Weihnachtseinkäufe

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Am nächsten Morgen machten sich Sherlock und John gleich auf zu Lestrade, um ihm die Lösung des Falls zu schildern. Im Taxi dachte John noch einmal über die gestrige Nacht nach. Als er Sherlock umarmt hatte, war da wieder dieses Gefühl gewesen wie neulich, als er krank war. Hatte er möglicherweise wirklich Gefühle für seinen Mitbewohner entwickelt?

Sherlock würde sicher nicht lange brauchen, um es zu durchschauen, falls es wirklich so war. John seufzte. Wahrscheinlich hatte er es längst gesehen, aber John natürlich nicht darauf angesprochen, weil er seine Gefühle nicht erwiderte. Das hatte er ja gleich an ihrem ersten Abend gesagt. Wenn er aber doch seine Gefühle erwidern würde...nein, daran durfte John gar nicht denken. Die Chance war so gering und der Verlust wäre umso größer, wenn John sich jetzt noch Mühe machen würde, Sherlock zu umwerben. Am besten vergrub er seine Gefühle irgendwo und verabredete sich weiter mit irgendwelchen Frauen. Aber nicht mit Frauen, die ihn nur ausnutzten.

Während John sich im Stillen wieder über Elizabeth aufregte, dachte Sherlock ebenfalls über die gestrige Nacht nach. Keine Frage, John war in ihn verknallt. Das hatte er gleich in den ersten paar Tagen gemerkt, aber er wollte warten, bis John es selbst herausgefunden hatte. Und jetzt war er so weit, er hatte gemerkt, dass er doch nicht ganz so heterosexuell war, und hatte anscheinend auch kein größeres Problem damit. Wieso sagte er denn nichts?

Das war Sherlock ein Rätsel. Eigentlich müsste John Sherlock doch umschwärmen, ihn fragen, ob er mit ihm Essen gehen wolle und all den Kram. Eben das, was die immer in den Liebesfilmen machten, die John so gerne schaute. Aber nichts. Ihr Verhältnis schien genauso zu sein wie eh und je.

Bei Scotland Yard erzählte Sherlock Lestrade alles, auch das mit dem Testament. John hatte sich ja nicht strafbar gemacht und Lestrade würde ihm natürlich glauben (was er auch tat). Der Doktor stand derweil daneben und gab vor, interessiert zuzuhören und zwischendurch nickte er. Aber eigentlich war er in Gedanken bei sich selbst.

Lestrade fuhr sofort los und verhaftete den Butler und Elizabeth. Donovan bekam ebenfalls ziemlichen Ärger, da sie den Butler gedeckt hatte.

Sherlock und John gingen derweil in die Stadt, um sich ein wenig zu entspannen und noch Weihnachtseinkäufe zu erledigen (oder eher John. Sherlock wurde mitgeschleift und murrte in jedem Geschäft).

Mittlerweile schneite es dicke, weiße Flocken, die sich auf den Dächern und Straßen niederließen und alles mit einer friedlichen, wunderschönen Schneeschicht überzogen.

Die beiden Freunde gingen nebeneinander her, jeder in seine Gedanken versunken. Heute war der 18. Dezember, und überall hing schon die Vorfreude auf Weihnachten in der Luft. Die Geschäfte waren ziemlich voll, überall kauften Menschen Geschenke für ihre Freunde und Verwandten, kleine Kinder quengelten, ältere Kinder schauten sich DVDs und Computer an, Mütter stritten mit Verkäufern in den Spielzeugabteilungen.

John stand in der Schmuckabteilung und überlegte, was er Mrs Hudson zu Weihnachten schenken sollte, während Sherlock mit grimmiger Miene danebenstand.

„Und für wen brauchst du jetzt noch was? Wir haben bereits ein Geschenk für Lestrade, für Molly, für deine Schwester, für Mycroft, für meine Eltern, für deine Eltern..“

„Und jetzt brauchen wir noch eins für Mrs Hudson.“

„Na schön, aber danach gehen wir nach Hause. Ich hab nämlich Hunger.“

„Sherlock Holmes hat Hunger? Jetzt ist der Fall wirklich gelöst!“, grinste John. Er entschied sich für eine schlichte, aber sehr edle Halskette.

Am späten Abend, als Sherlock duschte, machte sich John noch einmal in die Stadt auf, um ein Geschenk für Sherlock zu kaufen. Er überlegte lange, aber dann fand er (hoffentlich) das Richtige und versteckte es bei Mrs Hudson, damit sein Mitbewohner es nicht entdeckte.

Als er nach oben in ihre Wohnung zurückkehrte, lag Sherlock auf dem Sofa und las ein Buch. Er fragte nicht, wo John gewesen war, was den Doktor einigermaßen wunderte. Aber er fragte nicht nach.

„Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht.“, sagte John.

„Gute Nacht“, nuschelte Sherlock, ohne aufzusehen. John seufzte nur und ging ins Bett; irgendwie war er plötzlich todmüde. Es hatte noch weiter geschneit, und er kuschelte sich in seine Decke. Bevor er weiter über sich und Sherlock nachdenken konnte, war er eingeschlafen.

Sobald Sherlock das Türschließen Johns hörte, sprang er auf und lief leise zum Schrank, in dem sein vollgeschneiter Mantel hing, griff in die Manteltasche und holte ein kleines Päckchen hervor. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

Als er John sagte, er ginge jetzt duschen, war er durch das Badezimmerfenster geklettert (was ziemlich eng war), seinen Mantel übergezogen, den er im Gebüsch versteckt hatte, und sich auf den Weg in die Stadt gemacht. Er musste lange überlegen, aber schließlich fand er das Richtige.

Sobald er zurück in der Baker Street war, hing er schnell den Mantel auf und warf sich aufs Sofa, als auch schon John zurückkam. Aber der Doktor hatte nichts bemerkt.

In einem Geschäft wäre Sherlock fast von John bemerkt worden, der noch ein Geschenk kaufte. Wahrscheinlich hatte er jemanden vergessen, seine Schwester bestimmt.

Er hatte mit einem ganz süßen Lächeln auf das Geschenk geschaut. Sherlock war selbst irritiert über seine Gedanken. Süß? Er schüttelte den Kopf. Aber irgendwie...ja, doch, es war süß.

Sherlock schloss den Schrank, versteckte das Päckchen gut und ging dann ebenfalls ins Bett.

Sherlock - I have only one friendWo Geschichten leben. Entdecke jetzt