zahn zulegte und seine Augen immer wieder zum Innenspiegel wandern ließ, um mich anzusehen.

,,John? John! Brems!'', schrie meine Mutter irgendwann.

Doch es war zu spät.

Es knallte.

Wir überschlugen uns.

Gepresst. Gepresst gegen den Vordersitz.

Aufprall.

Die Fenster zersplitterten.

Blut.

Überall Blut.

Und dann

alles schwarz.

Tränenüberströmt und völlig verschwitzt richtete ich mich in meinem Bett auf. Schnell knipste ich meine Tischlampe an und nahm das Bild meiner Eltern und mir in die Hand. Das kühle Glas unter meinen Fingern beruhigte ich mich. 

,,Es tut mir so leid..'', krächzte ich. Ich konnte meine Stimme nicht kontrollieren, genauso wenig wie meine Tränen. ,,E-Es ist alles meine Schuld..''

Auf einmal kamen mehr Erinnerungen hoch. Die von Panik erfüllten Schreie meiner Eltern. Der letzte Griff meiner Mutter nach der Hand meines Vaters. Die leisen Gebete, die mein Vater aussprach.

Ich merkte nicht, wie ich kreischte. Irgendwann spürte ich Tante Sandras Hand auf meinem Rücken, die mich beruhigend streichelte. Dann gab sie mir eine Tablette und ein Glas Wasser.

,,Nimm das. Das wird dir helfen'', meinte sie. Ich tat es. Ich spürte, wie sich jede Faser in mir entspannte. Ich war so entspannt, dass ich einschlief und die ganze Nacht nicht mehr aufwachte.

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,,Celice, wie geht es dir?'', fragte mich Tante Sandra besorgt am nächsten Morgen. Sie saß auf einem Sessel neben meinem Bett und sah ziemlich zerknirscht aus. Vermutlich hatte sie dort geschlafen, um an meiner Seite zu bleiben.

,,Mir geht's wieder besser. Gestern Nacht.. Ich habe von dem Unfall geträumt. Ich bin mir nicht sicher, ob es genau so abgelaufen ist, aber es war so realistisch. Wir waren auf dem Weg zum Flughafen und ich wollte jemanden unbedingt noch sehen..'', stammelte ich.

,,Davon weiß ich nichts'', antwortete sie. ,,Hey, ich denke du solltest ein paar Tage zuhause bleiben und dich ausruhen. Diese Erinnerungen scheinen dich wirklich zu belasten.''

,,Das geht nicht, Tante Sandra. Morgen ist doch dieses Sommerkonzert'', erwiderte ich und fasste mir an meine pulsierende Narbe, die sich auf der rechten Seite meiner Stirn befand. 

,,Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist bei deinem Zustand. Olivia kann doch einfach mit einer anderen Freundin hingehen, und wir machen uns hier zur Ablenkung einen gemütlichen Abend.''

,,Das mag für dich vielleicht bescheuert klingen, aber die Jungs von Why don't we machen mich glücklich. Wenn du willst, dass ich mich gut ablenke, dann solltest du mich dort hingehen lassen. Ich werde auch auf mich aufpassen und sofort nach Hause fahren, wenn es mir nicht gut geht.''

Tante Sandra seufzte hörbar und stand von ihrem Sessel auf. ,,Meinetwegen'', meinte sie schließlich. ,,Aber nur, wenn du dich bis dahin wirklich ausruhst und mir beim Konzert alle halbe Stunde eine Nachricht schreibst.''

Ein kleines Lächeln schlich sich über meine Lippen. Der Besuch des Konzerts war wie ein Lichtblick am Tunnel für mich.

,,Einverstanden.''

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,,Denkst du nicht, dass Merch tragen angebracht wäre?'', fragte Liv mich als sie mein Outfit kritisch betrachtete. Wir waren gerade dabei uns für das Konzert bei mir zuhause fertig zu machen.

,,Ich besitze noch keinen Merch, den wollte ich mir dort kaufen. Also verurteile mich nicht'', antwortete ich und streckte ihr grinsend die Zunge heraus. Ich hatte mich für einen schwarzen Skaterrock und ein geblümtes Top entschieden, dazu trug ich meine schwarzen Vans.

Mir ging es inzwischen wieder viel besser, da ich die hochgekommene Erinnerung schnell durch witzige Videos von Why don't we verdrängte. Ich würde bei meiner nächsten Therapiestunde schon darüber reden, genauso wie über meinen Sturz mit dem Longboard.

Ich entschied mich für ein dezentes Makeup und ließ meine Haare einfach offen. Olivia war, abgesehen von ihrem Shirt, worauf ein großes ''Mrs. Daniel Seavey'' abgebildet war, auch relativ dezent unterwegs. Wir packten noch schnell die Tickets in unsere Rucksäcke, schnappten uns unsere Boards und machten uns auf den Weg in den großen Park, in dem das Sommerkonzert stattfinden würde.

Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich nach dem Konzert noch viel mehr bei der Therapie aufzuarbeiten hatte.

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Hallöchen!

Ich habe im Moment sehr wenig Zeit für das Schreiben :( Ich versuche aber, das am Wochenende aufzuholen, damit ich wöchentlich ein Kapitel hochladen kann.

Lasst mich wissen, was ihr von der Geschichte/dem Kapitel haltet.

Bis bald :)


Vergiss mich. | Jonah MaraisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt