5 - Freak

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Sachte strich ich über den braunen Ledersessel auf dem ich seit 10 Minuten saß um zu warten. Ich weiß nicht wieso, doch oft beruhigte es mich die Textur und Beschaffenheit eines Materials oder Untergrunds zu ertasten.

Völlig verrückt, ich weiß.

Endlich öffnete sich die Tür und ein Mann mittleren Alters betrat den Raum. Er setzte sich mir gegenüber auf einen Stuhl und musterte mich einen Augenblick lang, bevor er einiges auf seinem Klemmbrett notierte.

"Schön dich endlich persönlich zu treffen Olivia. Gibt es einen bestimmten Grund, wieso du diesen Sitzplatz ausgewählt hast?" fragte er.

Ich sah mich erneut in dem hellen Raum um.

Als ich rein gekommen bin standen mir ein Gymnastikball, ein Sofa, ein großes Sitzkissen, ein normaler Stuhl oder dieser Sessel zur Verfügung um Platz zu nehmen.

Ich überlegte wirklich, ob es einen tieferen Grund für meine Entscheidung gab, doch den gab es nicht, weshalb ich den Kopf schüttelte.

"Mein Name ist Dr.Lawrence" sagte er nun, doch von mir kam keine Reaktion.

Es war die erste Sitzung bei meinem neuen Therapeuten hier in Toronto. Er muss anscheinend ein Speziallist für Fälle wie mich sein.

"Geht es dir gut?" fragte er nun. Keine Reaktion. Er schrieb etwas auf seinen Zettel.

"Lief dein erster Schultag gut?" Keine Reaktion. Er schrieb etwas auf seinen Zettel.

"Hast du dich schon eingelebt?" Keine Reaktion. Er schrieb etwas auf seinen Zettel.

Er legte sein Klemmbrett zur Seite und faltete die Hände, bevor er mich sanft anlächelte.

Regel Nummer Eins, brech den Blickkontakt ab.

"Weißt du, ich habe schon vielen Menschen wie dir geholfen. Gib dich nicht selbst auf Olivia. Ich hatte viel Kontakt mit Dr.Montgomery, sie sagte dein Mutismus entstand aufgrund eines Traumas." sagte er und als Antwort nickte ich nur.

"Hast du schon mal etwas von Amnesie gehört? Betroffene haben nach einem Schockerlebnis keine Erinnerung mehr an die Menschen die sie lieben, sich selbst oder was passiert ist.
Oft scheint ihnen das Leben sinnlos, weil sie nicht wissen, was ihr Platz auf der Welt ist.
Doch mit kleinen Hilfestellungen kann unser Gehirn Wunder bewirken und plötzlich erinnern sie sich wieder an alles.
Das geht aber nur, wenn sie sich anstrengen und es wollen." erklärte er.

"Was ich dir damit sagen möchte Olivia, ist dass du kein hoffnungsloser Fall bist. Es kann alles wieder gut werden, wenn du nur dein Bestes gibst und versuchst mit mir zusammen zu arbeiten."

Was soll schon wieder gut werden? Das wird mir meine Mum und meinen Bruder nicht zurück bringen. Es wird mich nicht von der Schuld befreien und mir in keinster Weise helfen.

Es blieb eine Weile still zwischen uns. Ich wagte den Blickkontakt und nickte schließlich.

Wenn ich es nicht für mich tat, dann für meinen Vater.

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Schon seit einer gefühlten Ewigkeit rüttelte ich nun an meinem Spind und gab meine Zahlenkombination immer und immer wieder ein, doch dieses verflixte Ding ging einfach nicht auf. Meine Bücher sind da drin und mein Stundenplan.

Es hatte bereits geklingelt und wahrscheinlich würde ich zu spät zum Unterricht kommen. So viel zur Hoffnung mein zweiter Tag hier würde besser laufen als der erste.

"Warte ich helf dir." ertönte eine Stimme und als ich mich umdrehte kam einer der Jungs aus dem Unterricht zu mir gejoggt.

Wie hieß er gleich? Cameron?

Ich ging einen Schritt zurück und er machte mit einer Bewegung meinen Schrank auf.

"Manchmal klemmen sie, dann musst du etwas dagegen drücken, bevor du den Hebel hier hoch ziehst." erklärte er und sah sich meinen Stundenplan an.

"Cool, da muss ich auch hin." Eins ist klar, die Menschen hier reden echt viel.

"Nichts zu danken übrigens." sagte er nun kälter und mein Herz blieb einen Moment stehen.

Ich sah ihn kurz erschrocken an, doch dann begann er wieder zu Lächeln.

"Nur ein Spaß, komm schon. Wir sind sowieso schon zu spät." er schlug meinen Schrank zu, nachdem er mein Geschichtsbuch rausgenommen hatte und lief voraus.

Da ich nun wusste, das nächste Fach mit ihm zu haben, folgte ich ihm schnellen Schrittes und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

Am Klassenzimmer angekommen, wollte ich gerade klopfen, doch Cameron öffnete einfach die Tür und ging durch das Klassenzimmer.

Unbeholfen blieb ich stehen und wurde sowohl von der Lehrerin als auch von meinen Mitschülern verwundert angesehen.

"Hallo?" sagte nun die Lehrerin fragend.

"Oh das ist Olivia Baker!" rief Cameron von der letzten Reihe und die Lehrerin setzte nun ein Lächeln auf.

"Ah du bist das. Wilkommen, setz dich doch bitte."

"Livi, du kannst bei uns sitzen!" hörte ich nun Lox rufen, die neben Cameron in der letzten Reihe saß.

Bei ihnen waren noch zwei Plätze frei, weshalb ich mich auf den Weg durch die Klasse machte.

Plötzlich stolperte ich über etwas und landete auf dem Boden, bevor ich reagieren konnte. Ein paar leise Lacher gingen durch den Raum.

Ich richtete mich auf und mein Blick fiel auf diese Madison, die nun ein gespielt unschuldiges "Ups" von sich gab und dann lachend auf ihren Kugelschreiber biss ohne mich anzusehen.

Ich ging einfach weiter.

"Freak." hörte ich sie noch murmeln.

"Alter Madison ich reiß dir gleich deine billigen Extensions raus!" zischte Lox und Madison drehte sich mit arrogantem Blick zu uns um.

"Was willst du denn Ginger?" fragte sie abwertend und Lox' Gesicht nahm eine rötliche Farbe an. Jedoch keine Scham oder so, nein.. das war pure Wut.

Bevor sie noch aufspringen und auf Madison losgehen konnte, setzte ich mich schnell auf einen der freien Plätze bei den beiden und öffnete mein Notizheft um ein paar Zeilen hinein zu schreiben.


~They look at you and call you freak,
like you deserve all of this shit
And deep inside you know it's true,
that makes it worse and ruins you~

In meinem Kopf hatte sich bereits eine Melodie dazu entwickelt. Ja, ich schrieb Lieder um irgendwie über meine Situation hinweg zu kommen.

Es ist wie Tagebuch schreiben, nur mache ich mir über jedes Wort mehr Gedanken.
Ich bin nicht sonderlich gut darin, aber was soll's.

Seit ich klein bin habe ich diese Leidenschaft für die Musik, die sich durch meine Familie zieht. Früh durfte ich verschiedenste Instrumente ausprobieren und wurde immer unterstützt in meiner Leidenschaft.

Ich erinner mich an meinen 9. Geburtstag. Ich habe ein kleines Keyboard für mein Zimmer bekommen und habe Tage- nein - Wochen und Monatelang nichts anderes gemacht als mich mit diesem Ding zu beschäftigen.

Andauernd hatte ich Streit mit meinem Bruder, weil er sich für das Schlagzeug Spielen begeistert hatte und ich mich aufgrund der Lautstärke seines Instrumentes nie auf die schönen Melodien meines Klaviers konzentrieren konnte.

Plötzlich fiel eine Träne auf mein Notizheft. Hör auf daran zu denken Livi, das tut nicht gut.
Ich steckte das Büchlein wieder weg und konzentrierte mich auf die restliche Geschichtsstunde.

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Ratet, wer gerade seine Mutter genervt hat um sich mit der Kuchenglasur eine Schokobanane zu machen? Richtig, ich :D Interessiert keinen? Okay, cool..


S.M.|| Mute - Shawn Mendes FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt