blitzschnell muss entschieden werden

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Molly zog die Augenbrauen hoch.
„Mein Ruf? Nun, es mag dich vielleicht überraschen, Sherlock, aber ich lege keinen Wert darauf, das Leben der dummen kleinen Pathologin Molly weiterzuleben."
Sherlock lachte leise.
„Das kann ich mir denken, aber darum geht es nicht."
Er schaute John an. John sah ihm in die Augen und nickte ihm zu.

„Molly, sieh die Sache doch mal so. Wir retten dir deinen Ruf als Meisterverbrecher. Wenn du springst, dann ist Molly in den Tod gesprungen, die, ich zitiere, dumme kleine Pathologin. Sie konnte den Schmerz über den Verlust ihrer heimliche Liebe nicht mehr ertragen, denn offiziell bin ich noch immer tot. Und Moriarty lebt weiter. Moriarty hat sich vielleicht zurückgezogen, man hört nichts mehr von neuen Verbrechen, aber die Welt wird glauben, dass er weiterlebt und nie besiegt wurde."
Molly legte den Kopf schief und schien nachzudenken.

„Ich gebe dir mein Wort, Molly, dass ich, wenn ich offiziell wieder auftauche, vor der Presse gestehen werde, dass ich den Kampf gegen dich aufgebe. Dass ich dich niemals besiegt habe und dass ich keine Chance gegen dich habe. Dass ich anerkenne, dass du das größere Genie von uns beiden bist."
Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken.
„Sicher, das wird nicht ganz einfach für mich. Aber das Wissen, dass es dich dann in Wahrheit nicht mehr gibt und kein Verbrechen, kein Leid mehr von dir zu erwarten ist, ist mir die Sache wert. Mein Ego wird ganz schön angeknackst sein, keine Frage, aber gut, das werde ich überstehen."

Molly lachte.
„Das glaube ich gerne, dass das ein harter Brocken für dein Ego wäre. Und genau deswegen stelle ich mir die Frage. Woher soll ich wissen, dass du das auch tatsächlich tust? Dass du dich, angenommen ich würde tatsächlich springen, nicht danach doch mit dem Sieg über mich brüsten würdest, vor der Presse und aller Welt?"

„Ich gebe dir mein Wort", sagte Sherlock.
„Dein Wort?" Molly klang erstaunlicherweise nicht mal skeptisch. Nur interessiert.
„Ja", sagte Sherlock. „Mein Wort. Sozusagen von einem verrückten Genie zum anderen."
Und ja, er meinte das ernst. Er war vieles, und nicht nur gutes, gerade zwischenmenschlich. Aber das hier meinte er bitterernst. Er gab Molly Moriarty sein Wort, und er würde es nicht brechen.

Und Molly schien das zu spüren.
Sie nickte langsam.
„Ja, Sherlock. Wir mögen Feinde sein, und ich mag dich hassen, aber ich glaube dir tatsächlich. Es erstaunt mich selber, aber ich vertraue dir dahingehend. Unter uns verrückten Genies."

Eine Zeit lang schwiegen sie alle drei.
Dann sagte Sherlock:
„Nun, Molly, wir brauchen deine Entscheidung. Fest steht, du kommst hier nicht weg. Du hast keine Chance zur Flucht."
Und so ungern Molly das tat, musste sie doch zugeben, dass das wohl der Wahrheit entsprach.
„Lestrade und seine Männer stehen bereit. Mycroft und seine Männer bilden das Backup. Und dir sind alle Kommunikationswege abgeschnitten, du hast also keine Chance, deine Männer zu kontaktieren. Also bleiben dir nur und ausschließlich unsere Bedingungen."
Wieder schwiegen Sie.

Dann machte Sherlock Druck.
„Entscheidung, Molly. Jetzt. Bleib am Leben, doch dann bleibt dir nur Gefängnis, und Schande, vor aller Welt, auch vor der Welt des Verbrechens. Oder stirb als Molly Hooper, und bleib vor den Augen der Welt der große Moriarty, den nicht einmal Sherlock Holmes besiegen konnte. Nun ...?"

Molly schluckte.
Sie hatte keine Wahl. Nicht wirklich.
Sie nickte Sherlock zu und bat:
„Ich habe mich entschlossen, Sherlock. Doch bevor ich dir meine Entscheidung mitteile, möchte ich noch eine Sache wissen: Wie konntest du meinen Leuten in Serbien entkommen?"

Sherlock lachte.
„Das war einfach. Das selbe alte Spiel. Die beiden Folterknechte dort waren für mich so leicht zu lesen wie ein Kinderbuch. Sie konnten sich nicht ausstehen, und es war eine Sache von Minuten, herauszufinden, dass der eine mit der Frau des anderen schlief und der andere das bereits vermutete ... Ich habe die Animositäten der beiden geschürt und dann habe ich ihm gesteckt, dass er mit seiner Vermutung recht hat. Gefühle, Molly, Gefühle ... überflüssig und lästig, nicht wahr?"
Sein Blick ging zu John, der ihm ins Gesicht sah, und der dort erkannte, dass Sherlock Gefühle beileibe nicht mehr für überflüssig hielt. Im Gegenteil, John sah dort eine warme Zärtlichkeit, die auch ihm das Herz wärmte.

„Nun, während sie sich gegenseitig zerfleischten, brachte ich einen ihrer Untergebenen dazu, mich laufen zu lassen. Und dann kam Mycroft. Ein wenig spät, aber rechtzeitig, um mich da weg zu holen und mein Gefängnis in Brand zu setzen. Mycrofts Leute haben den Mann, der mir geholfen hat, und seine Familie später dort weggebracht. Ich kann mir denken, dass die beiden Idioten, nachdem sie sich fast gegenseitig umgebracht haben, mein Verschwinden vertuscht haben, und es ihn hätten ausbaden lassen. Nun, er und die seinen sind in Sicherheit."

Verfluchte Schwachköpfe. Wenn das hier vorbei wäre, würde sie sich diese Leute zur Brust nehmen. Das würde ihnen leidtun, wenngleich sie nicht mehr allzu lange Zeit hätten, ihre Fehler zu bereuen. Molly würde ...
Oh. Nein.
Sie würde nicht mehr.

So wenig ihr das gefiel. Aber das war vorüber.
Sie schluckte schwer.
Dann sah sie Sherlock an.
„Gut", sagte sie. „Ich ... habe meine Entscheidung getroffen."

Erwartungsvolle Blicke aus den Augen der beiden Männer.
Was würde nun geschehen?
Würde das Ganze nun endlich, hier und jetzt, ein Ende haben?

Molly nickte ihnen beiden zu.
„Trotz allem", sagte sie. „Es war mir eine Ehre."

Und dann trat sie sicheren Schrittes auf die Umfassungsmauer des Daches des Krankenhauses St. Barts zu.

Du musst weitermachen, John!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt