27.

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• James Bay - Us •

Atlas dreht langsam den Kopf. In meine Richtung. Er sieht mich an. In seinem Blick erkenne ich Verwirrung und etwas anderes, das ich nicht ganz deuten kann. Verzweiflung? Unsicherheit?

Das Blau seiner Iris bebt, wie das helle Licht einer Flamme. Ich schlucke, weiß nicht, was ich sagen soll. Natürlich habe ich mit Yashar darüber gesprochen und ihm gesagt, er sollte mit Atlas reden, aber ein Teil von mir hat wohl nicht geglaubt, dass er es wirklich tun würde. Und vor allem nicht so, nicht vor so vielen Leuten.

Atlas schaut wieder nach vorne und bevor ich reagieren kann, läuft er, zu meiner eigenen Überraschung, in die selbe Richtung in die Yashar eben gelaufen ist.

Als er um die nächste Ecke verschwunden ist, atme ich die angehaltene Luft zischend aus und lasse den Kopf hängen. Die Spannung ist immer noch da. Ich spüre sie schwer in der Luft. Wie ein Gewicht.

Ich würde Atlas gerne hinterherrennen, ihm helfen, ihnen beiden helfen, aber ich weiß, dass mich das hier nichts angeht. Es ist eine Sache zwischen ihm und Yashar.

Die Menge löst sich langsam auf. Ich höre ihre Schritte durch den Gang hallen, ihr immer leiser werdendes Getuschel. Einige gehen in die Mensa, andere auf den Schulhof, bis der Gang endlich leer ist.

Glaube ich jedenfalls.

»Wow«, höre ich plötzlich Esther neben mir sagen und dann anerkennend pfeifen. Ich zucke zusammen und reiße den Kopf wieder hoch. Ich hatte vergessen, dass sie auch noch da war.

Ich sehe sie fragend an, aber sie schaut nur grinsend an mir vorbei. Immer noch in die Richtung, in die die beiden eben gerannt sind.

Als sie nicht sofort antwortet, lasse ich mich erschöpft gegen die fremden Spinde fallen, um dann an ihnen herunterzurutschen, bis ich mit dem Hintern auf dem Boden aufkomme. Meine Landung ist leider nicht ganz so elegant wie ich gehofft hätte und ich falle mit einem kurzen Aufschrei zur Seite, bevor ich mich wieder aufrappele.

Als ich dieses Mal den Blick hebe, hat Esther ihre Augen vom leeren Gang losgerissen und grinst mich an. »Langsam verstehe ich, wieso du mal was mit dem Typen hattest«, meint sie und lässt sich neben mich auf den Boden fallen.

Sie bietet mir ein Kaugummi an und als ich den Kopf schüttele, steckt sie sich ihn schulterzuckend selbst in den Mund. »Der hat ja doch mehr als nur ein hübsches Gesicht und tolle Muskeln.« Sie lehnt sich grinsend gegen die Spinde und zieht die Beine an. »Wenn ich nicht auf Frauen stehen würde, würde ich es vielleicht mal bei ihm probieren.«

Ich bin viel zu erschöpft um überhaupt überrascht zu sein. Stattdessen verziehe ich bitter das Gesicht. Am liebsten hätte ich gesagt: dann hättest du trotzdem schlechte Karten. Er steht nämlich genauso wenig auf Frauen wie du auf Männer. Aber ich beiße die Zähne zusammen, halte den Mund und spiele stattdessen an einem losen Faden an meiner Jeans.

Esther mustert mich neugierig. »Kann ich dich mal was fragen?«

»Hast du doch schon.«

Ich höre sie neben mir schnauben. »Wieso ist das mit euch auseinander gegangen?«

Mein erster Impuls ist es, ihr vorzugaukeln, er hätte mich betrogen. Es wäre die einfachste Erklärung, sogar einfacher als die Wahrheit selbst. Ich bin mir sicher, dass es nicht schwer wäre, sie das glauben zu lassen. Nicht bei Yashars Ruf. Auch, wenn ich nicht verstehen kann, woher dieser kommt. Er hat mich nämlich nie betrogen (ignorieren wir die Tatsache einfach mal, dass das zwischen uns nie eine richtige Beziehung gewesen ist). Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Yashar der Typ für so etwas wäre, aber ich schätze, das Aussehen trügt manchmal und obwohl wir es alle nicht wollen, lassen wir uns ab und zu unbewusst davon beeinflussen.

Behind Blue Eyes [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt