19.

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• Flora Cash - Sadness Is Taking Over •

Ein Rascheln lässt mich zusammenzucken.

Ich schrecke auf und hebe den Blick, doch noch bevor ich in Panik ausbrechen kann, erkenne ich den Jungen, der seinen Kopf gerade in die kleine Spielhütte steckt. Sein Haar leuchtet wie Silber im Mondlicht und seine Augen, die meinen Blick festhalten, sind so klar wie Diamanten.

»Nora? Was zum Teufel machst du hier?« Er duckt sich, um durch die Tür zu kommen und setzt sich dann neben mich auf den Boden.

Vermutlich hätte ich damit rechnen können, dass dieses Versteck nicht meine beste Idee ist. Aber ich wusste, dass diese Holzhütte der einzige Ort ist, an dem um diese Zeit niemand sein würde. Wer besucht schon mitten in der Nacht einen verlassenen Spielplatz?

Als wir noch jünger waren, haben Atlas und ich viel Zeit in diesem Holzhaus verbracht. Manchmal haben wir Mutter-Vater-Kind gespielt und so getan, als wäre das hier unser Zuhause.

Später, als wir etwas älter waren, zu alt, um Mutter-Vater-Kind zu spielen, sind wir hierher gekommen, um einfach nur zu reden. Wir haben uns auf den Boden gesetzt, weil wir irgendwann zu groß wurden, um in diesem kleinen Spielhaus zu stehen, und haben uns gegenseitig unsere Geheimnisse anvertraut.

Was für eine Ironie des Schicksals, dass ich ihm damals genau hier gebeichtet habe, dass ich auf Yashar Casallis aus der Parallelklasse stehen würde, in den damals so gut wie jedes Mädchen verknallt gewesen ist. Wieso auch nicht?  Früher, bevor seine Mutter gestorben ist, bevor das Mobbing angefangen hat, war er durch und durch perfekt. Yashar war der reinste Sonnenschein. Ein hübscher Junge mit einem wunderschönen Lachen. Der der einzige Junge -, wenn man von Atlas absieht - in der Stufe gewesen ist, der die Mädchen nicht hässlich genannt und geärgert hat. Er war ein netter, süßer Junge, der immer zu jedem freundlich war und viel gelacht hat.

Es fühlt sich an, als wären Jahrzehnte vergangen, als lägen diese Erinnerungen so weit zurück, dass ich mich nur noch an Bruchstücke erinnern kann. An Yashars Locken, an seine Grübchen und dieses unbeschwerte Lachen.

Damals habe ich gedacht, er hätte sich so verändert, weil seine Mutter gestorben ist, aber langsam frage ich mich, ob nicht vielleicht viel mehr dahinter steckt. Mit dem Tod von Yashars Mutter ist der einzige Mensch aus seinem Leben verschwunden, der vielleicht hinter ihm gestanden hätte, egal was ist. 

Ich mochte Frau Casillas, die damals Lehrerin an unserer Schule gewesen ist. Jeder hat sie gemocht. Sie war eine gute Lehrerin, ein herzlicher, lebensfroher Mensch und ganz bestimmt eine bezaubernde Mutter. Die Nachricht über ihren Tod hat jeden schockiert und zutiefst berührt. Danach war auch die Stimmung an der Schule anders. Es war, als würde etwas fehlen.

Yashars Vater dagegen ist schon damals ein mürrischer Mensch gewesen, der sich immer für etwas Besseres hielt und mit niemandem geredet hat. Nicht mal auf Schulfesten, hat er mit irgendjemandem geredet, stattdessen hat er sich in eine Ecke gesetzt und seinen Sohn dazu verdonnert, ihm etwas zu Trinken zu holen, während er abfällig die Leute beobachtet hat.

Ich habe nie verstanden wie zwei so unterschiedliche Menschen jemals zusammenkommen konnten. 

»Wie bist du denn an die gekommen?« Ich zucke zusammen beim Klang von Atlas' Stimme und drehe langsam den Kopf in seine Richtung. Er mustert mit zusammengezogenen Brauen die Flaschen, die vor mir auf dem Boden liegen. 

»Hab' den Kerl am Kiosk bestochen«, antworte ich und wende den Blick wieder von ihm ab.

»Womit?«

Ich spüre seinen Blick auf mir liegen, aber ich drehe mich nicht um, bleibe einfach reglos sitzen und starre einen unklaren Punkt in der Hütte an. Meine Sicht ist immer noch unklar vom Alkohol und meine Lider kleben von den vielen Tränen. Ich fühle mich so verdammt dreckig.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt