Spät in der Nacht weckte mich ein Geräusch. Es klang beinahe wie ein Wimmern, als würde jemand weinen. Ich wusste sofort, dass es Alea war, und sprang aus dem Bett.
Ein schwacher, silberner Schein des Mondes durchkreuzte den kleinen Raum und ich musste mich anstrengen, die zarte Silhouette von meiner Schwester zu erkennen. Sie hatte sich fest in ihrer Decke eingewickelt und versteckte sich zwischen vielen Kuscheltieren. Letztens erst hatte sie die weggepackt, weil sie jetzt angeblich zu alt dafür war. Nun lag sie doch wieder mit ihnen im Bett. Wie ich und Kaka.
"Hey", wisperte ich und kuschelte mich zu ihr ins Bett. Schniefend und wahrscheinlich voller Rotze drückte sie sich an mich, ohne ein Wort zu sagen.
"Wir sind stark", flüsterte ich. "Wir kriegen das hin, irgendwie. Auch wenn ... wenn es sich gerade nicht so danach anfühlt."
Sie antworte darauf nicht, sondern weinte weiter. Ich ließ sie. Manchmal mussten die Tränen einfach raus.
Der Mond ließ die Welt draußen silbern leuchten, man konnte den Apfelbaum erkennen und die vielen Äste, die er in Richtung Himmel streckte. Ein paar Wolken zogen vorbei, aber hier und da war ein Stern zu erkennen.
Es sah schön aus, die Welt da draußen, mystisch und beruhigend. Wie konnte es sein, dass in so einer Welt jemand von uns gerissen wurde? Und wohin wurde er gerissen? Ich hatte, wie ich so den Mond anschaute, das Gefühl, Papa wäre noch immer irgendwo da draußen.
Vielleicht war er gar nicht tot.
Aus irgendeinem Grund beruhigte mich der Gedanke. Schließlich hatte ich seine Leiche nicht gesehen und in Filmen und Serien bedeutete das doch auch meist, dass die Figuren am Ende doch noch lebten. Vielleicht erzählten die Agenten alle einen Mist, erzählten es, weil es zu einem großen Plan gehörte, den Bösen umzustoßen. Ja, vielleicht war es so.
Lächelnd sah ich zum Mond und driftete in einen Schlaf, der erholsamer zu sein versprach - und wachte doch gleich wieder auf, oder war noch gar nicht eingeschlafen, ich konnte es nicht sagen. Alea schniefte noch immer vor sich hin.
Aber da war noch etwas anderes. Der Geruch von etwas Verbranntem.
"Riechst du das auch?", flüsterte ich.
Alea drehte sich um und schniefte. Wahrscheinlich roch sie gar nichts mit ihrer vollen Nase. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen. "Was?"
Ich richtete mich auf. Doch. Es roch nach Rauch, nach Feuer. Sofort war ich hellwach, und Alea auch. Als ich aufstand, musste ich husten. Im oberen Teil des Raumes hatte sich schon mehr Rauch gesammelt. "Bleib geduckt!"
Wir rannten aus dem Zimmer. Im Flur konnten wir es hören, das Knistern und Knacken eines gewaltigen Feuers. Jetzt kam die Panik. Und die Flammen.
"Opa! Titus!", kreischte ich und rannte durch die Zimmer. Fünf Sekunden später waren die beiden auch wach. Opa kam aus dem Schlafzimmer meiner Eltern gewackelt, hielt sich den Kopf und hustete, hielt sich an der Wand fest.
"Wir müssen hier raus! Sofort!", brüllte ich und rannte trotzdem zurück in mein Zimmer. Schnappte mir mein Handy. Den Ausweis vom Betrieb. Kaka. Vielleicht auch den Laptop. Nein, nicht den Laptop. Wieder raus aus dem Zimmer.
Hitze stieg von der Treppe zu uns herüber und ich konnte nur erahnen, was sich im unteren Stock abspielte. Wir starrten hinunter. Das konnte doch nicht alles war sein ...
Mir fiel etwas ein. Ich rannte ins Schlafzimmer, holte Papas Kiste. Dann traten wir den Weg nach unten an. Das Feuer kam aus der Küche. Opa brummte und murmelte etwas, gab sich vielleicht die Schuld, den Herd nicht auszumachen, aber das glaubte ich nicht.
Uns wollte eindeutig jemand umbringen.
„Haltet euch die Hand vor den Mund!", zischte Titus und begann, Stufe für Stufe hinunter zu krabbeln. Langsam folgte Alea, die ihren Plüschhasen wie auch Kaka vor den Mund hielt. Ich folgte langsam und vergaß, was Titus eben gesagt hatte. Es brannte in der Lunge. Ich spürte es zu spät. Meine Augen tränten, ich konnte meinen Bruder nicht mehr sehen. Nur den Schatten von Alea, die direkt vor mir war. Opa war hinter mir.
Plötzlich ertönte ein lautes Knarzen, Mauerwerk brach herab. Es kam aus Richtung Toilette, direkt bei der Haustür, direkt bei uns. Sofort schrie Titus: „Zur Terassentür!"
Niemand von uns zögerte. Ich packte die Kiste und sprang auf. Die anderen taten es mir gleich. Wir konnten noch so lange auf dem Boden herumkriechen, rennend kamen wir deutlich schneller hier heraus.
Flammen wollten nach uns fassen, die von der Küchenzeile zum Esstisch übergesprungen waren. Der Tisch brach zusammen, spie Funken hervor. Die Stühle brannten auch schon, die Kommode, der Teppich. Ein Fenster war bereits zerbrochen, überall lagen Scherben.
Wir waren Barfuß. Im Pyjama.
Titus stockte der Atem, als er das Toben in der Küche sah. Alea blinzelte durch die Kuscheltiere hindurch. Die unendliche Energie, die Hitze, die sich in dem kleinen Raum entfaltete, war überwältigend. Hier konnten wir nicht durch. Es ging einfach nicht.
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Mimula Undercover
ActionDer Alltag zwischen normaler Schule und Geheimagentenausbildung ist manchmal etwas schwierig zu meistern, besonders wenn sich der Traumtyp an die Klassenzicke ranmacht. Aber was ist noch Alltag, wenn der Vater aus einem Auslandseinsatz nicht mehr zu...