Unruhig saß ich neben Titus. Draußen zogen die Häuser an uns vorbei und ich stellte fest, dass wir weder nach Hause noch zum Betrieb fuhren, sondern ins Stadtzentrum. Keine Ahnung, was wir da wollten, und die beiden Männer hatten noch kein Wort gesprochen.
„Dad ist tot", flüsterte eine zarte Stimme in meinem Kopf. Ich hatte es sofort in Mister CJs Blick gesehen, auch wenn er es nicht laut gesagt hatte. Bald würde er es tun, es war nur eine Frage der Zeit. Vergeblich versuchte ich mir Hoffnung einzureden, doch mir fehlte die Kraft dazu.
„Dad ist tot", wiederholte die Stimme diesmal lauter. Es war ein kurzer Satz mit einer so großen Bedeutung, die ich nicht verstehen wollte. Die ich nicht hören wollte.
Mister CJ versteckte seine Trauer etwas, aber er schien eindeutig betroffen. Der Mann neben ihm, dunkelhäutig mit kurz geschorrenen Haaren und einer unordentlich gebundenen Krawatte, kam mir ziemlich bekannt vor, auch wenn ich ihn nicht zuordnen konnte. Tränen lagen in seinen Augen.
Titus räusperte sich erwartungsvoll, als könnte er es nicht warten. Mister CJs Blick wanderte zu ihm, öffnete den Mund und klappte ihn wieder zu. Ihm fehlten die Worte. Die Worte, die wir nicht hören wollten. Keiner von uns.
Schließlich forderte er uns höflich auf, unsere Handys auszuschalten, was wir taten.
Titus rutschte unruhig herum, was die Blicke auf ihn zog. Auch ich sah jetzt zu meinem Bruder, er schien nicht mitgenommen, sondern relativ gefasst. Außerdem war er nicht angeschnallt, fiel mir auf. Leise forderte ich ihn auf, den Gurt anzulegen.
Wenn Blicke töten könnten, wäre ich gerade an einem sehr grauenvollen und langsamen Tod gestorben. Ich bemerkte, was ich gerade gesagt hatte. Es waren Dads Worte gewesen, die er uns als kleines Kind häufig gesagt hatte. Niemand außer ihm hatte so sehr darauf bestanden, bei der noch so kürzesten Fahrt den Gurt anzulegen.
Erschocken über die Situation wandte ich mich ab. Mein Blick wanderte zum Fenster, an dem die einzelnen Regentropfen an der Scheibe ihren Weg nach unten suchten. Wenn sie sich mit anderen verbanden, erreichten sie ihr Ziel schneller. Doch im Moment erinnerten sie mich nur an Tränen. An viele Tränen, die vergossen werden würden.
Ich hörte, dass Titus sich anschnallte. Unser Blick traf sich und ich versuchte ein Lächeln. Aber ich scheiterte. Ich sah wieder zu Mister CJ und dem Anderen, dessen Namen ich nicht wusste.
Die Stille zwischen uns war unerträglich. Also sammelte ich meinen Mut zusammen und brach das Schweigen mit zittriger Stimme: „Wo ist Alea?"
Während normalerweise Titus und ich heute im Betrieb wären, hatte unsere Schwester frei und vor allem im Gegensatz zu uns beiden auch keinen Nachmittagsunterricht.
Mister CJ nickte, als hätte er diese Frage erwartet und antwortete, sie wäre bei unseren Großeltern in Sicherheit. Sie würden sich gut um Alea kümmern. Schließlich war sie dort öfters, wenn unsere Eltern arbeiten waren.
„In Sicherheit vor was?", hakte Titus nach. Sein gesamtes Gesicht hatte sich noch stärker verfinstert.
Mister CJ warf dem schweigsamen Mann neben ihm einen Blick zu, der diesen allerdings nicht erwiderte, sondern ein Taschentuch herausholte. Sein Schnäuzen unterbrach die Stille, die sich erneut zwischen uns auftat.
Er steckte das Taschentuch wieder weg und mit einem afrikanischem Akzent stammelte der dunkelhäutige Mann plötzlich: „Wollt... Wollt ihr nicht lieber wissen, wa... was mit eurem.. eurem Vater passiert ist?"
Ich wollte den Kopf schütteln, es nicht hören. Doch ich brachte es nicht über mich, mich auch nur ein winziges Stück zu bewegen. Ich starrte einfach nur die Regentropfen an der Fensterscheibe an. Tränen, dachte ich, und dabei kullerte mir genau so eine über die Wange.
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Mimula Undercover
ActionDer Alltag zwischen normaler Schule und Geheimagentenausbildung ist manchmal etwas schwierig zu meistern, besonders wenn sich der Traumtyp an die Klassenzicke ranmacht. Aber was ist noch Alltag, wenn der Vater aus einem Auslandseinsatz nicht mehr zu...