Und während John einen Schluck beruhigenden Earl Grey mit einem Spritzer Zitrone nahm, genau so wie er ihn mochte, und sich im übrigen geradezu an seiner Teetasse festklammerte, begann Sherlock zu erklären.
„Es tut mir so leid, John. Ich musste damals meinen Tod vortäuschen. Moriarty war drauf und dran, die Menschen erschießen zu lassen, die dem am nächsten kommen, was ein Soziopath wie ich als Freunde bezeichnen kann. Mrs. Hudson. Lestrade. Und ... du."
Er schaute John mit einer ungewohnten Wärme in seinen hellen Augen an.
„Ich hatte nur eine Chance, das zu verhindern: indem ich selber starb. Nun, ich hatte natürlich nicht vor, wirklich von der Lebensbühne abzutreten. Also haben mein Bruder und ich uns an Molly Hooper gewandt. Und sie hat uns geholfen... na ja, jedenfalls habe ich es überlebt. Als du mich auf dem Pflaster fandest, war ich nicht tot, und die Leiche, die später in der Pathologie lag, war ein anderer ... Wie auch immer, es ging bei alle dem darum, Moriarty hinter das Licht zu führen."
„Und du hast nicht einmal daran gedacht, mich ins Vertrauen zu ziehen?", sagte John, immer noch verletzt.
„Ich konnte nicht, John. Du bist ... ein guter Freund, ein unschätzbar wertvoller Assistent, und mehr noch ... aber wenn es etwas gibt, das du nicht kannst, dann ist das Lügen. Du bist ein grauenvoller Lügner und wärst nicht in der Lage gewesen, eine solche Täuschung glaubwürdig aufrecht zu erhalten."
Nun ja, John musste zugeben, dass das wahr war. Und dennoch.
„Nachdem ich also 'tot' war, habe ich mich daran gemacht, Moriartys Netzwerk zu zerschlagen. Es war nicht einfach, aber das war der Grund, weshalb ich so lange untergetaucht blieb."
„Ich verstehe", sagte John. Er verstand Sherlock. Dennoch tat es weh.
Dann fragte er: „Also ist es dir gelungen? Moriarty hinters Licht zu führen?"
„Zuerst nicht so sehr, wie ich es gehofft hatte. Es geschahen ziemlich schnell einige Dinge, die klarmachten, dass Moriarty herausgefunden hatte, dass ich noch lebte. Also habe ich meinen Tod ein zweites mal inszeniert. Ich habe mich in Serbien gefangen nehmen lassen. Mycroft war dort. Er hat mich raus geholt, wenngleich er ein bisschen spät kam ... einige Narben verdanke ich dieser Tatsache ... nun, wie gesagt, er holte mich raus wie geplant und ließ auf glaubwürdige Weise verbreiten, dass ich nun doch tot sei. Moriartys Schergen hätten sicher auch ganze Arbeit geleistet, wenn mein Bruder nicht rechtzeitig gekommen wäre ... wie auch immer.Wir haben um Unsicherheiten zu vermeiden mein Gefängnis niedergebrannt und somit hatte ich freie Bahn."
John schauderte.
Was hatte Sherlock alles durchgemacht!
„Mein 'Tod' wurde in den Verbrecherkreisen bekannt. Außerhalb des Netzwerks dürfte es nur Mycroft gewusst haben. Und der wusste natürlich als einziger, dass ich das in Wahrheit überlebt habe."
Irgendetwas störte John. Irgendetwas passte nicht. Aber was? Er kam nicht drauf.
Also sah er Sherlock an, und fragte:
„Und wie ging es weiter?"
„Ich habe mich nun wirklich an Moriartys Netzwerk gemacht. Und es gelang mir, nach und nach die wichtigen Köpfe auszuschalten. Mit Hilfe von Mycrofts Leuten und Kontakten hielten wir die Kommunikationskanäle innerhalb des Netzwerks aufrecht, so dass es lange Zeit nicht wirklich zu sehen war, dass wir uns einen nach dem anderen vornahmen. Wir haben das Netz sozusagen unterwühlt und infiltriert und ausgehölt. Es steht jetzt kurz vor dem Zusammenbruch, eine konzertierte Aktion und die Sache ist vorüber. Und das erstaunlichste ist, dass alle Zeichen darauf hinweisen, dass es uns gelungen ist, diese Tatsache vor Moriarty zu verbergen. Er ist eben brillant, ja, aber nicht so sehr wie ich es bin. Am Ende beweist sich, dass mein Geist dem seinen doch überlegen ist."
Sherlock schaute ein wenig selbstzufrieden drein und John konnte nicht anders als zu schmunzeln.
So kannte er sein Genie.
Doch es gab noch etwas, was John wissen wollte.
„Aber Sherlock, wer ist den nun Moriarty?"
Sherlocks selbstsicherer Ausdruck verrutschte ein wenig.
„So ungern ich das auch zu gebe, John, ich habe nicht die geringste Ahnung."
John musste gegen seinen Willen grinsen.
Sherlock schien das ganze allerdings nicht komisch zu finden.
„Mycroft informierte mich darüber, dass du dich der Sache angenommen hattest. Und dass du erstaunlicherweise mit deiner simplen, aber praktisch veranlagten Art zu denken gut vorankamst und neue Ansätze fändest."
John seufzte.
„Ist das der Grund, weshalb du vor ein paar Wochen hier aufgekreuzt bist? Zu mir zurück gekommen bist, während ich dachte, ich fange an zu halluzinieren?"
„Ja", sagte Sherlock.
John schnaufte. Da war er wieder, dieser Schmerz im Herzen.
„Ja, das auch ..." fuhr Sherlock fort. „Aber ... ich habe ..."
Einen Moment schwieg er, nach Worten ringend.
„Ich habe wohl deine Zuneigung zu mir unterschätzt, John. Habe unterschätzt, wie sehr du um mich trauern würdest, und das tut mir leid. Ich erfuhr, das es dir schlechter und schlechter ging. Und daher befand ich es für richtig, den Rest gemeinsam mit dir von der Operationsbasis Baker Street aus zu führen. Das Netzwerk ist beinahe zerschlagen, und gemeinsam werden wir nun herausfinden, wo sich Moriarty versteckt."
John fühlte sich besser. So langsam aber sicher ließ der Schmerz nach, denn Sherlock war, so schien es, also vor allem um seinetwillen zurückgekehrt...
Ja, das tat seiner geschundenen Seele gut.
„Sherlock", sagte er, „ich habe wirklich und wahrhaftig geglaubt, das du nur ein Hirngespinst seist, ein Trugbild, das meine Psyche ausbrütet, weil ich die Trauer nicht richtig verarbeiten konnte. Die Tatsache, dass du dich immer unsichtbar gemacht hast, wenn jemand zu Besuch kam, hat das nicht gerade unwahrscheinlicher gemacht."
„Es tut mir so leid, John. Ich dachte einfach, du hättest verstanden, dass niemand außer dir von meinem Überleben erfahren soll. Immerhin bist du der Mensch, dem ich auf dieser Welt am meisten vertraue."
Das ging John runter wie Öl.
„Aber, Sherlock, warum zum Teufel hast du in all den Wochen nicht mit mir gesprochen? Verdammt noch mal, das hat ebenfalls dazu beigetragen, ganz entscheidend sogar, dass ich dich für eine Halluzination gehalten habe!"
Und zu Johns größtem Erstaunen wurde Sherlock, der große Sherlock Holmes, ein klein wenig rot.
„Nun ja", sagte er und sah John etwas verlegen an.
„Es gab da noch eine Sache, die ich unterschätzt hatte."
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Du musst weitermachen, John!
FanfictionDass Sherlock vom Dach des St. Bart's gesprungen ist, hat John Watson in seinen Grundfesten erschüttert. Er versucht, die Trauer zu bewältigen. Doch es fällt ihm schwer. Auch deswegen, weil wichtige Dinge ungesagt geblieben sind. Als es sich dann au...