Als sie wieder zurück zur Baker Street liefen, begann es zu schneien. Ein Taxi hatten sie nicht bekommen. John wehte der Schnee ins Gesicht; er keuchte. Sein Gesicht fühlte sich schon taub an. Der Detektiv hatte den Kragen hochgeschlagen und eilte voraus.
„Warten Sie, Sherlock! Ich kann nicht so schnell!“ John nahm sich zusammen und rannte, bis er wieder neben Sherlock war. Dieser blickte ihn nur abschätzend von der Seite an. „Sind Sie noch aufgebracht?“
„Ob ich aufgebracht bin?! Sie haben der armen Frau ganz schön was an den Kopf geworfen! Wenn ich nicht wüsste, mit wem ich hier reden würde und das es sowieso keinen Sinn hätte, würde ich darauf bestehen, dass Sie sich entschuldigen!“, rief John wütend. Oder es hätte wütend geklungen, wäre seine Stimme nicht schon heiser. Sein Hals war ungeschützt gegen den eisigen Wind. Hoffentlich war es nicht mehr weit bis zur Baker Street.
„Sie sollten sich wirklich entschuldigen“, krächzte John. Sherlock schaute ihn immer noch abwartend von der Seite an. Dann machte er etwas, womit der Doktor nie gerechnet hätte. Der Detektiv blieb vor John stehen, sodass dieser nicht mehr weiter konnte.
„Was soll das, Sherlock?“, er versuchte, an diesem vorbeizukommen. Sherlock nahm seinen Schal ab und wickelte ihn kommentarlos John um den Hals. Dann ging er in seinem Eiltempo weiter, als wäre nichts gewesen. John merkte, wie seinen Wangen warm wurden. Schnell beeilte er sich, dem Detektiv hinterherzukommen. In den Häusern, an denen sie vorbeikamen, blinkte ihnen von überall Weihnachtsbeleuchtung entgegen. Auch in den Geschäften war es nicht anders. Schweigend gingen sie nebeneinander her, den Kopf gesenkt gegen den Schnee, der ihnen immer noch ins Gesicht wehte; ihre Hände waren halb gefroren, obwohl beide sie in ihre Mantel – beziehungsweise Jackentaschen gesteckt hatten. John war froh, als er endlich die schwarze Tür mit der goldenen 221B erblickte. Möglicherweise hatte Mrs Hudson schon etwas Warmes für sie gekocht...Sherlock schloss die Tür auf und die beiden betraten dankbar die schön beheizte Wohnung. John nahm Sherlocks Schal ab und hängte ihn zu dem Mantel des Detektivs.
„Ähm..danke. Du weißt schon...für den Schal.“ Verlegen lief John die Treppe rauf, ins Wohnzimmer, und ließ sich in seinen Sessel fallen. Seine Wut auf Sherlock war fast verraucht. Und da es nichts anderes zu ermitteln gab im Moment, wusste John, dass Sherlock früher oder später den Fall annehmen und das Testament suchen würde.
Der Detektiv setzte sich ebenfalls in seinen Sessel. Eine peinliche Stille machte sich breit. Sherlock merkte es wahrscheinlich nicht, aber John hatte keine Ahnung, was er sagen sollte. Er war dankbar, als Mrs Hudson mit einem Tablett hereinkam.„Mittagessen, Jungs!“, sie hatte den Streit am Morgen wohl vergeben. John lief das Wasser im Mund zusammen, denn die Vermieterin hatte eine ihrer Spezialitäten gemacht: Shepherd's Pie. Sie lächelte und tat beiden einen Teller auf. „Bei dem Wetter draußen, also wirklich! Immer unterwegs, ihr beiden!“, es sollte vorwurfsvoll klingen, aber John bemerkte die Wärme in ihrer Stimme. „Danke, Mrs Hudson, und machen Sie sich keine Sorgen. Uns passiert nichts. Sie kennen uns doch.“
„Das habe ich schon oft gehört, John; und jedes Mal ist etwas passiert.“
Sherlock grunzte nur und starrte geistesabwesend an einen imaginären Punkt an der Wand. Nachdem Mrs Hudson gegangen war, nahm er den Becher mit Tee in die Hand. Essen würde er mal wieder nicht. Aber immerhin bedeutete das, dass der Fall ihn nach wie vor beschäftigte.
John genoss das heiße, leckere Essen, das ihn bald von innen wärmte. Draußen wurden die Schneeflocken immer dicker.
„Wollen Sie wirklich nichts essen, Sherlock? Das ist sowas von lecker.“ Der Detektiv antwortete nicht. „Das ergibt keinen Sinn, John.“
„Was ergibt keinen Sinn?“
„Ms Norton. Sie hat uns die Karte nicht geschickt. Sie versucht jemanden – aus irgendeinem Grund – zu schützen.“ Nachdenklich legte er seinen Hände aneinander.
„Wieso sollte sie uns die Karte nicht geschickt haben?“
„Sie ist kaum darauf eingegangen. Außerdem: Wieso sollte sie? Sie hätte in die Baker Street kommen können. Das wäre viel einfacher gewesen.“
„Vielleicht wollte sie nur nicht durch den Schnee stapfen. Sie ist immerhin eine Dame.“
Sherlock verdrehte nur verächtlich die Augen. „Ja klar. Dann hätte sie anrufen können. Und wenn die Karte wirklich von ihr wäre, hätte sie eine Nachtigall vorne draufgeklebt und keinen Adler. Nein nein, die Karte ist sicher nicht von ihr.“
Da klingelte das Sherlock Handy. Der Detektiv nahm den Anruf genervt an.
„Ja?“, er riss die Augen auf. „Tatsächlich? Natürlich kommen wir.“
„Was ist?“, fragte John.
„Ein Mord! Alice Nortons Bruder wurde ermordet!“
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Sherlock - I have only one friend
FanfictionVor der Tür der 221B Baker Street wurde ein geheimnisvolles Päckchen hinterlassen. Sherlock und John kommen schnell dahinter, dass es um das Erbe des kürzlich verstorbenen Millionärs Norton geht. Bei der gefährlichen Suche nach dem Testament und dem...